Transforming Spirituality (2): Weise werden

Die versprochene Fortsetzung hat doch länger gedauert, als ich dachte. Eigentlich wollte ich Kapitel für Kapitel lesen und zusammenfassen, nun habe ich aber doch den ganzen theologischen Teil am Stück gelesen, um mich besser hineinzufinden. Da schon das Buch recht dicht formuliert ist, wird es in dieser (nicht gerade kurzen) Zusammenfassung auch recht anspruchsvoll. Aber vielleicht wirft es ja doch einige Denkanstöße ab oder animiert manche(n) zum Selberlesen:

Die theologischen Kapitel sind parallel aufgebaut: LeRon Shults verfolgt hier das Verlangen nach Weisheit zuerst kurz und knapp durch die Schrift, dann durch die christliche Tradition. Daraufhin fragt er nach dem Beitrag von Philosophie und Naturwissenschaft im Dialog mit Schrift und Tradition und zieht die Schlussfolgerungen in Anlehnung an die Grundgedanken des Wachstumsmodells, das Spiritualität als Intensivierung und fortschreitende Differenzierung der Persönlichkeit im Gegenüber zum Nächsten und zu Gott versteht.

“Spirituelle Transformation” setzt an bei dem menschlichen Verlangen, zu erkennen und erkannt zu werden und zielt ab auf ein “Teilnehmen an der ewigen Intimität, die das Leben des dreieinigen Gottes ist”. Sehnsucht nach Weisheit hat nicht nur den kognitiven Aspekt, sondern mit der Qualität gelebter Beziehungen.

In der Schrift begegnet die Weisheit in personifizierter Gestalt und sie lädt den Menschen ein, ihr leidenschaftlich auf der Spur zu bleiben. Die Weisheit hat eine enge Bindung an die göttliche Kreativität und Vorsehung, wer Anteil an ihr hat, kommt in das rechte Verhältnis zu Gott. Umgekehrt zeigt die Geschichte von Sündenfall, dass Weisheit (und mit ihr viel praktisches Wissen und Fertigkeiten) an die enge Beziehung zu Gott gebunden ist und nicht an Gott vorbei erreicht werden kann. Dies wird im Neuen Testament christologisch interpretiert. Weisheit (und Wahrheit) wird nicht einfach rational erkannt, sondern offenbart sich relational als befreiende Gegenwart Gottes.

In der christlichen Tradition kontemplativer Spiritualität ging es immer darum, Gott zu erkennen und von ihm erkannt zu werden, allerdings waren die anthropologischen und kosmologischen Denkvoraussetzungen hier und da problematisch. Augustinus stellt fest, dass Menschen dieses intime gegenseitige Erkennen (und die Wahrheit, auf die menschliches Denken immer schon gerichtet ist) einerseits ersehnen, andererseits fürchten. Die apophatische Theologie betont, dass der endliche Verstand den unendlichen Gott als Gegenstand des Wissens nicht fassen kann. Nikolaus von Cues kann so ein unendliches Wachsen der Gotteserkenntnis annehmen, das dennoch immer die Demut “gelehrter Unwissenheit” bewahrt. Bonaventura schließlich sieht das Einssein mit Gott und mystische Weisheit als Resultat eines Sterbens des eigenmächtigen Intellekts an. Während die Reformation viele dieser Ansätze noch bewahrte, brachte die Aufklärung eine Trennung zwischen objektivem Wissen und subjektiver Spiritualität. In jüngerer Zeit hat unter anderem diesen Dualismus Gustavo Gutierrez kritisiert und ein Verständnis von intellektuellem und spirituellem Erkennen eingefordert, das in der Spannung von Verheißung und Erfüllung diejenigen befreit, “deren persönliche Beziehungen schmerzhaft gebunden sind”.

