Glaube und Magie

Es ist eine weit verbreitete Anschauung, dass sich Religion aus magischem Denken heraus entwickelt haben soll. Ich persönlich fand da Peter L. Bergers Begriff der „mythischen Matrix“ besser. Gregory Bateson argumentiert in Wo Engel zögern genau umgekehrt: Magie ist degenerierter Glaube, weil sie aufhört, Einheit und Verbundenheit (ob nun zwischen Gott und Mensch, Mensch und Mensch, oder Mensch und Natur) rituell zu bekunden und Wege sucht, das Selbst zu ändern. Bateson schreibt:

Das Kriterium, das Magie und Religion unterscheidet,, ist in der Tat der Zweck, und ganz besonders irgendein extravertierter Zweck […] Die Magie gilt als primitiver und die Religion als ihr Aufblühen. Im Gegensatz dazu halte ich die Magie etwa in Form des Sympathie- oder Analogiezaubers für ein Produkt der Dekadenz der Religion; ich halte die Religion in Große und Ganzen für den früheren Zustand. Ich kann für einen derartige Dekadenz weder im Gemeinschaftsleben noch in der Kindererziehung irgendeine Sympathie aufbringen.

Wenn also die Verzweckung von Religion (und „Spiritualität“) sie in Magie verwandelt, indem sie zum Instrument von Manipulation und Machtgewinn wird, zum Mittel der Selbststeigerung ohne die Mühe der Veränderung des Selbst, dann treffen wir diese fatale Neigung zur „Dekadenz“ nicht nur in der Esoterik an, die alte Rituale (je „archaischer“, desto attraktiver) als hippe Wellnessartikel kommerzialisiert und durch diese Kontextverschiebung entleert und zerstört. Bestimmte Verbindungen von Glaube und Wohlstand und Erfolg fallen dann in dieselbe Kategorie von „Zauberei“.

Oder anders gesagt: Liebe ist immer „zweckfrei“. Da, wo sie Mittel zum Zweck wird, ist sie keine Liebe mehr. Vielleicht grenzt Jesus sich deshalb so scharf von Menschen ab, die zwar ständig „Herr, Herr“ sagen, aber von dem selbstlosen Gott nichts begriffen haben, den sie vor ihren Karren spannen wollen?

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