Der Kontrast könnte nicht größer sein: Eben “flatterte” Rick Warrens (ziemlich plumpe – ich kann es leider nicht anders sagen) Abhandlung über “Spiritual Warfare” in meine Mailbox herein. Sie steckt voller Dualismen (Gedanken kommen entweder von Gott oder vom Teufel, es geht um den “Dienst” statt um das ganze Leben, …). Zudem dreht sich alles um das christliche Individuum (zur Einleitung wird auf das warnende Beispiel “gefallener” Leiter abgehoben) und dessen Überleben bzw. Wirksamkeit, statt um gesellschaftlichen und kulturellen Wandel. Newbigin dagegen setzt, wie schon in früheren Kapitel, gerade nicht beim Individuum an, sondern bei überindividuellen Kräften, die ambivalent – also weder einfach mit Gott noch mit dem Teufel zu identifizieren – sind, die uns aber gleichwohl kräftig und oft unbemerkt beeinflussen.
In der isolierten Betrachtung des einzelnen und in der Privatisierung ethischen Denkens drückt sich unser moderner Dualismus aus. Dabei ist menschliches Verhalten erwiesenermaßen hochgradig abhängig vom sozialen Kontext. Die Frage nach dem richtigen Verhalten stellt uns also vor die Frage, zu was für einer Gesellschaft wir gehören wollen. Folglich finden sich schon in der alttestamentlichen Torah Anweisungen für einzelne und Regelungen für das gesamte Volk. Der überindividuelle Aspekt findet sich im Neuen Testament wieder – als “Mächte und Gewalten”, auf die Paulus immer wieder zu sprechen kommt.
Er denkt dabei nicht an körperlose und prinzipiell böse Geistwesen, die durch die Lüfte rasen. Zugleich sind auch nicht einfach nur konkrete weltliche Machthaber gemeint, vielmehr auch die Institutionen, Strukturen und Bewegungen, die sie repräsentieren und verkörpern (etwa der Kaiser das Kaisertum, oder in der Apokalypse die “Engel” der angeschriebenen Gemeinden).
Wir alle wissen, dass alteingesessene Institutionen etwas haben, eine Innerlichkeit, die man den Angehörigen dieser Institution jederzeit anmerkt, die diese aber überdauert und transzendiert. Dieses “etwas” kann gut- oder böswillig sein. Eine gute Schule hat einen Geist, ein Ethos, der den Charakter der Schüler prägt. Er war da, bevor die Schüler kamen und ist noch da, wenn alle jetzigen Schüler gegangen sind. Ähnlich hat eine Nation etwas, das mehr ist als die Summe der Haltungen ihrer Bürger. Ein Mob kann etwas Böses verkörpern, so böse, dass es die einzelnen, aus denen er sich zusammensetzt, sich nie gewünscht hatten.
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