Torn (3): Warum sind manche Menschen homosexuell?

Für Justin Lee ist das aufgrund seiner Lebensgeschichte eine Frage geworden. Der eigene Wunsch nach Veränderung und die Forderungen aus seinem konservativ-evangelikalen Umfeld haben immer auch mit bestimmten Erklärungen des Phänomens Homosexualität zu tun. Zugleich war für Lee klar, dass seine persönliche Erfahrung bestimmte Theorien nicht bestätigt. Dazu zählen die folgenden drei Behauptungen, die er im fünften Kapitel von Torn. Rescuing the Gospel from the Gays-vs.-Christians Debate referiert (ich gebe das hier sehr gerafft und damit potenziell verkürzt wieder, bevor sich also jemand empört, bitte erst im Original nachlesen!):

1. Menschen sind homosexuell, weil sie sich dazu entschlossen haben. Nichts hätte ihm aufgrund seiner Herkunft ferner gelegen als das, schreibt Justin Lee dazu.

2. Menschen werden zu Homosexualität verführt: Auch das trifft in seinem Fall nicht zu, und so ist es wohl auch in den meisten anderen Fällen nicht.

3. Es liegt am Verhältnis zu den Eltern: Diese These stellte der Psychoanalytiker Irving Bieber in den sechziger Jahren auf, später wurde sie von der Theologin und Psychologin Elizabeth Moberly, später dann von Joseph Nicolosi vertreten: Ein schwieriges Verhältnis zu einem distanzierten Vater (und eine „gluckende“ Mutter) verursachen bei Heranwachsendes ein inneres Defizit, das dann durch homosexuelles Begehren kompensiert wird. Nun ist das ja keine ganz seltene Konstellation, die auch keineswegs in der Mehrheit der Fälle die beschriebene Wirkung entfaltet, und Justin Lee ist der lebende Gegenbeweis. Dabei hätte er diese Thesen gerne geglaubt, weil sie die theoretische Grundlage für viele Therapiebemühungen bilden. Bei seinen Nachforschungen fand Justin Lee aber keine glaubwürdigen Belege für die Stichhaltigkeit dieses Ansatzes.

Zuletzt wendet sich Lee von der Psychologie zur Biologie. Mehrere Studien kamen zu dem Ergebnis, dass bei Homosexuellen bestimmte Strukturen im Gehirn eher dem ähneln, was in der Regel beim jeweils anderen Geschlecht als typisch gilt. Des bedeutet nun nicht, dass schwule Männer ein Frauengehirn hätten und lesbische Frauen ein Männergehirn, aber es gibt eben charakteristische Ähnlichkeiten. Sie könnten vom Hormonspiegel während der Schwangerschaft beeinflusst worden sein. Es ist anscheinend nicht ganz sicher, was nun Ursache ist und was Wirkung, die meisten Forscher gehen aber eher davon aus, dass die Unterschiede in der Gehirnstruktur schon von Geburt an da waren. Sie wirken sich auf Sprachvermögen und räumliche Vorstellung aus – an diesen Punkten unterscheiden sich heterosexuelle Frauen und Männer ja bekanntermaßen. Kleinere Unterschiede am Körper wie Länge der Finger, die Reaktionszeit beim Blinzeln oder die Häufigkeit von Linkshändigkeit wurden auch festgestellt.

Dazu kommt der „Ältere-Bruder-Effekt“: Statistisch gesehen ist Homosexualität häufiger bei Männern anzutreffen die mindestens einen älteren Bruder von der gleichen Mutter haben. Er ist auch dann nachweisbar, wenn der ältere Bruder nie im gleichen Haus lebte. Zu bestimmten Zeiten der vorgeburtlichen Entwicklung könnte das den Hormonhaushalt der Mütter beeinflusst haben und damit die Gehirnstruktur des werdenden Kindes. Diese These vertritt zum Beispiel Simon LeVay.

Lee hält den biologischen Ansatz für plausibler, derzeit aber ist noch nichts zweifelsfrei erwiesen. Soviel sollten sich alle Beteiligten eingestehen. Nun besteht die große Versuchung, dass jeder sich die Studie herauspickt, die den eigenen Standpunkt bestätigt und den gegnerischen „widerlegt“. Nur sind diese Überzeugungen oft genug theologische Urteile, die auf einer ganz anderen Ebene liegen als empirische Studien (zur Diskussion im deutschsprachigen Raum vgl. diese Übersicht). Welche Blüten das treiben kann, das zeigen Justin Lees Erfahrungen mit der „Ex-Gay-Bewegung“, die er im folgenden Kapitel ganz ausführlich schildert.

