Nur eine Stunde wachen?

DSC04369Seit Gründonnerstag im Garten Gethsemane hat sich zwar die Situation Jesu deutlich gebessert, dachte ich diese Woche bei meinen Meditationsübungen, unsere dagegen kaum. Vielleicht ist ja nicht der Schlaf das Problem , sondern das Träumen – wenn meine Gedanken in die Vergangenheit abtauchen, in die Zukunft enteilen und bei allem Möglichen sind, außer im Hier und Jetzt.

Da erlebe ich mich meist als buchstäblich „gedankenverloren“ und staune, um was die Gedanken so alles kreisen. Und in welchem Tempo! Was die philosophische Frage aufwirft: Es ist zwar Realität, dass ich mit Gedanken mache. Aber wie „wirklich“ sind meine Gedanken – ist das ein eigener Bereich der Realität oder nur das unwirkliche Echo des wahrhaft Wirklichen, das in meinem Kopf entsteht?

Wir auch immer – ich bin dankbar dafür, dass ich lernen kann, diesen Kreislauf immer wieder anzuhalten oder zu verlassen. Heute habe ich mich an einen Gedanken aus dem Römerbrief erinnert, wo es auch um das Bleiben in der Nähe Gottes geht statt um heroische Unternehmungen, die sich meilenweit entfernt abspielen:

Sag nicht in deinem Herzen: Wer wird in den Himmel hinaufsteigen? Das hieße: Christus herabholen. Oder: Wer wird in den Abgrund hinabsteigen? Das hieße: Christus von den Toten heraufführen. … Das Wort ist dir nahe, es ist in deinem Mund und in deinem Herzen. (Röm 10,6-8)

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Das große Gähnen

Fulbert Steffensky schreibt über Heilige Welten, und würdigt den Segen der Reformation, die die alten Ordnungen von Heilig und Profan sprengte – fragt aber im Blick auf ihre unbeabsichtigten Nebenwirkungen im Gefolge der Aufklärung:

Könnte es sein, dass mit dieser Art Entzauberung des Lebens ein großes Gähnen in die Welt gekommen ist? Könnte es sein, dass wir vor lauter Erlösung Schöpfung nicht mehr denken können? Dass wir in den Dingen die Spuren und die Kraft Gottes nicht mehr lesen und aus ihnen sein Lob nicht mehr hören können?

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Abendmahlsliturgie

Nadia Bolz-Weber hat mir die Liturgie dagelassen, die Sie vorletzten Sonntag benutzt hatte, hier ist die Übersetzung, für alle, die es interessiert:


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Ewiger Gott,

in deiner überfließenden Liebe hast du alles geschaffen

aus Staub und Geist unsere Menschheit gewoben

auf all unseren Abwegen nie aufgehört, uns zur Fülle des Lebens zu rufen

Du gabst uns Jesus, den Sohn der Maria,

das Brot des Lebens, gebrochen für die Welt

Er speiste uns und feierte mit uns

er heilte uns und litt für uns

sein Sterben und Auferstehen haben uns von der Armut der Sünde befreit

und der Hungersnot des Todes

Deshalb stimmen wir mit allen, die du gemacht, bewahrt und berufen hast,

mit allen, die nach deiner Herrschaft hungern

und nicht ruhen, bis alle Kinder gespeist sind

mit den zerbrochenen Heiligen und erlösten Sündern aller Zeiten

dieses Loblied auf dich an:

Heilig, heilig, heilig…


Wir bitten, dass dein Heiliger Geist

auf uns und diese Gaben fällt

damit diese zerbrechlichen, irdischen Dinge

für uns zum Leib und Blut unseres Herrn und Bruders Jesus Christus werden

der in der Nacht, als er verraten wurde,

sich mit seinen strauchelnden Freunden versammelte

zu einem Mahl, das nach Freiheit schmeckte.

