Eine(r) läuft immer…

Die letzten drei Wochen war ich zu faul, um regelmäßig laufen zu gehen und prompt hat mich eine ausgewachsene Erkältung überfallen und stört die Konzentration am Tag und den Schlaf in der Nacht. In den Winter (von den Temperaturen fühlt es sich jedenfalls so an), in denen ich konsequent durchgelaufen bin dreimal die Woche, hat es wo etwas nicht gegeben.

Nun schlucke ich ein Antibiotikum, das erste seit ein paar Jahren, und denke mir: Ich habe die Wahl – entweder ich laufe, oder meine Nase.

Also, die warmen Hosen auspacken, die Batterie in der Stirnlampe checken und wenn sich der Husten verzogen hat, nichts wie raus. 🙂

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Hitler, Billy Graham und Obama?

Eben noch machte unter all den republikanischen Schlammwerfern auch „Focus on the Family“ mobil mit einem düsteren (na ja, aus ihrer Sicht…) Horrorszenario für den Fall eines demokratischen Wahlsieges, indem man einen fiktiven Brief aus Obamas Amerika 2012 schrieb, in dem u.a. dreist behauptet wird, dass dann kleine Jungs bei den Pfadfindern gezwungen werden sollen, mit homosexuellen Betreuern in einem Zelt zu schlafen (die üble Gleichung Homosexuelle = Kinderschänder ist da wohl impliziert). Ganz, ganz tiefer Griff in die Gruselkiste so kurz vor Halloween…

Ehrlich gesagt, Bushs Amerika 2008 hätte schon genug Horror zu bieten – und dazu hätte man den schwarzen Pinsel stecken lassen können.

Aber wer das schon für den Gipfel der Geschmacklosigkeit hielt, wird eines besseren belehrt: Gestern bekam ich dann eine E-Mail über einen christlichen „Gebetsverteiler“, in der ein ehemaliger Mitarbeiter von Billy Graham sich auf Barack Obamas großen Anklang bei der Bevölkerung bezieht, und unter anderem mit folgenden Worten zitiert wird (der Text erscheint auch auf einigen McCain Websites):

The power of speech from a charismatic person truly can be a powerful thing. Certainly Billy Graham had charisma. Both his manner of speech and particularly the content changed millions. On the extreme other hand, the charisma of Adolph Hitler, too, inspired millions and the results were catastrophic. Barack Obama certainly is no Hitler or a Billy Graham, but for many Americans riding on the Obama Tidal Wave it is just like a surfer who might be ecstatic and euphoric while riding a tidal wave, but the reality of the ride is what happens when it hits shore.

Der echte Bill Brown hat sich inzwischen davon distanziert. Irgendwer hat eine Angstkampagne mit Schlamm-Spam gestartet und dabei, um Obama als Rattenfänger zu diffamieren, indirekt Billy Grahams Namen genutzt. Wohl wissend, dass viele verängstigte Christen diese Propaganda ungeprüft verbreiten würden – und das bis zu Wahl auch keiner mehr klären kann. Vielleicht eine gute Gelegenheit zur Selbstprüfung, bevor ich das nächste Mal auf „Weiterleiten“ klicke. Von dem Verteiler habe ich mich abgemeldet. Spam habe ich auch so schon genug.

(Ganz nebenbei zeigt sich heute wieder einmal: in den USA kommt der Terror von Rechts, nicht von links oder von außen)

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Andere Zeiten?

Gestern im Gottesdienst hatten wir es von David, der schon zum König gesalbt wurde, während sein glückloser Vorgänger noch im Amt war. Und ich dachte beim Zuhören, dass das alles gar nicht so weit weg ist.

Die Anklänge an die aktuelle Landespolitik sind unüberhörbar. Ob Seehofer allerdings seinen Goliath (das Mammutloch der Bayern-LB) mit einem Schuss erledigt und dann 40 Jahre regiert? Zumindest hatte er von Hubers und Becksteins Mäntelchen auch nur den Zipfel abgeschnitten. Den Rest hat Edis Söldnertruppe erledigt…

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Sinn-Krise

Das musste schiefgehen: Hans-Werner Sinn vom Ifo-Institut vergleicht die Kritik an den Bankenmanagern mit dem Antisemitismus der Weimarer Zeit. Klar fallen im Moment alle über die Banker her, und nicht immer sehr fair. „Sündenböcke“ sind sie deswegen trotzdem nicht, denn im Unterschied zu den Juden in Deutschland waren sie alle direkt beteiligt am Schlamassel und haben lange von dem System, dem Sinn nun die Schuld gibt, mächtig profitiert.

