Sternstunden des Sportjournalismus I: Macht Klinsmann weiter?

Ein superpeinliches Kapitel des WM-Jouralismus spielt sich seit dem kleinen Finale gestern abend ab: Jeder meint, er müsse der erste sein, der Jürgen Klinsmann das Versprechen entlockt, dass er weitermacht. Wenn das so weitergeht, sagt er nur deswegen ab, um diesen Nervensägen nicht wieder über den Weg laufen zu müssen.

Angela Merkel hat gestern gesagt, der größte Gefallen, den man Klinsi tun kann, ist ihm Zeit zu geben für seine Entscheidung. Als ich darüber nachdachte, habe ich begriffen, dass die beiden tatsächlich Freunde sind und es kein Zufall war, dass der Bundestrainer die Kanzlerin im Daimler-Stadion umarmt hat wie das zuvor kaum jemand in der deutschen Öffentlichkeit mit ihr gemacht hat.

Share

Erwachsen Beten

Ich arbeite an einer Predigt zum Thema Gebet, die ich gern “erwachsenes Beten” nennen möchte. Wer will, kann hier mit einem Kommentar zu diesem Post also noch das Schlimmste abwenden 😉

Der Grundgedanke ist, dass sich unsere Beziehung zu Gott im Laufe der Zeit verändert, uns manchmal aber nicht klar ist, wie und warum. Und plötzlich “funktionieren” Dinge nicht mehr so wie früher. Die Unmittelbarkeit und Naivität der Anfangszeit wird durch Fragen und Zweifel erschüttert, weil Gott sich scheinbar zurückzieht.

Das Glaubensleben wird auf einmal komplizierter. Die einen verdrängen das und singen noch etwas lauter, beten etwas angestrengter und formulieren ihre brüchigen Parolen etwas dogmatischer und trotziger, andere resignieren still und hören auf oder halten treu, aber ohne große Erwartung an einer guten Gewohnheit fest.

And I can’t quite remember how to pray anymore
I can’t quite remember what to say anymore
If it turns out that I can’t have my way anymore
How will I know which way to turn, when I walk out the door?
There’s a molecule of faith in this room
What they used to call the mustard seed
There’s a molecule of faith in this room
And a book that says that’s all I’ll ever need
I don’t know where it is, but I hope I find it soon
Cause nothing else will ever set me free
There’s a molecule of faith in this room
And even though it’s much too small to see,
If I have the courage to believe
I’ll find the one who left it here for me

Stubborn (Psalm 151) by Lee Ann Womack

„Erwachsen Beten“ weiterlesen

Share

Freiheit – flach oder tief?

Im LebensArt Team hatten wir eine interessante Diskussion über Freiheit. Jemand sagte, dass man durch eine Entscheidung wie zum Beispiel Heiraten seine Freiheit einschränkt. Mich hat an dem Gedanken etwas gestört, und dann begriff ich, dass es in Wahrheit umgekehrt ist: Durch eine Entscheidung nutze und betätige ich meine Freiheit, selbst wenn ich mich festlege. Sie wird dadurch nicht geringer, sondern wirklicher.

Sich alles offen zu halten (was Bruder Paulus als “flächendeckende Suche” beschreibt) ist nur die Illusion von Freiheit, nach dem Motto “Ich könnte jederzeit…” Echte Freiheit hat dagegen immer mit Mut und Verantwortung zu tun. Mut, sich zu entscheiden und bestimmte Dinge mit ganzer Hingabe zu tun. Verantwortung, weil ich zu meinen Entscheidungen samt deren (oft unabsehbaren) Folgen für mich und andere stehe: Partnerschaft, Berufswahl, mein spiritueller Weg.

„Freiheit – flach oder tief?“ weiterlesen

Share

Positiv überrascht

Wenn mir noch vor kurzem jemand gesagt hätte, ich könnte Countrymusik gut finden, hätte ich das weit von mir gewiesen. Seit ich das neue Album der Dixie Chicks Taking The Long Way kenne, ist das anders.