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Torn (2) – Der lange Weg zum offenen Wort

Justin Lee erzählt in Torn. Rescuing the Gospel from the Gays-vs.-Christians Debate seine Lebensgeschichte: Er wächst in einem liebevollen Elternhaus und in einer lebendigen, konservativen Gemeinde auf. Er hat Erfolg in der Schule und ist überall beliebt. Sein Lebenstraum ist es unter anderem auch, einmal zu heiraten und seinerseits eine Familie zu gründen. Doch dann stellt er fest, dass er homosexuell ist.

Lange kann er sich gar nicht eingestehen, wie er tatsächlich empfindet. Er freundet sich mit einem Mädchen an und die beiden gehen miteinander aus. Als ihm ein Freund offenbart, er sei bisexuell, versucht er es eine Weile mit dieser Selbstbeschreibung; aber je länger, desto deutlicher wird ihm klar, dass er sich definitiv nicht zu Frauen hingezogen fühlt. Er spricht mit der Freundin darüber, irgendwann nach langem Zögern auch mit seinen Eltern.

Die nächsten Jahre sind geprägt von der Hoffnung, dass sich alles noch ändert, und der Suche nach Mitteln und Wegen dazu. Er berichtet von Seelsorgegesprächen, Selbsthilfegruppen und allen möglichen Büchern. Seine Eltern stehen zu ihm, teilen und unterstützen den Wunsch nach Veränderung und haben die Sorge, dass ihr Sohn massiv abgelehnt werden könnte, ganz besonders im Umfeld der Gemeinde.

Am Ende des vierten Kapitels zählt Lee unterschiedliche Aussagen auf, mit denen Eltern besser nicht auf die Offenbarung reagieren sollten, dass ihr Kind homosexuell ist:

  • „Sag das bloß niemand“ wäre ein Satz, der Mensch in Angst und Isolation treibt und verhindert, dass sie lernen, offen über sich zu reden.
  • „Du bist nicht so wie diese Leute“ bezieht sich oft auf negative Klischees, die Eltern mit dem Begriff „homosexuell“ assoziieren, oft kann das bei dem Betroffenen die Sorge auslösen, dass es all die negativen Urteile auch zu erwarten hat, falls es seine Orientierung nicht unterdrückt oder verleugnet.
  • „Wie kannst du uns so etwas antun?“ ist ein Satz, mit dem die Familie dem Kind den schwarzen Peter zuschiebt und sich selbst als Opfer betrachtet, statt die in einem solchen Moment nötige Hilfe und Unterstützung zu bieten. Eltern machen statt ihres Kindes sich selbst zum Mittelpunkt.
  • „Was haben wir nur falsch gemacht?“ tappt auch in die Schuld-Falle, nur umgekehrt. Und wieder schwächt es die Beziehung zum eigenen Kind, die in diesem kritischen Moment doch gestärkt werden müsste.

Die letzte Reaktion hat mit der Frage nach den Ursachen von Homosexualität zu tun. Diesem Thema widmet sich Lee im nächsten Kapitel.

 

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Entkernter Glaube

Die Zeit berichtet von Alain de Botton, der als Atheist groß geworden ist und irgendwann begann, die spirituelle und zwischenmenschliche Verarmung seines (Un?)Glaubens durch religiöse Riten aufzubessern. Denn inzwischen hat auch die Forschung entdeckt, dass Glaube gesundheitsfördernd ist. Das Spannende an de Bottons „Religion für Atheisten“ ist nun seine Annahme, man könne sich aus diesem Baukasten gewinnbringend bedienen, ohne dabei das, was religiöse Menschen selbst für die Hauptsache halten, zu übernehmen. Nun haben sich mit Zen und Yoga schon etliche ursprünglich religiöse Übungen aus ihrem Zusammenhang lösen lassen. Dennoch wirkt das Ganze recht künstlich auf mich.

Das Verbindende am christlichen Glauben (analog dürfte das für die meisten anderen Religionen auch gelten) ist ja die Erfahrung, dass man eine Art Schicksalsgemeinschaft bildet, die man sich nicht ausgesucht hat; sondern man wird unversehens von einem Gott, der „das Verlorene“ sucht, gefunden und adoptiert und findet sich als Teil einer unmöglichen Familie wieder, die zudem seit Abrahams Zeiten auf einem gemeinsamen Weg ist auf ein nach menschlichem Ermessen unerreichbares Ziel hin.

