Vergebung, Erlösung und viele Fragen

Bestimmte Varianten christlicher Versöhnungstheorien wirken bisweilen so, als beherzige Gott selbst die Aufforderung aus der Bergpredigt, die Rechte dürfe nicht wissen, was die Linke tut. Etwa in der Art, wie die Begriffe „Vergebung“ und „Erlösung“ aufeinander bezogen werden.

Vergebung bedeutet, jemand bekommt seine Schuld(en) erlassen: Ein Gläubiger verzichtet auf seine Forderungen, ein Geschädigter auf Genugtuung oder Vergeltung. Es handelt sich um eine juristische Metapher.

Erlösung bedeutet, dass eine Transaktion stattfindet, durch die jemand aus einer Zwangslage freikommt: Ein Gefangenenaustausch etwa oder ein Lösegeld. Hier haben wir es mit einem Bild aus der Ökonomie, wenngleich der zweifelhaften Sorte, zu tun.

Hier und da höre und lese ich, dass Gott erst vergeben konnte, nachdem Jesus sich „geopfert“ hatte – oder so ähnlich. Wenn das so ist, dann ist Vergebung streng genommen keine Vergebung, sondern der Sohn zahlt dem Vater das Lösegeld (und jeder Akt der Vergebung vor dem Kreuzestod Christi wäre eine Art vorlaufender Abbuchung von diesem imaginären „Konto“ gewesen). Damit aber landet der Vater in der Rolle des Sklavenhalters, Gefängnisdirektors oder gar Kidnappers, und das ist im Neuen Testament nun nirgends so dargestellt. Wenn Zwang und Gefangenschaft, dann durch andere Mächte.

Man muss das Verhältnis also anders bestimmen, um nicht bei einem Gott zu landen, der sich mit der einen Hand – bildlich gesprochen – das Geld selbst in die Tasche steckt, das er mit der anderen dem Schuldner schenkt oder – anders gesagt – in einen unerbittlich fordernden und einen großzügig schenkenden Teil zerfällt.

Um dem zu entgehen, kann man nun zwei Dinge tun. Entweder fragt man, worin die Gemeinsamkeit beider Vorstellungen liegt, da wird ja bildlich gesprochen. Oder man sucht ein übergreifendes Bild, in das sich beide irgendwie einfügen lassen. Letztes könnte zum Beispiel die Versöhnung sein: Gott überwindet von sich aus die Feindschaft und Entfremdung der Menschheit. Ebenso kann man sagen, dass die „Schnittmenge“ von Vergebung und Erlösung in einer gewissen Asymmetrie liegt (Gott hat den aktiven Part), dass es um einen Akt großzügiger Hingabe geht (ob er nun auf eine „Nachforderung“ verzichtet oder einen „Freikauf“ tätigt), und damit ein Neubeginn frei von Altlasten möglich wird.

Das Bild von Gott, das dabei entsteht, finde ich stimmiger als die Vorstellung des Nacheinanders von Erlösung/Vergebung (bei dem letztlich der Begriff Vergebung ausgehöhlt wird) oder die problematische Rollenteilung zwischen den trinitarischen Personen. Und man kommt ein Stück weg von Metaphern, die allzu eng an Juristerei und Ökonomie angelehnt sind.

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