Die Musik alleine wäre es noch immer nicht ganz, aber die intelligenten Texte heben sich angenehm ab von viel heiler-Welt-Lyrik, die in dem Genre sonst oft schablonenhaft transportiert wurde. Manches davon trifft bei mir momentan gefühlsmäßig voll ins Schwarze.


Share

Freundliche Selbstbespiegelungen

Wer meint, die emerging church hätte es mit der Selbstreflexion auf die Spitze getrieben, muss mal den deutschen Blätterwald ansehen. Auf mysteriöse Weise hat sich die Abwärtsspirale der Selbstkritik umgekehrt.

Eine Nation entdeckt die Begeisterung
über die eigene Nation
und ist davon total begeistert

Das können wirklich nur wir 🙂

Share

Zeitgemäß Feiern

Weil niemand weiß, wie lange wir noch Grund zum Feiern haben bei dieser WM, tun wir nach jedem Spiel so, als wäre das schon der Titel. Verkehrskollaps in den Innenstädten, lärmende Verbrüderung mit konkurrierenden Teams, Schwarz-Rot-Gold allenthalben und so weiter.

Heute habe ich zwei Autos mit portugiesischer Fahne hupend vorbeifahren sehen. Vor ein paar Jahren (EM? WM?) hat Italien ein Viertelfinale gewonnen und die Tifosi haben in Nürnberg den Altstadtring dicht gemacht. Ich blieb im Verkehr stecken, weil ich nicht mit so viel Siegestaumel gerechnet hatte.

Warum fahren eigentlich nicht nächstes Jahr an Ostern mal Christen aus allen Gemeinden mit dem Auto hupend in die Stadt, schwenken Fahnen (‚tschuldigung, auf kanaanäisch: “Banner”), nehmen ein paar Flaschen Abendmahlswein mit (und Traubensaft…), grölen “so ein Tag” und verbrüdern sich mit jedem, der vorbei kommt – Materialisten, Muslimen, Mormonen, …?

Da muss man nicht viel organisieren, das bleibt anders als viele Gottesdienste nicht unbemerkt und es macht manchen von uns sogar Spaß. Vielleicht eine etwas flottere Version der Fronleichnams-Prozessionen

Share

Mein Höhlengleichnis

Gestern waren wir zu viert in der Schönsteinhöhle. Ein eindrückliches Erlebnis: atemberaubende Tropfsteinformationen, glitschige Kletterpartien, schließlich auf dem Bauch durch den Schlamm robben. Zwischendurch habe ich fast einmal den Koller bekommen, aber Thomas war ein guter Führer. Alleine hätte ich mich hoffnungslos verfranst. Weil er so viel Ruhe ausgestrahlt hat und mir glaubhaft versicherte, dass hinter einer unangenehmen Kriechpassage ein lohnenswertes Ziel (oder der Rückweg) zum Eingang lag, habe ich meine eigenen Widerstände überwinden können.

Beim Nachdenken hinterher fiel mir auf, dass es Lebenssituationen gibt, wo es wie in einer Höhle zugeht, aber ganz unplatonisch: Der größte Fehler, den man machen kann, ist es allein zu versuchen. Die Gefahr, sich zu verirren, in “ein Loch zu fallen”, stecken zu bleiben oder (noch wahrscheinlicher) durchzudrehen ist erheblich. Also brauche ich jemanden, der ruhig bleibt, der den Weg kennt, der selbst die Engpässe durchgestanden hat und weiß, dass dahinter ein weiter Raum liegt. Dann kann ich meine Angst und Fluchtgedanken herunterschlucken und mich auf das konzentrieren, was vor mir liegt, und es wird schließlich eine gute Erfahrung.