Der ganze Artikel betrachtet, wie de Botton ja auch, jede Form von Glauben ausschließlich unter dem Gesichtspunkt der Nützlichkeit. Das ist eine sehr eingeschränkte Perspektive, so etwas wie Selbsttranszendenz kommt dabei gar nicht richtig in den Blick. Sie ist immerhin ein Fortschritt gegenüber anderen Formen des Atheismus, die Religionen als den Hort aller Bosheit und Dummheit im Verdacht haben und ganz einseitig die negativen Folgen und pathologischen Formen von Religiosität herausstellen.

Aber reicht das aus, um Menschen dazu zu bringen, sich auf eine bestimmte Praxis dauerhaft einzulassen, wenn man ihnen erklärt, dass es ihrer Gesundheit und Zufriedenheit dient? Solche Programme gibt es viele und sie alle stiften nur einen ganz begrenzten Zusammenhalt unter Menschen. Im Prinzip müsste schon die Beobachtung nachdenklich machen, dass ausgerechnet jene Formen des Christentums rapide an Zusammenhalt einbüßten, die den Gedanken einer aktiven Einwirkung Gottes auf Welt und Menschen als Zumutung an den modernen Menschen empfanden und daher deistisch oder existenzialistisch auflösten.

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Weisheit der Woche: Echte Freude

Ich habe neulich ein zweifelhaftes Zitat von Ralph Waldo Emerson hier gepostet, hier folgt ein unzweifelhaftes Zitat von George Bernard Shaw aus dem Vorwort zu Man und Superman:

Die echte Freude im Leben ist es, wenn man für eine mächtige Sache gebraucht wird; dass man gründlich strapaziert wird, bevor man auf den Kompost wandert; eine Naturgewalt zu sein und kein fiebriger, selbstsüchtiger kleiner Trauerkloß mit seinen Wehwehchen, der darüber jammert, dass die Welt sich nicht darum dreht, dich glücklich zu machen. Und auch die einzige echte Tragödie im Leben ist die, wenn man von Menschen, die auf sich selbst bedacht sind, für niedere Zwecke benutzt wird. Alles andere ist schlimmstenfalls Missgeschick oder Sterblichkeit.

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Pogrom und Provokation

Eigentlich hat Erzbischof Gerhard Ludwig Müller gar nichts Neues gesagt im Gespräch mit der Welt. Ich fand es dennoch interessant, weil es Parallelen aufweist zu der innerevangelikalen Diskussion um die Position, die man im Blick auf eine pluralistische Gesellschaft einnimmt oder einnehmen sollte.

Müller als Wortführer des konservativen Establishments schlägt da alarmistische Töne an und zieht einen Vergleich zur Zeit des Nationalsozialismus und Kommunismus. Damals wurde die Kirche von der gleichgeschalteten Presse gezielt ins denkbar schlechteste Licht gerückt (wie andere Staatsfeinde auch…), um den Weg für Repressalien zu ebnen. Müller nennt das eine künstlich erzeugte Wut und spricht von einer drohenden „Pogromstimmung“. Diese äußerst provozierende Formulierung hat ihm verständlicherweise viel Kritik eingebracht.

Die Ursache für die beklagten Feindseligkeiten liegen für ihn offenbar nicht so sehr in den Fehlern seiner Kirche, sondern in dem, was sie richtig macht. Daher kritisiert er als nächstes jene innerkirchlichen Forderungen nach Reform, die für ihn am „Wesentlichen“ vorbeigehen. Da schließt er eine Veränderung an drei Stellen kategorisch aus und erklärt damit auch jeden Dialog zu diesen Themen von vornherein für überflüssig: Die Ordination von Frauen, den Pflichtzölibat für Priester und die Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften. Und immer verweist er dabei auf die Bibel und die katholische Auslegungstradition. Dass diese Dinge und mit ihnen der abgrundtiefe Frust vieler Katholiken das „Wesentliche“ – nämlich die Weitergabe des Glaubens durch Katechese und Sakrament – gravierend erschweren oder verhindern können, darauf nimmt Müller keinen Bezug. Der Ruf nach den oben genannten Reformen und die damit einhergehende Uneinigkeit lenkt aus seiner Sicht anscheinend nur von den eigentlichen Aufgaben ab.

