Erwachsen Beten

Ich arbeite an einer Predigt zum Thema Gebet, die ich gern “erwachsenes Beten” nennen möchte. Wer will, kann hier mit einem Kommentar zu diesem Post also noch das Schlimmste abwenden 😉

Der Grundgedanke ist, dass sich unsere Beziehung zu Gott im Laufe der Zeit verändert, uns manchmal aber nicht klar ist, wie und warum. Und plötzlich “funktionieren” Dinge nicht mehr so wie früher. Die Unmittelbarkeit und Naivität der Anfangszeit wird durch Fragen und Zweifel erschüttert, weil Gott sich scheinbar zurückzieht.

Das Glaubensleben wird auf einmal komplizierter. Die einen verdrängen das und singen noch etwas lauter, beten etwas angestrengter und formulieren ihre brüchigen Parolen etwas dogmatischer und trotziger, andere resignieren still und hören auf oder halten treu, aber ohne große Erwartung an einer guten Gewohnheit fest.

And I can’t quite remember how to pray anymore
I can’t quite remember what to say anymore
If it turns out that I can’t have my way anymore
How will I know which way to turn, when I walk out the door?
There’s a molecule of faith in this room
What they used to call the mustard seed
There’s a molecule of faith in this room
And a book that says that’s all I’ll ever need
I don’t know where it is, but I hope I find it soon
Cause nothing else will ever set me free
There’s a molecule of faith in this room
And even though it’s much too small to see,
If I have the courage to believe
I’ll find the one who left it here for me

Stubborn (Psalm 151) by Lee Ann Womack


In 1. Johannes 2 deuten sich verschiedenen Wachstumsphasen an: Kind – Heranwachsender – Vater/Mutter bzw. reifer Mensch. Beim Kind dominiert die Unmittelbarkeit, das Beschenktsein. Gott kennt und erfüllt meine Wünsche – unglaublich! Dann folgt das Entdecken der eigenen Möglichkeiten und Stärken, es geht um “Erfolg”. Beides sind gute und Notwendige Phasen.

Schließlich geht es um die Tiefe der Begegnung und die eigene Veränderung: Für den reifen Menschen wird Gott nicht Partner (oder Helfer) für den eigenen Erfolg oder großen Traum und nicht der Vater (oder mehr noch die Mutter), der uns unablässig umsorgt und zum Mittelpunkt seiner Welt macht, sondern Gott dreht die Sache um: Er ist der Mittelpunkt und es geht um seine Pläne und Träume. Dafür lässt er allerdings einige unserer Träume platzen.

Ich glaube, dass Jesus diese Art zu beten vorgemacht hat. Je mehr wir aus dem erfolgs- und bedürfnisorientierten Beten herausfinden – und nicht von ungefähr entdecken viele die eher kontemplativen Zugänge zu Gott neu – desto größer meine Hoffnung, das solches Beten noch ganz andere Kräfte und “größeren” Glauben freisetzt, als wir bisher gesehen haben.

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2 Antworten auf „Erwachsen Beten“

  1. …doch nicht die ganzen beiträge, nur größere ausschnitte.
    ›das schlimmste abwenden‹? eher bestätigen, würde ich sagen.

  2. Für mich gehört zum Erwachsen-Werden im Beten momentan gerade dazu, zu entdecken, dass ich nicht immer kreative, neue Worte und Formulierungen im freien Beten finden muss, sondern mich angenehm zurücknehmen kann, indem ich in die bedeutenden Gebete der Kirchengeschichte einstimme und damit in die „große Wolke der Zeugen“ eintrete. Damit bin ich auch nicht mehr allein mit meinem Gott, sondern Teil der lebenden und toten Heiligen. Ich bin nicht nur entlastet, keine besonderen Worte mehr finden zu müssen, sondern ich habe gar nicht mehr die Möglichkeit, mit diesen Eindruck bei Gott schinden zu können. Ich nehme mich als Einzelnen damit nicht mehr so wichtig, was gut tut. Aus dieser Geborgenheit heraus fällt es mir dann viel leichter auch darüber hinaus noch meine eigenen Worte zu finden.
    Vielleicht hat diese meine Erfahrung ein wenig damit zu tun, dass der Angebetete zum Mittelpunkt des Gebet wird anstelle des Beters?

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