Share

Emerging Gummibären (Martin Rauh zum 40. Geburtstag)

Seit einigen Jahren macht der emerging Gummibär zunehmend von sich reden. Hatte der moderne Gummibär in der Form des Goldbären (Tagesproduktion: 80 Millionen) über Generationen zusammen mit der Colaflasche hinweg die Regale der Warenhäuser dominiert, versank er in den vergangenen Jahren in einer Flut neuartiger Gummiprodukte. Die Globalisierung öffnete die Menschen für andere, exotische Geschmäcker. Eine existenzielle Krise war die Folge: Sollten Gummibären sich dem Pluralismus des Supermarktes beugen? Waren also synkretistische Gummimischungen angesagt: Bären, Flaschen, Schnuller, saure Pommes oder gar bislang als okkult verschrieene Vampire und Chiliteufel? Noch schwerer wog die Frage, ob über die Ökumene der Fruchtgummis hinaus Berührungen mit den Zucker- und Gelatine-Ersatzstoffen denkbar und legitim waren. Kann man süß sein und doch zuckerfrei, um all denen gerecht zu werden, die keinen Zucker mögen oder vertragen?

„Emerging Gummibären (Martin Rauh zum 40. Geburtstag)“ weiterlesen

Share

Fans von einander werden

Anlässlich einer Traupredigt habe ich über Hebräer 10,24 nachgedacht, wo es darum geht, auf einander zu achten und einander zu guten Taten anzufeuern. Wenn man das mal so kurz vor der WM mit Fußballfans – nicht mit Hooligans! – vergleicht (die Autorin bzw. der Autor des Hebräerbriefs macht ja auch Anleihen beim Sport), dann erkennt man einige Parallelen, die nicht nur, aber eben auch für Ehepaare gelten:

  1. Fan werden ist etwas lebenslängliches und Schicksalhaftes, für das man oft keine plausiblen Gründe angeben kann. Man muss nur mal Nick Hornbys “Fever Pitch” dazu lesen, um es zu verstehen. Ein Fan wechselt nicht einfach den Verein.

„Fans von einander werden“ weiterlesen

Share

Der Altmeister

Bob Dylan, den der Independent respektlos schon zum 50. Geburtstag als “Rob Zimmerframe” bezeichnete, wird 65. Als heute morgen alle Hausbewohner in die Schule verschwunden waren, habe ich mir zum Gedenken eine Runde seiner Klassiker aus “Live at Budokan” gegönnt, richtig laut. Irgendwie fühle ich mich mit ihm verbunden, weil wir beide im gleichen Jahr (1979) zum Glauben fanden – freilich aus recht unterschiedlichen Richtungen.

Christsein ist laut Wikipedia immer noch ein wichtiges Thema, auch wenn Dylan nicht mehr mit der Tür ins Haus fällt wie in der Anfangszeit. Der australische Theologe Ben Myers hat als Hommage auf seinem Blog unter anderem ein paar kryptische Dylan-Zitate zusammengetragen.

Share

Uns fällt die Decke auf den Kopf…

Die Angst der Gallier vor dem Himmel, der ihnen auf den Kopf fallen könnte, wurde heute mitten im Gottesdienst ganz plastisch nachvollziehbar. Etwaige Predigtschläfer wurden unsanft unterbrochen, denn rund zwei Quadratmeter Stuck lösten sich von der Decke und fielen zum Glück so herab, dass nach meinem augenblicklichen Wissensstand mehrere Erwachsene (danke, Gernot, für die Info!) blaue Flecken oder Prellungen und ein Baby einen Kratzer am Kopf davontrugen. Eine Person hatte eine Platzwunde am Kopf. Alles in allem trotzdem Grund, Gott dankbar zu sein für die Bewahrung. Da hätte sehr viel mehr und Schlimmeres passieren können. Ein bis zwei Kilo Gips und Mörtel aus 8m Höhe hätte auch tödlich sein können, gerade bei den Kleinen.

Dscf0873 Dscf0874 Dscf0875
„Uns fällt die Decke auf den Kopf…“ weiterlesen

Share

Familiengeschichte in nuce

Nach gut 17 Jahren haben wir kürzlich unser altes Bett ausrangiert. Über 6000 Nächte (und Tage) hat es hinter sich und war gegen Ende etwas wacklig geworden. Es war das dienstälteste Möbelstück im Haus. Beim Zerlegen zogen Erinnerungen vorbei – an romantische Abende mit Kerzenschein und Weinglas, schlaflose Nächte wegen Sorgen oder quakender kleiner Quälgeister, diverse Krankheiten; an manche schwierige und viele gute Gespräche, an glückliches und ratloses Schweigen, Tränen und Gekicher, an Gähnen und müde Augen am Abend, verschlafenes Blinzeln am Morgen; an vier Kinder, die gestillt wurden, zum Kuscheln kamen, auf der Matratze hopsten oder getröstet werden mussten nach Kummer und Albträumen – und die unaufhaltsam größer wurden.

