Bessere dich!

Die neoliberale Ideologie der Selbstoptimierung entwickelt religiöse, ja fanatische Züge. Sie stellt eine neue Form der Subjektivierung dar. Die endlose Arbeit am Ich ähnelt der protestantischen Selbstbeobachtung und Selbstprüfung, die ihrerseits eine Subjektivierungs- und Herrschaftstechnik darstellt. Statt nach Sünden wird nun nach negativen Gedanken gefahndet. Das Ich ringt erneut mit sich selbst als einem Feind. Die evangelikalen Prediger agieren heute wie Manager und Motivationstrainer und predigen das neue Evangelium der grenzenlosen Leistung und Optimierung.

gefunden in: Byung-Chul Han, Psychopolitik

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Eine Antwort auf „Bessere dich!“

  1. Das ist sehr, sehr wahr!
    Dürfte ich das Zitat in meinen Blogg übernehmen?

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    Die neoliberale Ideologie der Selbstoptimierung entwickelt religiöse, ja fanatische Züge. Sie stellt eine neue Form der Subjektivierung dar. Die endlose Arbeit am Ich ähnelt der protestantischen Selbstbeobachtung und Selbstprüfung, die ihrerseits eine Subjektivierungs- und Herrschaftstechnik darstellt. Statt nach Sünden wird nun nach negativen Gedanken gefahndet. Das Ich ringt erneut mit sich selbst als einem Feind. Die evangelikalen Prediger agieren heute wie Manager und Motivationstrainer und predigen das neue Evangelium der grenzenlosen Leistung und Optimierung.

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    Aufgefallen ist mir das besonders im christlichen Umfeld und an christlichen, teologischen Ausbildungsstätten. Die Suche nach nachteiligen Gedanken, Verhaltensweisen, Prägungen geht dort teilweise bis zur völligen Zerlegung der eigenen Person.
    Selbstkasteiung – auf teologisch-fromm-modern. Ich glaub, von der Zeit Luthers sind wir gare nicht so weit weg. Wir – auch wir Teologen, Prediger, Haupt- oder ehrenamtliche, Christen, auch Pietisten oder Efangelikale … wir fühlen uns verpflichtet (oder werden dazu gedrungen) uns teologisch-psüchollogisch korreckt selbst zu kasteien. Verzeihung, zu analüsieren und auseinanderzunehmen, meine ich.

    Es ist ja nicht verkehrt, Fähigkeiten und Fertigkeiten zu fördern, und auch an der eigenen Persönlichkeit und die eigenen Schwächen zu arbeiten.
    Die Arbeit an der eigenen Persönlichkeit und die Ausrottung aller eingenen Schwächen und Fehler ist aber kein Selbstzweck.

    Mehr noch: Ich behaupte, dass man die eigene Persönlichkeit niemals für alle zufriedenstellen „korrigieren“ und alle Fehler „beheben“ kann. Wie gesagt: Dazulernen, sich verbessern, umdenken, sich korrigieren lassen – das alles ist nicht verkehrt – und in der Bibel wird sogar dazu aufgefordert.

    In manchen teologischen, pietistischen Ausbildungswegen hängen wir die „Persönlichkeitsentwicklung“ aber dermaßen hoch, dass mancher an das hehre Ziel schon gar nicht mehr rankommt. Da heißt es dann immer nur: Du musst, du musst, du musst. Verbessere deine Persönlichkeit, verbessere deine Persönlichkeit, verbessere deine Persönlichkeit. Du musst karaktermäßig und sonstwie besser werden.

    Das ist das Gleiche, wie zur Zeit Luthers, nur in grün.

    Auf Althochdeutsch: Wir können uns nicht sündlos machen. Nicht mit Selbstkasteiung. Nicht dadurch, dass wir uns wie auf den Filippinien an Bretter nageln lassen. Und auch nicht durch psüchologisch-pädagogisch-teologisch korreckte Persönlichkeitsentwicklung!

    Nie und nimmer!

    Das ist das Gesetz – das nur fordert und fordert! Das ist die (anderes Wort für Sch…?), mit der Luther zu kämpfen hatte: Wie bekomme ich einen gnädigen Gott? Heute spielt Gott – auch bei uns Pietisten (oder Evangelikalen) stellenweise kaum noch eine Rolle: Wir müssen uns von der Sünde selber erlösen. Die Fragen ist nicht mehr: Wie bekomme ich einen gnädigen Gott – sondern die Frage lautet heute teologisch korrekt: Wie bekomme ich einen gnädigen Psüchologen oder einen gnädigen Mentor?

    Von der Gnade und dem Erbarmen und der Barmherzigkeit Gottes – der die Sünder (Versager) annimmt, der ihnen vergibt und DER (Gott) sie um seines Sohnes willen gerecht macht – davon ist in der fromm-teologisch-korreckten Persönlichkeitsbildung – auch an christlichen Ausbildungsstätten – heute stellenweise fast so wenig zu hören wie in der katholischen Lehere zu Luthers Zeiten.

    Dabei wird durchaus noch GEPREDIGT, dass Gott ausgerechnet die ganzen Versager und Unbrauchbaren einstellte – Mose war ein Mörder, Abraham ein Lügner und Feigling, David ein Ehebrecher, Petrus hatte eine laute Klappe und nix dahinter, … Predigen tun wir das noch.

    Aber die Selbstprüfung, Selbstoptimierung, Persönlichkeitsbildung im christlich-teologischen Bereich (zumindest in Teilen des Pietismus) hat inzwischen Züge angenommen wie zu Luthers Zeiten.

    WIR müssen unsere Veränderung und religiös-karaktermäßige Selbstoptimierung bis zur Selbstzerfleischung leisten. Von Gottes Begnadigung ist da selbst von evangelisch-pietistischen Verantwortlichen wenig zu hören.

    Es ist Zeit für eine neue Reformation.

    Wir brauchen kein Jubiläum. Wir können gerne feiern. Aber nicht nur. Wir brauchen eine Neuorientieung:

    Zürück zu Gott!
    Zürück zu Jesus, seinem Sohn!
    Zürück zur Bibel, Gottes Buch, als Grundlage des Glaubens!
    Zürück zu Gottes Gande und Barmherzigkeit, die er durch Jesus Christus anbietet!

    Und ich glaube, dass gilt zuallererst für uns Frommen. Für uns, die wir uns sehr nahe bei Gott wähnen, die wir uns für frömmer oder richtigstehender als andere halten. Auch für alle teologischen Ausbilder, die angefangen haben, Gottes Gnade und freie Erwählung durch Wie-fühlst-du-dich mit anschließender christlich angestrichener teologisch-psüchologischer Selbstkasteiung (Persönlichkeitsoptimierung) zu ersetzen.

    Bitte verzeiht, wenn ich schon wieder so uneinfühlsam schreibe.
    Ich weiß nicht, wie ich es anders formulieren könnte.

    An dieser Stelle sehe ich in unseren teologischen Ausbildungsstätten und Verbänden (ich verallgemeinere mal) an einigen Stellen wirklich Änderungsbedarf.

    Wir können uns nicht selber erlösen – auch nicht auf psüchologisch.

    Zürück zu Gottes Wort, zu Jesus, zu seinem Buch und zu seiner Begandigung!

    Amen!

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