Ich sitze im Flieger nach Johannesburg und komme noch einmal zurück auf das Verhältnis von Afrikanern und Europäern. Nach allem, was der Kongress in Kapstadt zur Lage in Europa gebracht hat, wurden manche Europäer von den andern Delegierten schon bedauert und (das war die größere Anfechtung) als Auslaufmodelle abgeschrieben. Ein Grund waren die einseitigen Plenumsbeiträge, etwa wenn Os Guinness etwas pauschal vom „traurigen Schicksal der liberalen Theologie in Deutschland“ sprach – als würden andere Gattungen des Christentums hier oder irgendwo in Europa wie verrückt boomen…
Zweitens sind die Europäer viel zurückhaltender als alle anderen, wenn es um optimistische Prognosen oder gutaussehende Statistiken geht. Die tollen Zahlen haben die anderen. Aber eben auch Probleme wie verbreitete Korruption, Machtmissbrauch und autoritäre Führer, ungelöste ethnische Konflikte oder hin und wieder Kungeleien mit zwielichtigen Regimes.
Europäer haben aus der Geschichte gelernt und meiden peinlichst jede Form von Kolonialismus – die meisten jedenfalls. Dass sie hier so selbstkritisch und – im Fall von Michael Herbst oder Elke Werner – ausgesprochen bescheiden auftraten, wird in anderen Kulturen, denen leise Töne tendenziell eher fremd sind, vielleicht auch missverstanden. Manche jungen Kirchen machen bekannte Fehler jetzt auch deshalb nach, weil sie es sich gar nicht vorstellen können, dass ihnen vielleicht eines nicht allzu fernen Tages ähnliche Gefahren drohen wie den Kirchen der alten Welt.
Wir haben uns in den letzten Tagen ab und zu gefragt, mit was für einem Bild von Deutschland und Europa unsere afrikanischen und asiatischen Mitchristen nun abgereist sind und wie sich das zukünftig auswirkt. Es gibt seit einer Weile den Begriff reverse missions, der beschreibt, dass Missionare diese jungen Kirchen in der Regel auf den Spuren ihrer Auswanderer nun in westliche Länder kommen und dort nicht nur ethnische Gemeinden gründen, sondern auch einzelne Deutsche zum Glauben führen. Damit verbinden sich viele Fragen, nicht zuletzt die nach der Identität solchen Gemeinden in der zweiten und dritten Generation, wenn der Kontakt zur Heimatkultur nachlässt und vielleicht nur ein Elternteil Migrant ist.
Vielleicht aber wird in Zukunft noch eine andere Bewegung einsetzen. Die meisten Menschen finden heute dort zum Glauben, wo sie aus einer vormodernen Gesellschaft in eine moderne übergehen. Heinzpeter Hempelmann spricht von einer „modernen Formatierung“ unserer Kirchen, doch das scheint nicht nur für Deutschland zu gelten. Am Übergang von der Moderne zur Postmoderne dagegen sieht es für die Kirchen nicht rosig aus. Im Zuge der Globalisierung bilden sich in den urbanen Zentren auch in Afrika und Asien vielfältigere Denk- und Lebensgewohnheiten aus. Netzwerke wie Amahoro tauschen sich schon über deren Fragestellungen aus, und Studiengänge wie Global Missional Leadership am George Fox Seminary greifen die neue Vielfalt auf. Ich bin gespannt, wie deren Fazit zu Lausanne III ausfällt, sie waren dort ja auch vertreten.