Allah (8): Ist mit monotheistischen Religionen ein Staat zu machen?

Toby Faix hat mich jüngst daran erinnert, dass meine Besprechung von Allah. A Christian Response noch der Vollendung harrt. Also, packen wir es an!

Viele religiöse Konflikte sind durch die Globalisierung entstanden oder doch verschärft worden, schreibt Miroslav Volf im Kapitel 12 von Allah. Und er geht der Frage nach, ob Menschen, die exklusiven Religionen angehören (also durchaus konkurrierende Wahrheitsansprüche erheben) friedlich in einem Staat zusammenleben können.

Monotheismus, sagt Volf mit dem Ägyptologen Jan Assmann, ist nicht einfach die Vorstellung eines höchsten Gottes, sondern des einen wahren Gottes, dem gegenüber alle anderen Götter falsche Götter sind, bloße Götzen also und Gegenstand des Aberglaubens sind. Monotheismus war von Anfang an aber auch mit einer politischen Vision verbunden. Das kann eine imperialistische Vision sein (ein Gott- ein Kaiser bzw. ein Papst) und dann stünde sich Christentum und Islam in einem Kampf um die Weltherrschaft gegenüber. Der allerdings wäre auch im religiös pluralistischen Polytheismus keineswegs ausgeschlossen, wie die Geschichte zeigt.

Andererseits gab es im Monotheismus immer auch die gegenläufige Tendenz: Der Glaube an den einen wahren Gott verträgt sich nicht mit der Unterwerfung eines Menschen durch andere. Zudem, so argumentieren die Advokaten des Monotheismus, ist er inklusiv: Der wahre Gott ist der Gott aller Menschen. Freilich, so lässt sich kritisch einwenden, ist diese Inklusivität an Bedingungen geknüpft: Nur wer Gott anerkennt, ist „drin“.

Verträgt sich religiöser Exklusivismus (nicht alle Religionen sind gleich „wahr“) mit politischem Pluralismus? Oder muss (wie nach dem Augsburger Religionsfrieden) der jeweilige Staat/Herrscher dafür sorgen, dass in seinem Machtbereich einheitlich geglaubt wird? Politischer Pluralismus würde beuteten, dass verschiedene Religionen gleichberechtigt koexistieren und sich am politischen Leben konstruktiv beteiligen können.

Neben der Unterscheidung von „wahr“ und „falsch“ hat der Monotheismus auch die Alternative „gerecht“ und „ungerecht“ gesellschaftsfähig gemacht. Er hat daher eine grundlegende ethische Dimension (vgl. Micha 6,8): Die Liebe zum Nächsten. Polytheistische Religionen dagegen sind primär kultisch strukturiert. Zweitens hat der Monotheismus die Religion von Staats- und Stammesangehörigkeit abgekoppelt. Die christliche Kirche bestand von Anfang an aus verschiedenen Nationalitäten und nie war eine einzelne Nation zu hundert Prozent christlich. Es entsteht ein Riss in bis dahin homogenen Gemeinschaften: Volf zitiert Nicholas Woltersdorf, der sagt: „Immer wenn die Kirche in einer Gesellschaft Fuß fasst, zerstört sie jegliche religiös-ethnische Einheit, die dieser Gesellschaft bis dahin zu eigen war. Jetzt gibt es nur noch religiösen Pluralismus.“ Staat und Religion sind ab sofort nicht mehr deckungsgleich.

Glaube aber ist zu allererst eine Angelegenheit des Herzens. Viele Christen und viele Muslime, sagt Volf, würden den folgenden Thesen zustimmen:

  1. Der eine gnädige Gott begegnet allen Menschen zu gleichen Bedingungen.
  2. Die Nächstenliebe erfordert es, anderen die gleichen Freiheiten zuzugestehen, die man sich selbst wünscht
  3. In Glaubensfragen darf es keinen Zwang geben

Bleibt noch das Problem der Apostasie: Etliche heutige islamische Staaten stellen wie das römische Reich nach der Konstantinischen Wende den Abfall vom Glauben unter Strafe, oft wird sogar die Todesstrafe verhängt. Das aber ist eine verfehlte Verknüpfung des Wahrheitsbegriffs mit dem Glauben an den einen Gott, wenn die Religionsfreiheit eingeschränkt wird. So lange sich eine Religion in der Minderheit befand, forderte sie gleiche Rechte ein, so bald sie in der Mehrheit war, baute sie ihre Privilegien aus. Richtig verstandener Monotheismus aber würde dazu führen, allen Religionen gleiche Rechte einzuräumen und allen Menschen das Recht, die Religionszugehörigkeit zu wechseln.

In einer religiöse inhomogenen (aber eben auch auf Dauer in erheblichen Teilen religiösen) Gesellschaft müssen drei Prinzipien gelten:

  1. Keine Identifizierung von Staat und Religion. Staatliche Gesetze sind also nicht unbedingt als Wille Gottes zu verstehen
  2. Keine völlig Trennung zwischen Religion und Staat: Unparteilichkeit bedeutet nicht, Religion an sich (die im Leben vieler Bürger ein wichtige Rolle spielt) und das Ringen verschiedener Religionen um Gerechtigkeit und Wahrheit aus dem öffentlichen Leben zu verbannen.
  3. Ein unparteiischer Staat ermöglicht es Christen wie Muslimen, ihren beiden wichtigsten Grundsätzen treu zu bleiben: Dass Gott der Gott aller Menschen ist und dass er es gebietet, Recht zu üben und allen Menschen in Liebe zu begegnen.

 

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