Seelenlose Wissenschaft

Ich habe mal wieder „The Soul’s Code“ von James Hillman aus dem Regal gezogen. Er beklagt die typisch moderne atomisierende Betrachtungsweise seiner Zunft, die dem Geheimnis des Individuums nicht gerecht werden:

… when it comes to accounting for the uniqueness and the call that keeps us to it, psychology too ist stumped. Its analytical methods break down the puzzle of the individual into factors and traits of personality, into types, complexes and temperaments, attempting to track the secret of individuality to substrata of brain matter and selfish genes.

(…) Of all of psychology’s sins, the most mortal is the neglect of beauty. There is, after all, something quite beautiful about a life. But you would not think so from reading psychology books. Again, psychology fails what it studies.

Ähnlich fällt sein Fazit da aus, wo die Naturwissenschaften das Leben erklären wollen:

The cosmologies of today – big bangs and black holes, antimatter und curved, ever-expanding space going nowhere – leave us in dread and senseless incomprehensibility. Radom events, nothing truly necessary. Science’s cosmologies say nothing about the soul, and so they say nothing to the soul, about its reason for existence and where it might be going and what it’s tasks could be.

… Explanation by the physical sciences of the ultimate origins of and reasons for our life may not be such a good way to go. Any cosmology that begins on the wrong foot will not only produce lame accounts; it will also lame our love of existence. The creation myth (!) of random events in unimaginable space keeps the Western soul floating in a stratosphere where it cannot breathe.

Ein Artikel der Zeit gibt Hillman Recht. Dort wird Charles Darwin zitiert, der in sein Tagebuch schrieb: „Viele dieser so niederen Kreaturen sind überaus exquisit in ihren Formen und reichen Farben. Es ruft ein Gefühl der Verwunderung hervor, dass so viel Schönheit für offenbar so wenig Zweck erschaffen worden sein soll.“ Der Nutzen verdrängt die Schönheit als grundlegende Perspektive. Letzten Endes wird Darwin selbst krank und unglücklich:

Es ist Darwin selbst, der in der Natur auch eine mitleidlose Züchterin sieht. Wie bei seinen späteren Mitkämpfern Haeckel und Huxley wird seine Meinung durch einen schweren persönlichen Verlust zementiert. Als seine Lieblingstochter Annie, zehnjährig, stirbt, ist klar: Die biologische Welt muss böse sein.Der lebenslange Leidensweg des forschenden Privatiers setzt zeitgleich mit seiner Evolutionslehre ein. In seinem Arbeitszimmer befallen ihn Erbrechen, Übelkeit, Schwächeattacken, die schlimmsten Symptome jener qualvollen Seekrankheit, die ihn bei seinen Entdeckungen stets begleitet hatte. Seine Seele bedrückt die Unfähigkeit, sich an der Poesie der damals populären Romantik und Spätromantik zu erfreuen. Die Kreativität des Kosmos, die dort beschworen wird, entsetzt ihn. Dichter wie William Wordsworth deuten die Naturgeschichte als Entfaltung Gottes – nicht als deren Widerlegung.

Zurück zu Hillman: Weniger überzeugend ist dann der eher oberflächliche Umgang mit allen möglichen mythischen Traditionen, in denen Hillman die Antwort sucht (besonders im platonischen Mythos von Er und der Seelenwanderung) und seine nicht ganz verzerrungsfreie Wiedergabe biblisch-christlicher Vorstellungen. Dabei könnte sein Anliegen, die Einzigartigkeit des Individuums herauszustellen, gerade hier richtig gut zur Geltung kommen, wo der Mythos, wie Tolkien gegenüber C.S. Lewis anmerkte, in Christus einzigartige Wirklichkeit geworden war.

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