Und zwischen kritischen Kommentaren in Zeitungen (oder der drohenden Kürzung des Gehalts auf armselige 500.000 Euro) und dem Schicksal der Juden im Dritten Reich gibt es noch ein paar klitzekleine Unterschiede…

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Zu viel der Nächstenliebe?

Gestern hat mir Daniel den Link zur zweiten Ausgabe von Glauben und Denken geschickt, weil dort N.T. Wrights „Surprised by Hope“ rezensiert wurde. Ich habe das Magazin mit wachsendem Unmut quer gelesen und bin so langsam dabei zu verstehen, was mir da etwa bei Michael Horton so unangenehm aufstößt.

Um zum Kern der Sache zu kommen: Ich fürchte, hier wird das klassisch reformierte Anliegen, die Souveränität Gottes über alles zu stellen, in einer Art und Weise durchgezogen, die Gottes- und Nächstenliebe eben nicht mehr als gleichrangig behandelt. Mit schwerwiegenden Folgen, denn nun gerät das Engagement für den Nächsten (da wo Liebe also konkret wird, und sie muss konkret werden) unter Generalverdacht. Nicht die müssen sich rechtfertigen, die nichts tun, sondern die Engagierten, weil sie den Nächsten womöglich etwas zu sehr lieben.

Die Sorge ist, dass die Nächstenliebe zum Versuch wird, sich um die Gottesliebe herumzumogeln. Ich halte das schon praktisch für abwegig, denn nie bin ich auf Gott mehr angewiesen, als wenn ich einen unvollkommenen Nächsten lieben muss, obwohl der zum Beispiel Calvinist ist 🙂 Ich hatte vor 25 Jahren mal ein Buch aus mit ähnlichem Ansatz (Johan Bouman, Der Glaube an das Menschenmögliche), das die kirchliche Friedensbewegung eher undifferenziert als pelagianisch verurteilte und unterstellte, dass man den Himmel auf Erden aus eigener Anstrengung schaffen wollte.

Klar gibt es das auch hin und wieder. Aber so wie Konservative gern den Begriff „Gutmensch“ als semantische Keule auspacken, wenn sie mit ihrem Law-and-Order Ansatz in der Defensive sind, so wird hier all jenen, die sich konkret um Gerechtigkeit bemühen (nebenbei werden noch der Heilige Franziskus und Rick Warren mißbilligend zitiert), tendenziell unterstellt, sie würden das aus den falschen Motiven tun (und damit letztlich gegen Gott arbeiten). Und das natürlich, weil sie dem Zeitgeist oder einer weltlichen Ideologie anhängen und die reine Lehre verlassen haben.

Vielleicht bin ich jetzt unfair, aber ich werde das Gefühl nicht los, dass Leute, die so etwas schreiben, vielleicht doch ganz zufrieden damit sind, wenn wir alle unser Sündersein betrauern, erschaudern angesichts der Heiligkeit Gottes – und nichts weiter. Die reine Lehre scheint, vielleicht ohne es tatsächlich je auszusprechen, zu sagen, dass wir eh nichts machen können gegen die Bosheit der Welt. Wer das anerkennt, beschränkt sich auf die Verbreitung dieser Erkenntnis (heißt es deshalb nur „Glauben und Denken“?) und geht das Risiko erst gar nicht ein, beim Helfen die unausweichlichen Fehler zu machen. Oder der Vorsehung Gottes ins Handwerk pfuschen zu wollen.

Aber ist das Ganze nicht die Folge einer nicht minder ideologischen, antipelagianischen Paulusfixierung mit einem Schuss dialektischer Theologie, die vielleicht gerade noch die johanneische Bruderliebe zulässt, bei der für die Gleichnisse Jesu aber eigentlich schon kein Platz mehr ist? Der barmherzige Samariter glaubt eh schon das Falsche und die Reinheit seines Verhältnisses zu Gott wird in dem Gleichnis gar nicht thematisiert – sie spielt keine Rolle. Der Punkt, um den man bei Jesus schier nicht herumkommt, ist der: Echte Nächstenliebe ist Gottesliebe und umgekehrt.