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(Einsetzungsworte)

Deswegen werden wir, wenn wir essen und trinken

mit der lebensspendenden Gegenwart Christi erfüllt

wir verkünden ihn als den Gastgeber der Schöpfung

der Armut in Überfluss verwandelt

durch die unbekümmerte Großzügigkeit seiner Gnade

Inspiriere uns zu der Hoffnung

dass es eines Tages weder Tod noch Gier mehr geben wird

und Menschen ohne Zahl kommen

von Osten und Westen, Norden und Süden

um das Mahl des Gottesreiches zu feiern.

das bitten wir durch Jesus Christus unseren Herrn,

durch ihn und mit ihm und in ihm sei dir, o Gott

in der Einheit des Heiligen Geistes

alle Ehre und Herrlichkeit

in Ewigkeit

Amen

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Einfach der Lust folgen

Franz Jaliczs über geistliche Begleitung und die wichtige (aber in Zeiten von „Schluss mit lustig“ unpopuläre) Frage, wozu jemand – zumal der pflichtbewusste Mensch – denn nun eigentlich Lust hat:

Diese innere Neigung, die wir Lust oder Freude nennen, fasst die lebenswichtigen Faktoren zusammen und zeigt die Summe der inneren Bestrebungen; deshalb können wir sie als den Ausdruck des Willens Gottes erkennen, falls sie auch die erhabeneren Wünsche einschließt und nicht nur niedrigere Empfindungen, wie die Bequemlichkeit und die Faulheit. Letzten Endes ist diese Veranlagung, die wir Lust nennen, der Ausdruck aller unserer Neigungen und Überlegungen. Ihr gehört das letzte Wort vor einem verantwortlichen Entschluss. Es ist sehr vorteilhaft, nach ihr zu fragen und ihr Bedeutsamkeit beizumessen, damit sie offenbar wird. Wozu wir Lust haben, gibt unserem Entschluss Sicherheit und verstärkt das Gefühl der Freiheit.

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Weisheit der Woche

Das größte Hindernis bei der Verkündigung des Glaubens (…) ist, dass wir die Menschen, denen wir etwas vermitteln wollen, nicht zuerst anhören. wir kommen mit einer Botschaft, mit einer Erfahrung, wir wollen eine Weg zeigen, aber wir hören nicht zu, wo der Betroffene steht, wo seine Wünsche und Interessen, wo sein Leid und seine Freuden liegen.

(…) Der Glaube und der Weg zu Gott betrifft die tiefste Mitte unserer Seele, den Sinn unseres Lebens. Damit wir in diesem Bereich etwas mitteilen können, müssen wir in Kontakt zu ihm in diesem Bereich seiner Seele treten. Wir müssen in der Tiefe seines Wesens in Beziehung sein. Er muss sein Herz von seiner Mitte her schon offen haben. Sonst kann er unsere Botschaft nicht an sich heranlassen. Und das geschieht nur durch das Mitgehen und das Anhören.

Franz Jalics, Miteinander im Glauben wachsen

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Eine Frage, viele Meinungen

Am Wochenende hat sich eines unserer Kinder beim Sport verletzt. Mein Frau brachte es zum orthopädischen Notdienst, erhielt dort eine erste Diagnose und wurde zur Erstellung eines CT in die Uniklinik geschickt. Dort sprach sie mit einem Assistenzarzt, der das CT für überflüssig hielt und eine Halskrause verschrieb. Wenn es bis morgen nicht besser wird, müssen wir noch einmal zum Arzt, das wäre dann der dritte, und wenn wir Pech haben, die dritte Meinung.

Ähnlich muss es viele Leuten mit den verschiedenen Religionen und Konfessionen gehen. Wie schön wäre es, wenn sie in den wesentlichen Fragen von Diagnose unserer persönlichen und gesellschaftlichen Situation übereinstimmen und dieselbe Therapie verschreiben würden. Oder wenn die Wirtschaftwissenschaftler in der Bewertung der Konjunktur einig wären und unseren Politikern keine verwirrende Vielfalt von Prognosen und Maßnahmenkatalogen gäben.

Wir müssen aber zum Arzt, wir müssen uns um unsere Wirtschaft kümmern (selbst wenn es immer wieder Situationen gibt, wo Nichtstun auch zu sehr annehmbaren Resultaten führt) – und wir müssen uns selbst (und gelegentlich anderen auch) Rechenschaft darüber geben können, was wir glauben und warum es uns sinnvoll erscheint. Wir müssen – um ein weiteres Beispiel zu bemühen – demnächst auch wieder wählen und dabei aus vielen unterschiedlichen Parteien und Kandidaten auswählen.