Nun lässt sich nicht leugnen, dass Christen und Kirchen in der Öffentlichkeit hier und da angefeindet werden. Das ist die neue Normalität eines nachchristlichen Pluralismus, dass man nicht mit Samthandschuhen angefasst wird. Die spannende Frage ist ja: Wie reagieren die Kirchen? Schon der Versuch, die Vielstimmigkeit nun zu Totalitarismus umzudeuten und die Kritiker – und sei es so verklausuliert wie hier – in die Nähe von Rassisten und Nazis zu rücken, erinnert trotz aller Unterschiede im Ton an die frustrierten weißen Konservativen in den USA, die freilich in ihren haarsträubenden Gleichsetzungen von Obama und Hitler alle Hemmungen fallen gelassen haben. Ist das nicht ein weiterer Schritt zu einem Schwarz- (oder Braun?)/Weiß-Kontrast und einer unterschwelligen Dämonisierung, die man doch eigentlich – wenigstens da, wo sie einen selbst betrifft – verhindern will?

Mit dieser Wagenburgmentalität (hier drinnen die aufrechten Verteidiger des wahren Glaubens, draußen die Feinde Gottes) kann man nun nach innen auf Einheit und Geschlossenheit drängen. Im Kulturkampf des 19. Jahrhunderts hat das funktioniert: Bismarcks Angriff auf die katholische Kirche hat den Modernismusstreit (dessen Neuauflage wir gerade erleben) in Deutschland entschieden und die Katholiken hinter dem Papst versammelt. Ich glaube dennoch nicht, dass die Rechnung ein zweites Mal aufgeht. Aber wer weiß, vielleicht kommt ja irgendwann eine Art Syllabus Errorum 2.0?

Die gleiche Dynamik ist punktuell (auch Müller spricht ja nicht für die Gesamtheit der Katholiken oder auch nur der Bischöfe!) im evangelikalen Spektrum anzutreffen: Kritik und Widerstand reflexartig in Christenverfolgung umzudeuten und Abweichler in den eigenen Reihen – mal subtil, mal drastisch in der Wortwahl – als Komplizen und Kollaborateure der Verfolger erscheinen zu lassen. Vielleicht hilft ja der distanzierte Blick auf die katholischen Mitchristen beim Nachdenken darüber, wie sinnvoll so ein Kurs tatsächlich ist.

Eines jedenfalls fällt auf: Über einen oder sogar zwei der drei Punkte, bei denen Erzbischof Müller absolut keinen Interpretationsspielraum sieht, sind viele ja schon weg…

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Hin- und hergerissen

Rowan Williams hat es empfohlen, Brian McLaren fand es stark, und Tony Campolo hat es zur Pflichtlektüre erklärt: Torn. Rescuing the Gospel from the Gays-vs.-Christians Debate von Justin Lee. Ich werde in den nächsten Wochen den einen oder anderen Erkenntnisgewinn aus der Lektüre hier posten.

Bisher war es ein großer Gewinn. Lee schreibt sehr persönlich, wie er in einem sehr liebevollen christlichen Elternhaus groß wurde und als Jugendlicher entdeckte, dass er homosexuell ist. Damit begann die Suche nach Erklärungen, nach Verständigung, nach einer überzeugenden Perspektive für sein Leben als bewusster Christ. Der Mann ist hochintelligent und hat eine gute Art zu schreiben. Nicht die schlechteste Ausgangslage!

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Den Apfel madig machen: Lektionen in Unzufriedenheit

Was ist nicht wieder alles geschrieben worden über Apple in den letzten Tagen. Der Börsenkurs bricht ein, die Innovationskraft sei erlahmt, ja ganz Amerika drohe womöglich nun der technologische Abstieg. Jeder schien plötzlich seinen Senf dazugeben zu müssen, dass wir nicht wie inzwischen scheinbar gewohnt schon „the next big thing“ geliefert bekommen haben.

Ein Artikel jedoch schien gegen den Strom geschrieben: Schneller, flacher, Stopp vom Sophie Crocoll in der SZ. Sie erinnert daran, dass vor der Veröffentlichung des iPhone sage und schreibe fünf Jahre lang das Motorola Razr stilprägend war. Heute liegen die Produktzyklen bei sechs bis neun Monaten, nur Apple kann sich längere Pausen leisten als die Konkurrenz aus Korea und Taiwan.

Oder sollte ich sagen: konnte?