Wenn Ron Kubsch am Anfang Jesajas Ruf nach Gerechtigkeit zitiert – um sich dann gleich wieder auf den Ruf (d.h. die Verkündigung der Wahrheit) zu konzentrieren, und nicht die konkrete Gerechtigkeit für Arme und Unterdrückte – frage ich mich: wozu muss man sich dann auf diesem Weg eigentlich ständig wieder theologisch ein Bein stellen, wenn man das ernst meint?

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Herzerwärmung

Wenn Du willst, dass Dich jemand mag, dann kann Kaffee eine große Hilfe sein – schreibt Spiegel Online. Bier dagegen wäre kontraproduktiv:

Frauen, die zuvor den heißen Kaffee gehalten und daher warme Hände hatten, urteilten später deutlich positiver über die beschriebene Person als jene Frauen mit kalten Händen. Die körperliche Wärme führte dazu, dass die Frauen den Beschriebenen als selbstloser und liebevoller einschätzten, schreiben die Forscher im US-Fachjournal „Science“ (Bd. 322, S. 606).

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Boxen-Betrug

Das ist mir heute schon zum dritten Mal passiert: Ein blauer Sprinter (der letzte war weiß) hält neben mir an und zwei junge Männer wollen mir ein paar HiFi Boxen „TNA Century“ verkaufen, die sie angeblich zu viel eingeladen und nicht quittiert hatten. Den getürkten Lieferschein hielten sie mir gleich unter die Nase. Sehe ich eigentlich so naiv aus, dass die Typen immer mich ansprechen?

Wie auch immer – ich bin mit meinen Boxen ganz zufrieden und habe sie weiterfahren lassen. Auf manche Schnäppchen sollte man besser verzichten, sonst schnappt für einen selbst die Trickbetrüger-Falle zu. Die Masche ist offenbar bestens bekannt. Was die Jungs nicht davon abzuhalten scheint, es immer wieder zu probieren.

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Verdirbt Geld den Charakter?

Die Welt zitiert dazu heute John Grisham, der McCains Verbindungen zur Ölindustrie anrüchig findet und auch sonst kein Blatt vor den Mund nimmt:

„Ich denke, Geld und Erfolg erlauben einem nur, der Mensch zu sein, der man ohnehin ist.“ Wenn man sich grundsätzlich um das Wohl anderer Menschen sorge, dann könne man sein Geld dafür auch sinnvoll einsetzen. „Auf der anderen Seite macht Geld aus einem Arschloch ein richtig fieses Arschloch.“

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Kleinere Brötchen backen

Immer wieder mal hat jemand gefragt, ob der Titel „Everything Must Change“ nicht eine McLaren-typische Übertreibung sei. Die meisten haben gar nicht zur Kenntnis genommen, um welche Themen es dabei geht. Ein Interview mit dem Systemanalytiker Dennis Meadows in der SZ zeigt, dass tatsächlich an allen Schrauben gleichzeitig gedreht werden muss, um den Kollaps aller Systeme zu verhindern, vor allem aber am privaten Konsum:

Systeme, die exponentiell wachsen, also mit steigender Rate größer werden, stoßen an eine natürliche Grenze, wenn man nicht rechtzeitig etwas dagegen unternimmt. Wird ein bestimmtes Niveau überschritten, kommt es zum Kollaps, alles bricht zusammen. (…)

Wir hätten uns spätestens in den frühen 80er Jahren von dem Postulat des ständigen Wachstums verabschieden müssen, um den Kollaps zu verhindern. Damals verbrauchten die Menschen noch weniger Ressourcen, als die Erde nachliefern konnte. Seitdem ist unser Niveau auf 125 Prozent dessen gewachsen, was regenerierbar, also nachhaltig ist.