Die Vielstimmigkeit in all diesen Bereichen ist kein gutes Argument dafür, sich erst gar nicht richtig mit den Themen auseinanderzusetzen. Daher erstaunt es schon, dass die Ansicht so weit verbreitet ist, dass wir es uns leisten können, Fragen nach Gott oder dem Grund und Ziel unserer Existenz scheinbar offen zu lassen. Sollte das die Kapitulation vor der eigenen Ratlosigkeit angesichts des religiösen Pluralismus sein, dann könnte der Arztbesuch vielleicht ein paar Ideen abwerfen, was man tun könnte. Irgendwie schaffen wir es ja auch, eine Entscheidung zu treffen, und sei es nur im Trial-and-Error-Verfahren:

Natürlich kann ich mich auch als Patient einlesen in die Materie, ich kann mich über den Ruf und die Qualifikation der verschiedenen Ärzte informieren (bei Bekannten, im Internet, ggf. in Zeitschriften, alles natürlich ohne Gewähr…) und den auswählen, der am besten abschneidet, oder ich kann meinem Bauchgefühl oder meiner Intuition vertrauen. Je gravierender das Problem, desto mehr Zeit werde ich mir dafür nehmen. In jedem Fall ist es aber ein Risiko und in jedem Fall geht es darum, wem ich vertraue und auf wen ich mich verlasse. Sicheres „Wissen“ gibt es immer erst hinterher, auch in Politik, Medizin und Wirtschaft.

Steht also bei der Entscheidung für eine Glaubensrichtung, Weltanschauung oder Religion akut etwas auf dem Spiel? Eine ganze Menge, wenn man es ernst nimmt: Wofür werde ich Zeit, Kraft und Mittel einsetzen und wofür nicht? Wie definiere ich Erfolg? Worauf setze ich meine Hoffnung und was bringt mich dazu, an ihr auch unter erschwerten Bedingungen festzuhalten? Mit welchen Menschen lasse ich mich ein und wen nehme ich mir zum Vorbild? Niemand ist gezwungen, sich darüber Gedanken zu machen. Es tut nicht weh, wenn wir es unterlassen. Gut, vielleicht tut es schon weh, nur können wir den Schmerz verpasster Chancen oder falscher Entscheidungen gar nicht richtig zuordnen und halten das für „normal“ – schließlich geht es vielen so. Und schlicht auf die Stimmen zu setzen, die mir sagen, was ich hören will, kann auch ins Auge gehen.

Die Entscheidungen fallen dann eher unbewusst – unsere familiären und sozialen Skripte regeln das Überleben schon irgendwie: eine Art quasireligiöse „Werkseinstellungen“, die dann eben unverändert bleiben. Wenn wir also meinen, dass wir unsere Autonomie bewahren, indem wir uns erst gar nicht mit Religionen befassen, die sie eventuell einschränken könnten, dann ist das ein Irrtum. Irgendwer hat schon längst festgelegt, was für uns selbstverständlich ist. Wir haben uns nur noch nie gefragt, wer es war und mit welcher Absicht das geschah.

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Das wandernde Herz

Hier ein täglich wiederholter Rat aus der zurückliegenden Exerzitienwoche, vielleicht etwas überspitzt formuliert, aber in dieser Einseitigkeit als Ermutigung gedacht:

Wenn dein Herz wandert oder leidet,

bring es behutsam an seinen Platz zurück

und versetze es sanft in die Gegenwart deines Herrn.

Und selbst, wenn du in deinem Leben nichts getan hast

außer dein Herz zurückzubringen und wieder

in die Gegenwart unseres Gottes zu versetzen,

obwohl es jedesmal wieder fortlief,

nachdem du es zurückgeholt hattest,

dann hast du dein Leben wohl erfüllt.

Franz von Sales – der Patron der Schriftsteller und Journalisten

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Pfingstgedanken

Da Kohärenz an Pfingsten nicht zwingend ist und auch den Aposteln erst nach einer gewissen Zeit möglich war, hier ein paar unsortierte Gedanken zum Fest, das immer wieder mal recht unglücklich als Geburtstag der Kirche bezeichnet wird. Denn die gab es 50 Tage nach Ostern natürlich schon längst – sie ist nichts anderes als das Gottesvolk des neuen (d.h. des erneuerten alten!) Bundes. Und das mit dem Geburtstag ist auch insofern irreführend, als man meinen könnte, die Kirche dürfe sich nun selbst feiern und ein bisschen auf die Schulter klopfen. Das sollten wir dann doch lieber Gott überlassen, der wird das zu seiner Zeit tun.

