Kapstadt, Tag 5: unerreichte Haltungen

Der vorletzte Tag begann mit einer Bibelarbeit über Integrität. Calisto Odede aus Kenia rief sehr eindringlich zu einem glaubwürdigen und transparenten Lebenswandel auf. Ich fragte mich zwischendurch: Wenn ich meine nichtchristlichen Nachbarn ansehe, dann finde ich, dass die Kontraste im Lebensstil weniger scharf ausfallen, als sie in diesem steilen Bibeltext erscheinen. Die Bereitschaft zur Selbstkritik hier ist sehr groß, und das ist gut. Manchmal frage ich mich dennoch, ob wir nicht mehr brauchen als Appelle. Das Erschütternde ist ja oft auch, dass gerade dort, wo moralische Appelle laut und häufig sind, schlimme Dinge passieren. Was bedeutet es also praktisch, Christus anzuziehen?

Nun spricht zur Abwechslung – ein Brite: Chris Wright. Das größte Hindernis für die Erfüllung von Gottes Verheißung sind, sagt Wright, nicht die „Heiden“ oder die „Welt“, sondern dass Gottes eigenes Volk falschen Göttern auf dem Leim geht. Wright nennt Macht und Stolz, Erfolg und Beliebtheit, Reichtum und Gier, und zitiert die Kritik der großen Propheten Jesaja und Jeremia. Auf der Leinwand an der Rückseite der Halle steht, während Wright redet, groß „speak slower“. und jetzt nimmt er tatsächlich das Tempo etwas heraus…

Jesus hat sich, als er in der Wüste versucht wurde, eben diesen Versuchungen gestellt und sie überwunden. Die Reformation war nötig geworden, weil die spätmittelalterliche Kirche ihnen weitgehend erlag. Heute haben wir an vielen Orten wieder autokratische Superapostel, übertriebene Statistiken und geschönte Erfolgsstorys und ein Wohlstandsevangelium, das irre Blüten treibt. Heute also brauchen die Evangelikalen eine Reformation. Demut, Integrität und einfaches Leben – Richard Rohr hätte das heute auch gefallen.

Femi Adeleye erklärt die Logik des Wohlstandsevangeliums. Sein Cousin hat einen VW Käfer seiner Kirche gespendet, in der trügerischen Erwartung, dass Gott ihm einen Mercedes schenkt. Wie hatte neulich jemand hier gesagt: Nicht Armut ist das Problem unserer Welt, sondern Reichtum. Geben, Spenden ist etwas anderes als die Investition in Fonds mit unanständig hohen Renditen. Es bedeutet, mit andern zu teilen – besonders mit denen, die in unserer Gesellschaft nicht angesehen sind (auf der Leinwand hinten steht „stop“). Geld, sagt Adeleye, ist Macht und eine spirituelle Macht dazu. Christen müssen sich ihrem Zwang widersetzen.

Es geht weiter zur Frage der Frauenrechte, die an vielen Orten mit Füßen getreten werden. In der Kirchengeschichte haben Frauen immer wieder einen ganz besondere Rolle gespielt. Elke Werner spricht von der Möglichkeit, dass Christen ein konstruktives Verhältnis der Geschlechter im Sinne von Galater 3,28 vorleben können. Aber selbst in christlichen Gemeinden und Familien werden Frauen benachteiligt oder klein gehalten. Gott hat Männer und Frauen begabt, nun müssen sie lernen, in ihrer Unterschiedlichkeit zusammenzuarbeiten. Gott, so meint sie, sei vielleicht an den Diskussionen über complementarianism und „egalitarianism“ gar nicht so interessiert. Nun, auf ihre Art hat sie diese Frage ja auch beantwortet. Die Frauen im „Women’s Cafe“ zeigen sich in der Mittagspause hochzufrieden.

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