Barth Missional (12): „Heiliger Egoismus“

Barth bescheinigt der klassisch-reformatorischen Lehre von der Kirche ein gravierendes Versäumnis. Bei allen richtigen Reflexionen über das Wesen der Kirche gerät die Frage „Wozu das alles?“ nie richtig in den Blick. Die Folgen liegen auf der Hand:

Die klassische Lehre von der Kirche leidet unter demselben «heiligen Egoismus», den wir schon in unserer Auseinandersetzung mit der klassischen Lehre von des Menschen Berufung zu beklagen fanden. Daß die Kirche nicht um ihrer selbst willen, sondern für die Welt da ist, wird in ihr überhaupt nicht sichtbar, geschweige denn, daß sie von Grund und Haus aus, wesenhaft eben für die Welt da ist. Kam es daher, daß das protestantische 16. und 17. Jahrhundert durch jene ausgesprochene Unfreudigkeit, ja Unwilligkeit zur Mission ausgezeichnet war, auf die hier am Anfang dieses dritten Teils der Versöhnungslehre hingewiesen wurde? Oder war umgekehrt diese Unfreudigkeit und Unwilligkeit der Grund des auffallenden Versagens des Selbstverständnisses der Kirche jener Zeit? (S. 878)

Auf den ersten Blick scheint es, als hätte die katholische Kirche das besser gelöst. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich aber eine ähniche Tendenz, nämlich der Parole „die Welt für die Kirche“ zu folgen statt umgekehrt zu sagen: „Die Kirche für die Welt“.

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