Mit dem Geist haben sich Christen im Westen immer schwer getan. Im Protestantismus erschien er häufig eher im Gegensatz zur „Natur“: Entweder lehnte man eine „natürliche Gotteserkenntnis“ ab – als könne man Gottes Wesen aus der Beobachtung der Welt durch Vernunft, Wissenschaft und moralisches Bewusstsein irgendwie erklären und ableiten -, oder man war darauf bedacht, den Menschen nicht als im Wesentlichen doch gut und Sünde als nebensächlichen Defekt hinzustellen und betonte von daher die tiefe Kluft. Zur epistemologischen und moralischen Kluft dann kam noch der pfingstlich-charismatische Supranaturalismus dazu, der den Geist gern in den spektakulären, extremen und „abgefahrenen“ Erlebnissen am Werk sieht und das Gewöhnliche gering schätzt.

In jedem Fall führte das dazu, dass die Welt irgendwie „entgeistert“ wirkte. Der Gedanke, dass der Geist in der gesamten Schöpfung am Wirken ist, sie erhält und sie auf eine Vollendung hin bewegt, fiel etwas unter den Tisch. Also wurde es schwierig, ihn in „natürlichen“ Begabungen am Werk zu sehen, und wer besonders geistlich sein wollte, kam oft leicht weltfremd daher. Und so richtig der Gedanke einer Gegenkultur oder Kontrastgesellschaft ist, so wenig ist das einfach eine Negation oder allzu simple Umkehr der gegenwärtigen Verhältnisse.

In Wahrheit gehört beides zusammen: Das Wirken des Geistes in der Gemeinde und den einzelnen Christen seit Pfingsten knüpft an an das Wirken des Geistes in der Schöpfung an, ebenso wie in der Geschichte Israels, die in Jesus ihren Höhepunkt erreicht. Selbststeigerung und Selbstvervollkommnung waren nie der Weg, wie Gottes Geschöpfe seine Absichten erfüllen würden, sondern indem sie empfänglich werden und bleiben für weiteres schöpferisches Wirken des Geistes Gottes. Darum befreit uns Gottes Geist, natürlicher zu sein, als wir es aus uns selbst sein könnten. Es wird von uns aber auch immer ein bewusstes Unterscheiden verlangt: Gott ist überall am Wirken, und überall wird dieses Wirken auch von den Mächten dieser Welt behindert oder entstellt. Am Pfingsttag sehen wir genau das in der Predigt des Petrus: Er kann unterscheiden.

Pfingsten heißt so gesehen nicht, dass nun etwas kommt, was noch nie da war. Es heißt aber durchaus, dass Gott das Tempo und die Reichweite seines Wirkens deutlich erhöht hat. Unterscheiden können heißt, so gesehen, nicht nur, dass wir sagen können, wo Gott in unserer Nähe am Wirken ist, sondern eben auch, dass wir von Beobachtern zu Akteuren werden. Und dabei dann immer noch etwas tiefer verstehen, worauf das alles hinaus läuft.

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Hoffnungslos unterbelichtet?

Ich ging abends über den Kornmarkt in Nürnberg. Vor mir zückte ein Mann seine kleine Kamera und machte ein Foto. Der winzige Blitz war mit den dunklen Gebäuden hoffnungslos überfordert. Selbst eine große Kamera mit einem Profi-Blitz hätte da wenig ausgerichtet.

Mich wundert dabei immer, dass Leute es überhaupt versuchen. Entweder haben sie die Kamera erst ein paar Tage oder sie haben sich nie Gedanken darüber gemacht, was man mit so einem Teil tun kann und was nicht. Ich vermute, es ist öfter letzteres der Fall.

Als ich so da stand und nachdachte, fiel mit ein, dass wir es mit unserem Verstand ähnlich machen. Ein „Geistesblitz“ ist durchaus in der Lage, bestimmte Dinge zu erhellen. Aber manche Gegenstände sind zu groß, um sie ganz aufs Bild zu bekommen, folglich müssen wir für den passenden Blickwinkel zu weit weg, und dann reicht das Blitzlicht eben doch nicht mehr aus.

