Pflichtlektüre

Der Pustet-Verlag in Regensburg hat Walter Winks († 2012) kleines Buch The Powers That Be auf Deutsch herausgebracht unter dem Titel Verwandlung der Mächte. Eine Theologie der Gewaltfreiheit.

Es ist eines der wenigen Bücher, von denen ich sagen würde, die sollten zumindest jede Theologin und jeder Theologe gelesen und verarbeitet haben. In der Einleitung bringt es Wink schön auf den Punkt, worum es geht: Viele der Schwierigkeiten und Fehlschläge, die wir uns selbst oder anderen anlasten, sind nicht einfach nur auf individuelles Versagen zurückzuführen, sondern auf die innere Dynamik der Institutionen, die unser Leben regeln. Es geht auch nicht nur technisch um bessere und gerechtere Strukturen, sondern darum, dass da eine spirituelle Dimension enthalten ist, die es zu erkennen und zu berücksichtigen gilt, wenn man echte Veränderung anstrebt:

Im Zentrum handfester Institutionen der Gesellschaft entdecken wir etwas Geistiges. IBM und General Motors haben jeweils eine eigene Spiritualität, genauso die Liga für die Ausbreitung des Atheismus. […] Auch die Vordenker der neuen Physik sind, nachdem sie durch den Materialismus hindurch gestoßen sind, in einer Welt der Geist-Materie angekommen. So können auch wir das ganze gesellschaftliche Unternehmen der menschlichen Spezies unter den beiden Aspekten von Geist und Materie sehen. Wir stehen auf der Schwelle der Wiederentdeckung der Seele im Innersten eines jeglichen Geschöpfes. Es gibt nichts, von der DNA bis hin zu den Vereinten Nationen, das nicht Gott in seinem Innersten hat. Alles hat einen spirituellen Aspekt. Alles ist Gott gegenüber verantwortlich.

Vom Weltbild her liegt das nahe an dem, was etwa Patrick Spät in Der Mensch lebt nicht vom Hirn allein darlegt, aber Wink fragt nun weiter, wie diese Einsicht nun fruchtbar gemacht werden kann im Ringen um eine gerechte und menschliche Gesellschaft, in kirchlichen und politischen – also institutionellen – Veränderungsprozessen und was das für die Spiritualität bedeutet, die wir leben und anderen vermitteln wollen.

Fragt man sich etwa aktuell, warum das TTIP-Abkommen zustande kommen könnte, dessen Geist den Sieg des internationalen Kapitals über die nationalen Demokratien bedeuten würde, so dass selbst die Zeit nur noch den Begriff „satanisch“ dafür findet, dann lässt sich das Geschehen und seine potenzielle Wirkung in den Kategorien von „Mächten und Gewalten“ und deren Hang zum Götzendienst offenbar besser fassen als in der Sprache der Ökonomen und Juristen.

Jetzt, wo die Textgrundlage für alle verfügbar ist, wäre eigentlich eine theologische Konferenz oder ein Symposium über Wink und seine Anstöße fällig. Vielleicht kommt da ja noch etwas von den Herausgebern…?

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