Keine Ahnung mehr, wie viele Bücher ich in diesem Bett gelesen habe, wie viele Ideen und Gedanken mir vor dem Einschlafen und nach dem Aufwachen gekommen sind und noch viel weniger, was ich in diesem Bett wohl so alles geträumt habe. Jetzt steht ein neues da – mit “Himmel”. Wenn das keine Verheißung ist…

„Familiengeschichte in nuce“ weiterlesen

Share

Außenseiter

Heute hatte ich ein nettes Gespräch am Telefon mit einem evangelischen Pfarrer, der ein Jahr als “Pioniermissionar” (seine Worte) auf einer griechischen Insel tätig war und dort als Ausländer und Lutheraner mindestens so exotisch wie hier ein amerikanischer Pfingstler (auch der Vergleich stammt von ihm).

Als protestantischer Nord- bzw. Westeuropäer wurde er misstrauisch und kritisch beäugt und fand seinerseits eine etwas fremde, orientalische Art des Christseins, die in manchem schon an den Islam erinnerte (Ritualismus, Rolle der Frau etc.). Die Minderheitensituation, theologisch würden wir sagen: das Exil, hat einiges an neuen Gedanken angestoßen und alte vielleicht vertieft. Kein Wunder: Diese Erfahrung war ja auch schon zu Jeremias und Hesekiels Zeiten theologisch höchst fruchtbar.

Hinterher dachte ich mir: Vielleicht sollte so etwas Teil der Ausbildung des Pfarrernachwuchses sein, Leute mal eine Weile in eine solche Situation zu schicken? Solche Lernerfahrungen könnten doch ein Gewinn für alle sein.

Share

mafiöses Christentum?

Am Sonntag habe ich mich mit der Geschichte Jesu über die Winzer-Mafia beschäftigt. Die sizilianische Mafia ist ein brutales System von Ausbeutung und Schattenwirtschaft, ein von Seilschaften beherrschter Staat im Staate, der nicht vom Volk, sondern vom autoritären Paten kontrolliert wird, die ihre eigenen Gesetze machen. Und in Markus 12 steht der Missbrauch von Vertrauen und Privilegien in Zentrum. Die Jerusalemer Priester- und Schriftgelehrtenmafia reagiert auf die Kampfansage sofort und mit drastischen Mitteln.

Natürlich ist der Bezug in Jesu unmittelbare Situation vorherrschend. Und doch geht es um mehr als um einen historischen Rückblick. Paulus schreibt ja in 1.Korinther 10 davon, dass Israels Irrwege uns als Beispiel dienen sollten, aus dem wir lernen. Vielleicht kann man es daher so sagen: Mafiöses “Christentum”…
„mafiöses Christentum?“ weiterlesen

Share

Anfragen an Alan Hirsch: Institution und Amt

Ich denke immer noch über Alans spannende Impulse nach. Hier sind noch ein paar Fragen:

Anti-institutionelle Thesen, wie sie ab und zu in der Debatte um überschaubare, einfache oder “organische” Gemeindestrukturen vorkommen, hier in der Kritik zum Stichwort “Christendom”, also dem Zeitalter institutionellen (Staats-)Kirchentums seit Konstantin, passen gar nicht so übel zum Zeitgeist. Und gegen Konstantin zu schießen ist seit Gottfried Arnolds Unparteiischer Kirchen- und Ketzerhistorie (1699) nicht unbedingt originell. Angriffsfläche bietet das Thema Kirche und Staat genug. Aber ab einem bestimmten Punkt, wenn Kirche ein Faktor des öffentlichen Lebens wird, muss man es wohl einfach mal regeln.
„Anfragen an Alan Hirsch: Institution und Amt“ weiterlesen

Share