Ein Fotograf kann in so einem Fall ein Stativ benutzen, wenn sein Bild nicht verwackelt oder grauschwarz ausfallen soll. Man trägt also etwas mehr mit sich herum und so richtige Schnappschüsse wollen damit nicht gelingen, stattdessen ist Geduld gefragt, wenn man seine Umgebung in ihrem eigenen Licht abbilden will. Vielleicht ist es im Leben auch so: Wir müssen uns Zeit lassen, wir brauchen ein „Stativ“ (vielleicht ein ruhiger Ort oder eine bestimmte Disziplin) und wir müssen darauf warten, dass sich das, was wir erkennen möchten, in seinem eigenen Licht zeigt.

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Konfirmationssegen

Ich war etwas unzufrieden mit den Vorschlägen, von denen einige irgendwie so defensiv klangen – als würde es nur darum gehen, den derzeitigen Glaubensstand zu halten und dann irgendwann in den Himmel zu kommen. Also habe ich mich hingesetzt, mir unsere Konfis vorgestellt und mich gefragt, welcher Segen für sie passen könnte. Und das kam dabei heraus:

Gottes Herrlichkeit lasse dein Leben erstrahlen

einzigartig und voller Schönheit

Gottes Geist lasse dein Herz überfließen mit Freude und Liebe

an hellen wie an dunklen Tagen

Gottes Sohn gebe dir den Mut und die Kraft,

aufrecht in deiner Berufung zu stehen

Gott der Vater mache dein Leben fruchtbar

zu seiner Ehre und zum Segen für die Welt

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Wink schon wieder

… aber er ist einfach gut:

In der geistlichen Renaissance, die wie ich glaube im Entstehen ist, wird es nicht die Botschaft des Paulus sein, die die Herzen zusammenschweißt, wie in der Reformation und der wesley’schen Erweckung, sondern die menschliche Gestalt Jesu. Und unter den Lehren Jesu werden die Aussagen zur Gewaltlosigkeit und der Liebe zu den Feinden einen zentralen Raum einnehmen. Nicht weil sie wahrer wären als alle anderen, aber weil sie der einzige Weg sind, Unterdrückung zu überwinden ohne neue Unterdrückung zu schaffen.

Ich gebe zu bedenken, dass die entscheidende religiöse Frage heute nicht mehr die Frage der Reformation sein sollte, „Wie bekomme ich einen gnädigen Gott?“ sondern vielmehr „Wie finden wir Gott in unseren Feinden?“ Was die Schuld für Luther war, ist für uns der Feind geworden: der Stecken, der uns zu Gott treiben kann. Was oft eine reine Privatangelegenheit war – Rechtfertigung aus Gnade durch Glauben – ist in unserem Zeitalter so groß geworden, dass es die Welt umgreift. Wie John Stoner anmerkte, können wir uns vor unseren Feinden ebenso wenig retten wie vor unseren Sünden, aber Gottes erstaunliche Gnade rettet uns vor beidem.

Tatsächlich gibt es für unsere Zeit keinen anderen Weg zu Gott als durch unseren Feind, denn den Feind zu lieben ist zum Schlüssel geworden, sowohl für das Überleben der Menschheit im Atomzeitalter als auch für persönliche Veränderung. Heute müssen wir, mehr als je zuvor, uns dem Gott zuwenden, der die Sonne über den Bösen und den Guten aufgehen lässt, oder wir haben gar keine Sonnenaufgänge mehr.

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Jeder stirbt anders

Falls jemand das beim Lesen der Überschrift befürchtet hatte – das Folgende ist kein deplazierter Kommentar zu der Tragödie in Winnenden heute, sondern eine theologische Reflexion aus Walter Winks Klassiker Engaging the Powers: Discernment and Resistance in a World of Domination über die Frage, was es bedeutet, sein Leben zu finden, indem man es verliert:

Rationalisten müssen wahrscheinlich ihrer Vergötzung des Verstandes absterben; dominante Persönlichkeiten ihrer Macht; stolze Leistungstypen ihren Errungenschaften. Traditionell waren das jedoch eher die Männer. Und von Männern verfasste Theologien, die deren Arroganz und Stolz bekämpfen, unterdrücken Frauen, die unter der Last eines niedrigen Selbstwertgefühls leiden, die von Verboten daran gehindert wurden, etwas zu erreichen, und denen Möglichkeiten verweigert wurden. Solche Frauen müssen den Erwartungen und Verboten einer Männergesellschaft absterben. Selbst die, denen ihr Leben gestohlen wurde, müssen ihr Leben verlieren, um es zu finden. Sie müssen dem absterben, was sie umgebracht hat.

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