Deutschland im Jackpotfieber. Ein Irrsinn, wenn man sich vor Augen hält, wie oft Lottogewinner an ihrem vermeintlichen Glück zerbrechen. Heute las ich eine beeindruckende Zusammenstellung solcher Schicksale. Die Frau eines Rekordgewinners in den USA sagt heute, sie hätte den Schein damals zerreißen sollen. Viele Lottomillionäre leben nach einiger Zeit von Sozialhilfe. Alles nur bedauerliche Einzelfälle, schwache Charaktere, unfähige Berater?
Warum wird nicht mehr über die hässliche Seite der Spielerei geschrieben und gesprochen? Erstens weil viele, einschließlich Staat und Fernsehen, gut daran verdienen. Aber Lesslie Newbigin hat völlig Recht, wenn er Geld unter die “Mächte” rechnet, die wir normalerweise ignorieren oder völlig unterschätzen. Das ist nicht nur ein materielles, sondern auch ein spirituelles Problem. Sie versprechen scheinbar Glück und sorgenfreies Leben und bringen nur allzu oft (aber eben auch nicht zwangsläufig…) das exakte Gegenteil. Mit solchen Summen werden Kräfte entfesselt, die auch gefestigte Charaktere (in letzter Zeit frage ich mich immer mehr, was genau das eigentlich ist) ins Schleudern bringen.
Was würde ich mit 35 MIllionen Euro machen? Täte es mir gut, wenn ich meinen Lebensunterhalt nicht mehr selbst verdienen müsste? Was würde aus meinen Kindern, wenn wir uns plötzlich (fast) alles leisten könnten? Was würde aus meinem Freundeskreis, wenn ich nicht mehr sicher sagen könnte, ob Leute in Wahrheit mehr an meinem Geld interessiert sind als an mir als Person? Würde ich alte Freunde verlieren, weil ich plötzlich vom Lebensstandard her in einer anderen “Liga” spiele? Kann man einen solchen Gewinn geheim halten? Was wäre in meiner Bank los, wenn so eine Summe auf mein Konto einginge? Könnten die Mitarbeiter sich das Tuscheln verkneifen oder würde jemand RTL einen anonymen Tipp geben? Was ist mit der Angst vor Räubern und Erpressern, wie gut würde ich noch schlafen? Manchmal ist es wohl besser, gar nicht in die Nähe von so viel Geld zu kommen. Der Sog kann vernichtend sein. Ich habe nicht getippt – und damit schon gewonnen.
P.S.: Warum heißt es eigentlich Glückspilz und Unglücksrabe?
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Glückspilz: Das Wort entstand schon vor mehr als 200 Jahren. Damals hatten viele Leute nicht genügend Geld, um auf dem Markt Pilze zu kaufen. Daher gingen sie zum Pilze sammeln in den Wald. Wer schmackhafte Pilze fand, der war ein Glückspilz.
Es gibt aber noch eine andere Worterklärung. Menschen, die schnell zu Reichtum kamen waren auch Glückspilze. Ihr Geld vermehrte sich so schnell, wie die Pilze, wenn sie nach einem warmen Regen aus dem Waldboden schießen. (http://www.tk-logo.de)
Zum Unglücksraben habe ich nix gefunden, aber auffällig ist doch die negative Besetzung des Begriffes Rabe – z.B. „Rabenmutter“ (gibt es außer im deutschen nur noch in einer anderen Sprache, sonst keine Äquivalente). Vielleicht klebt den Vögeln aber insgesamt das Pech an den Füßen, der Begriff Pechvogel beispielsweise stammt aus der Zeit der mittelalterlichen Vogeljagd. Damals wurden Äste mit Pech bestrichen, damit die Tiere darauf kleben bleiben und gefangen werden konnten. So wurde der Pechvogel zum Sinnbild für Missgeschicke. (Wikipedia)
Es stimmt, dass zu wenig davon geredet wird, was Besitz und Reichtum aus ganz ’normalen‘ Menschen machen kann. Noch immer hat das alles einen viel zu hohen Stellenwert, obwohl man doch am Leben der Reichen und (meistens eigentlich gar nicht so) Schönen in jeder Klatschzeitung lesen kann, dass die oft gar nicht glücklich, zufrieden oder gar selig wären. Ganz im Gegenteil. Vielleicht sollte man auf die Lottoscheine – ähnlich wie auf die Zigarettenschachteln – draufschreiben: „Vorsicht – das Gewinnen von hohen Geldbeträgen kann ihren Charakter und den ihrer Verwandtschaft ruinieren!“ 🙂