Pfingstgedanken

Da Kohärenz an Pfingsten nicht zwingend ist und auch den Aposteln erst nach einer gewissen Zeit möglich war, hier ein paar unsortierte Gedanken zum Fest, das immer wieder mal recht unglücklich als Geburtstag der Kirche bezeichnet wird. Denn die gab es 50 Tage nach Ostern natürlich schon längst – sie ist nichts anderes als das Gottesvolk des neuen (d.h. des erneuerten alten!) Bundes. Und das mit dem Geburtstag ist auch insofern irreführend, als man meinen könnte, die Kirche dürfe sich nun selbst feiern und ein bisschen auf die Schulter klopfen. Das sollten wir dann doch lieber Gott überlassen, der wird das zu seiner Zeit tun.

Mit dem Geist haben sich Christen im Westen immer schwer getan. Im Protestantismus erschien er häufig eher im Gegensatz zur „Natur“: Entweder lehnte man eine „natürliche Gotteserkenntnis“ ab – als könne man Gottes Wesen aus der Beobachtung der Welt durch Vernunft, Wissenschaft und moralisches Bewusstsein irgendwie erklären und ableiten -, oder man war darauf bedacht, den Menschen nicht als im Wesentlichen doch gut und Sünde als nebensächlichen Defekt hinzustellen und betonte von daher die tiefe Kluft. Zur epistemologischen und moralischen Kluft dann kam noch der pfingstlich-charismatische Supranaturalismus dazu, der den Geist gern in den spektakulären, extremen und „abgefahrenen“ Erlebnissen am Werk sieht und das Gewöhnliche gering schätzt.

In jedem Fall führte das dazu, dass die Welt irgendwie „entgeistert“ wirkte. Der Gedanke, dass der Geist in der gesamten Schöpfung am Wirken ist, sie erhält und sie auf eine Vollendung hin bewegt, fiel etwas unter den Tisch. Also wurde es schwierig, ihn in „natürlichen“ Begabungen am Werk zu sehen, und wer besonders geistlich sein wollte, kam oft leicht weltfremd daher. Und so richtig der Gedanke einer Gegenkultur oder Kontrastgesellschaft ist, so wenig ist das einfach eine Negation oder allzu simple Umkehr der gegenwärtigen Verhältnisse.

In Wahrheit gehört beides zusammen: Das Wirken des Geistes in der Gemeinde und den einzelnen Christen seit Pfingsten knüpft an an das Wirken des Geistes in der Schöpfung an, ebenso wie in der Geschichte Israels, die in Jesus ihren Höhepunkt erreicht. Selbststeigerung und Selbstvervollkommnung waren nie der Weg, wie Gottes Geschöpfe seine Absichten erfüllen würden, sondern indem sie empfänglich werden und bleiben für weiteres schöpferisches Wirken des Geistes Gottes. Darum befreit uns Gottes Geist, natürlicher zu sein, als wir es aus uns selbst sein könnten. Es wird von uns aber auch immer ein bewusstes Unterscheiden verlangt: Gott ist überall am Wirken, und überall wird dieses Wirken auch von den Mächten dieser Welt behindert oder entstellt. Am Pfingsttag sehen wir genau das in der Predigt des Petrus: Er kann unterscheiden.

Pfingsten heißt so gesehen nicht, dass nun etwas kommt, was noch nie da war. Es heißt aber durchaus, dass Gott das Tempo und die Reichweite seines Wirkens deutlich erhöht hat. Unterscheiden können heißt, so gesehen, nicht nur, dass wir sagen können, wo Gott in unserer Nähe am Wirken ist, sondern eben auch, dass wir von Beobachtern zu Akteuren werden. Und dabei dann immer noch etwas tiefer verstehen, worauf das alles hinaus läuft.

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3 Antworten auf „Pfingstgedanken“

  1. Als Kommentar eins meiner Gedichte um Thema.
    Gott wird unsere Vorstellungen immer sprengen und so unser Bewusstsein erweitern.

    Pfingstgedanken

    Heiliger Geist
    wir sehen dich
    eingefasst
    in Bleiverglasung

    Kathedral-
    Kristall-
    oder Buntglas

    Sonnenfänger
    Brechung
    und Farbspiel

    Heliger Geist
    wir wollen dich
    Farbtupfer
    im Alltagsgrau

    Heiliger Geist
    wir haben dich
    angeordnet
    in festen Rahmen

    Gefühlvoll
    ekstatisch
    umwerfend

    geordnet
    liturgisch
    leiser Wind

    Heiliger Geist
    wir suchen dich
    entsprechend
    unserer Vorstellung

    Heiliger Geist
    erweise dich
    wie dein Auftrag
    und dein Wille ist

    Verherrliche
    Jesus
    den Lebenden

    Beende
    die Angst
    vor ewigen Tod

    Ergreife
    Herzen
    flatternd vor Furcht

    Befreie
    zu Lachen
    und Zeugenmut

    Heiliger Geist
    wir brauchen dich
    zerbrich unsere Bilder
    sprenge unsere Rahmen
    Komm wie du bist
    Feuer und Sturm
    Dynamis, Dynamik und Dynamit
    Heiliger Geist
    wir bitten dich

    Benedikta Buddeberg

  2. Hey Peter, sehr schöne und differenzierte Gedanken.
    Ich denke das beständige Wirken des Heiligen Geistes , ob man es nun Verzahnung von Transzendenz und Immanenz nennt oder Erhaltung der Schöpfung (ganz nach CS Lewis: als Jesus Wasser in Wein verwandelte, zeigte er nur, was Gott immer schon tut) oder common grace (er lässt die Sonne scheinen über Gerechte und Ungerechte) wird sträflich vernachlässigt.
    Aber auf der anderen Seite treffe ich immer mehr auf einen „Vulgär-Hegelianismus“ (siehe meine letzten Blogposts), in der Gott als Person völlig zurücktritt gegenüber einen immanenten, interindividuellen Geist, der auch wieder „zu wenig“ ist.

  3. @ Benni: Danke für das Gedicht – das hatte ich noch nie bei den Kommentaren, freut mich sehr!

    @ Arne: Guter Post. Neben Hegel spielt da sicher auch der esoterische Pantheismus eine große Rolle. Aber als Christ kommt man nicht von der Vorstellung weg, dass Gott eben doch personal gedacht werden muss (bei aller Immanenz, zu der er zumal als dreieiniger Gott auch fähig ist). Auch wenn das unsere Autonomie ganz anders in Frage stellt, als ein unverbindliches spirituelles Gewaber 🙂

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