Ganz nebenbei habe ich mich beim Lesen gefragt, ob es eigentlich Zufall ist, dass die Gemeindewachstumsbewegung Anfang der 80er Jahre entstand, in der die wirtschaftliche Wachstumseuphorie die Bodenhaftung allmählich verlor. Nicht, dass Gemeinden nicht wachsen dürften. Aber es fehlte irgendwie die ökologische Komponente in dem Ganzen, etwa in dem Sinne, dass man ökumenisch (statt nur protestantisch) denkt. Oder die Frage stellt, was der Rest der Welt eigentlich davon hat, wenn Gemeinden wachsen?

Schön, dass sich das allmählich ändert. Peinlich, dass es so lange gedauert hat.

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Bekenntnis-Bewegung

Die Wahlen in den USA kommen näher und es sieht gut aus für den Rest der Welt, denn die „Country First“ Kampagne scheint derzeit deutlich im Hintertreffen. Ein ganz schwerer Schlag für McCain war Alan Hirschs Blogpost (gefunden bei Haso), für den die Entscheidung am 4. November ein no-brainer ist. Nicht alle (US-) Kommentatoren auf Alans Blog stimmen zu, aber das wäre auch zuviel erwartet.

Und dann hat gestern auch noch Colin Powell sein Körnchen in die Waagschale geworfen, und zeigt, dass er nach seinem Ausstieg aus der Bush-Regierung das Herz wieder am rechten Fleck hat, nämlich (für US-Verhältnisse) leicht links. Zugleich – und das zeichnet Powell aus – redet er sehr respektvoll über McCain. Hoffentlich macht beides Schule: Stil und Substanz von Powells Bekenntnis.

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Sukkot

Heute nachmittag war ich mit etlichen anderen beim Laubhüttenfest in der Erlanger Synagoge. Die jüdische Kultusgemeinde hatte anlässlich des interkulturellen Monats dazu eingeladen. Anfänglich fiel uns Gästen die Orientierung etwas schwer, und irgendwie hatte alles einen charmanten, leicht anarchischen Charakter. Das passt ja auch vielleicht zu dem Fest, das nicht nur Dank für die Ernte ist, sondern auch an die Wüstenwanderung ohne feste Häuser erinnert.

Die Männer kamen in der Sukkah (Laubhütte) im Garten zusammen, der Vorbeter stimmte eine Reihe hebräischer Gebete an, in denen ich wenigstens einzelne Worte wieder erkannte. Der Rabbi sprach kurz und klang dabei sehr jiddisch. Es schlossen sich ein paar Erklärungen für die Gäste an, zwei Grußworte, ein Chor aus fünf Damen sang und dann duften alle Wein und Gebäck in der improvisierten Hütte kosten.

Zu den Gottesdiensten in der Synagoge gehören Feststräuße aus vier Pflanzenarten: ein Palmzweig, drei Myrtenzweige, zwei Bachweidenzweige, und der Etrog (eine Zitrone). Diese „Vier Arten“ werden einmal täglich geschüttelt. Dazu wurde uns heute erklärt, dass es vier Arten von Juden gibt: Die einen duften und schmecken aromatisch (wir die Zitrone), was für Gelehrsamkeit und Glaubenspraxis steht. Andere duften (Myrte), aber schmecken nicht oder umgekehrt, sind also entweder gelehrsam oder praktizieren. Schließlich gibt es auch noch Juden, denen beides fehlt. Aber sie gehören trotzdem dazu. Es ist eben ein Strauß.

Heute morgen hatte noch jemand zu mir gesagt, er fände das Judentum gesetzlich. Ich glaube, das ist ein Missverständnis. Diese Gemeinde lebt im vollen Bewusstsein ihrer Unvollkommenheit, aber fröhlich, entspannt und dankbar.

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Ein Stück vom Krisenkuchen

Die ostentative Empörung über der Gier der Banker wurde in jüngster Zeit ja fast schon langweilig – unbegründet ist sie dennoch nicht. Der Spiegel berichtet, dass an der Wall Street noch einmal gigantische Summen als Boni an die Manager ausgeschüttet werden:

Wie die britische Tageszeitung „The Guardian“ recherchiert hat, verteilen alleine die Geldhäuser an der Wall Street noch einmal 70 Milliarden Dollar an ihr Spitzenpersonal, das meiste davon in diskreten zusätzlichen Bonuszahlungen. Die Manager belohnten sich damit für ein Geschäftsjahr, schreibt der „Guardian“, in dem sie das globale Finanzsystem in die schlimmste Krise seit dem Börsencrash von 1929 führten.