Immherin haben sie unter Steve Jobs gleich mehrmals das Rad mit Erfolg neu erfunden. Aber das geht eben nicht unbegrenzt oder auf Knopfdruck. Neulich postete ein Fanboy auf Facebook, Apple habe seine Zuneigung bald verspielt, wenn nicht der nächste große Wurf käme. Nur: Wie sollte der aussehen? Crocoll stellt nüchtern fest:

Aus der Revolution ist aber eine Evolution geworden. Und selbst die ist oft kaum zu erkennen. … Den Wettbewerb um die Kunden gewinnt, wer die beste Marketingmaschine bewegt. Längst zelebriert nicht mehr nur Apple seine Produktvorstellungen als Event. Bei jedem Branchentreffen präsentieren die Hersteller das flachste, das schnellste Handy der Welt – bis auch das, oft nur wenige Wochen später, seinen Status wieder verliert.

Bei William Cavanaugh bin ich auf den Begriff der „fabrizierten Unzufriedenheit“ (manufactured dissatisfation) gestoßen. Sie ist ein Schlüsselfaktor der Konsumgesellschaft: Kaum hat man ein Produkt erworben, kommt eine noch attraktivere und leistungsfähigere Version auf den Markt, die Begehrlichkeit weckt. Ebay lebt zum großen Teil davon, dass man die alten Geräte dort vertickt, weil man sich gerade wieder das Neueste geleistet hat. Crocoll dazu:

Früher haben die meisten Menschen ein neues Handy gekauft, wenn das alte kaputt ging. Nun wechseln sie das Gerät spätestens, wenn nach zwei Jahren der Vertrag mit dem Mobilfunkanbieter ausläuft. … Die Kunden sind auf das Karussell aufgestiegen und sie treiben es an: Wer stets das neueste Smartphone kauft, so scheint es vielen, bleibt selbst modern. Auch, wenn er den zusätzlichen Speicherplatz oder das bessere Mikrofon weder braucht noch nutzt.

Erfinder dieses Prinzips der „fabrizierten Unzufriedenheit“ war Charles Kettering von General Motors. Im Jahr 1929 (!) schrieb er einen Artikel mit der Überschrift: Keep the consumer dissatisfied. Aber die ganze Entwicklung führt in die Sackgasse: Finanziell, ökologisch, sozial und psychisch – wer sich ständig die Karotte vor die Nase hängen lässt, zieht den Karren der Konzerne bis zur völligen Erschöpfung. Wer sich einmal hat vorgaukeln lassen, dass sein Lebensglück an einem Gerät aus der Massenproduktion hängt, der liefert brav sein Geld ab, wenn das nächste überflüssige Detail verbessert wurde. Vielleicht sieht man das heute, über 80 Jahre nach Kettering und vier Jahre nach der „Abwrackprämie“, besser denn je. Wir hängen nicht mehr an unseren Sachen, schreibt Cavanaugh. Kaum haben wir sie, wollen wir sie schon wieder loswerden.

Falls irgendwer mal wieder einen echten Quantensprung hinlegt, sagt mir Bescheid. Es muss nicht Apple sein, vielleicht wird ja was aus dem fair produzierten Smartphone. Ich habe zum Glück keine Aktien aus Cupertino und die Computer habe ich gekauft, weil man nicht so oft einen neuen brauchte wie bei der Konkurrenz. Denn das ist der Punkt: Wenn Kunden und Konzerne nicht auf die Bremse treten (und sich Zeit nehmen zum Nachdenken, was sinnvoll wäre), dann gibt es keine richtigen Neuentwicklungen mehr, schreibt Crocoll.

Könnte jemand vielleicht die Werbung und das Konsumverhalten neu erfinden? Oder, besser noch, die Zufriedenheit?

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Weisheit der Woche: Erfolg haben

Oft und viel zu lachen; sich die Achtung intelligenter Menschen und die Zuneigung von Kindern zu verdienen; von ehrlichen Kritikern geschätzt zu werden und den Verrat falscher Freunde auszuhalten; Schönheit zu schätzen zu wissen; das Beste in anderen zu entdecken; die Welt ein bisschen besser zurückzulassen, sei es durch ein gesundes Kind, ein Stück Garten, ein gelöstes soziales Problem; zu wissen, ein Mensch atmete auf, weil man gelebt hat. Das bedeutet es, erfolgreich zu sein.

Ralph Waldo Emerson via minemergent

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