Zehn Prozent der Summe, die nun als Rettungspakte vom Staat kommt, wandern also vorab in die Taschen der Hohenpriester des Turbokapitalismus. So gepolstert lässt sich der Absturz gut verkraften. So verständlich der Ärger ist, die Sündenbock-Kampagne der Linken (Bankmanager einsperren) ist da auch keine Lösung.

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Seelenlose Wissenschaft

Ich habe mal wieder „The Soul’s Code“ von James Hillman aus dem Regal gezogen. Er beklagt die typisch moderne atomisierende Betrachtungsweise seiner Zunft, die dem Geheimnis des Individuums nicht gerecht werden:

… when it comes to accounting for the uniqueness and the call that keeps us to it, psychology too ist stumped. Its analytical methods break down the puzzle of the individual into factors and traits of personality, into types, complexes and temperaments, attempting to track the secret of individuality to substrata of brain matter and selfish genes.

(…) Of all of psychology’s sins, the most mortal is the neglect of beauty. There is, after all, something quite beautiful about a life. But you would not think so from reading psychology books. Again, psychology fails what it studies.

Ähnlich fällt sein Fazit da aus, wo die Naturwissenschaften das Leben erklären wollen:

The cosmologies of today – big bangs and black holes, antimatter und curved, ever-expanding space going nowhere – leave us in dread and senseless incomprehensibility. Radom events, nothing truly necessary. Science’s cosmologies say nothing about the soul, and so they say nothing to the soul, about its reason for existence and where it might be going and what it’s tasks could be.

… Explanation by the physical sciences of the ultimate origins of and reasons for our life may not be such a good way to go. Any cosmology that begins on the wrong foot will not only produce lame accounts; it will also lame our love of existence. The creation myth (!) of random events in unimaginable space keeps the Western soul floating in a stratosphere where it cannot breathe.

Ein Artikel der Zeit gibt Hillman Recht. Dort wird Charles Darwin zitiert, der in sein Tagebuch schrieb: „Viele dieser so niederen Kreaturen sind überaus exquisit in ihren Formen und reichen Farben. Es ruft ein Gefühl der Verwunderung hervor, dass so viel Schönheit für offenbar so wenig Zweck erschaffen worden sein soll.“ Der Nutzen verdrängt die Schönheit als grundlegende Perspektive. Letzten Endes wird Darwin selbst krank und unglücklich:

Es ist Darwin selbst, der in der Natur auch eine mitleidlose Züchterin sieht. Wie bei seinen späteren Mitkämpfern Haeckel und Huxley wird seine Meinung durch einen schweren persönlichen Verlust zementiert. Als seine Lieblingstochter Annie, zehnjährig, stirbt, ist klar: Die biologische Welt muss böse sein.Der lebenslange Leidensweg des forschenden Privatiers setzt zeitgleich mit seiner Evolutionslehre ein. In seinem Arbeitszimmer befallen ihn Erbrechen, Übelkeit, Schwächeattacken, die schlimmsten Symptome jener qualvollen Seekrankheit, die ihn bei seinen Entdeckungen stets begleitet hatte. Seine Seele bedrückt die Unfähigkeit, sich an der Poesie der damals populären Romantik und Spätromantik zu erfreuen. Die Kreativität des Kosmos, die dort beschworen wird, entsetzt ihn. Dichter wie William Wordsworth deuten die Naturgeschichte als Entfaltung Gottes – nicht als deren Widerlegung.

Zurück zu Hillman: Weniger überzeugend ist dann der eher oberflächliche Umgang mit allen möglichen mythischen Traditionen, in denen Hillman die Antwort sucht (besonders im platonischen Mythos von Er und der Seelenwanderung) und seine nicht ganz verzerrungsfreie Wiedergabe biblisch-christlicher Vorstellungen. Dabei könnte sein Anliegen, die Einzigartigkeit des Individuums herauszustellen, gerade hier richtig gut zur Geltung kommen, wo der Mythos, wie Tolkien gegenüber C.S. Lewis anmerkte, in Christus einzigartige Wirklichkeit geworden war.

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