Philosophisch brachte die Aufklärung die Lösung der Wahrheitsfrage von ihrem Bezug auf das Göttliche, die konsequente Trennung von Glauben und Wissen, und die Erfolge der Naturwissenschaften führten zu einer optimistischen Einschätzung menschlich-rationaler Erkenntnisfähigkeit. Spät- bzw postmodern wird dies in Frage gestellt. Paul Ricoeur plädiert für ein narratives Verstehen, das eine größere Nähe zu praktischer Weisheit und ethischem Urteil pflegt. Wahrheit und Erkennen haben neben der rationalen auch eine soziale Dimension, menschliche Identität (individuell und kollektiv) hängt eben an Geschichten.

Naturwissenschaftlich lässt sich menschliches Denken von körperlichen Vorgängen und Empfindungen nicht trennen (daher ist der neoplatonische Ansatz so problematisch), kann aber auch nicht auf diese reduziert werden. Der Gedanke der Evolution macht es möglich menschliches Werden als ein ausgerichtet Sein auf die Gottes Zukunft zu denken, der dann nicht mehr in einem zeitlosen “oben” residiert.

Alles Erkennen ist geistlich, weil es seinen Grund in Gott hat, von dem, durch den, und auf den hin alle Dinge sind. Insofern ist die Suche nach Weisheit und Erkenntnis dem von Gott geschaffenen menschlichen Geist schon mitgegeben. Sie wird aber intensiviert, indem der Mensch durch den Geist Gottes Anteil bekommt an der Erkenntnis Christi. An dieser Stelle bringt Shults das Konzept einer dialektischen Identität ins Spiel, die mit Paulus sagen kann “ich, aber nicht ich, sondern Christus”. Der menschliche Geist wird vom Geist Gottes weder strikt getrennt noch geht er in diesem auf oder unter. Menschliche Identität setzt immer schon eine Gegenüber voraus. Sie entsteht im Ringen darum, von diesem Gegenüber weder erdrückt noch verlassen zu werden. Die Gegenwart des Geistes, der mehr als ein endliches Gegenüber und uns damit näher ist, als wir selbst und andere es sein können, öffnet uns für eine Erkenntnis unserer wahren Identität. Biblische Weisheit entsteht in der innigen Beziehung zum trinitarischen Wesen und Leben Gottes, und nicht mehr in der defensiven Abgrenzung gegenüber allem Andersartigen, sondern in der Versöhnung der Unterschiede. Der Erwartung und Sehnsucht des werdenden menschlichen Geistes entspricht die Zukünftigkeit des göttlichen Kommens. Geschöpfliches Wissen erinnert sich an die Vergangenheit und ist durch den Geist Gottes auf die Zukunft hin orientiert. In diesem Sinn eröffneter Zukunft bedeutet Gott zu erkennen auch ewiges Leben (Joh 17,4).

Geistliches Erkennen bedeutet, an der Gotteserkenntnis Christi und am Leben des dreieinigen Gottes (2. Petr.1,4) teilzuhaben. Es geht damit über die Zustimmung zu Satzwahrheiten weit hinaus. Die Ostkirche hat das mit dem Begriff der Vergöttlichung des Menschen beschrieben, die christologisch und pneumatologisch vermittelt wird. Wenn das Wesen Gottes in diesem intimen, gegenseitigen trinitarischen Erkennen und Erkanntwerden besteht, hebt sie die geschöpfliche Endlichkeit nicht auf und verwischt die Differenz zum Schöpfer nicht, öffnet sie aber für dessen Wirken. In diesem relationalen Sinn bedeutet Glauben (und damit das rechte Verhältnis zu Gott), sich an Gottes Treue und die Treue zum Nächsten zu binden. Identität und Persönlichkeit wird dadurch nicht ausgelöscht, sondern entsteht so erst richtig. Und auf Pilatus‘ Frage nach der Wahrheit antwortet Jesus nicht mit Worten, wohl aber mit seiner gesamten Passion und Auferstehung, in der sich Gottes Ziel für seine Schöpfung offenbart.

Identität bildet sich in Beziehungen aus und das natürliche Verlangen nach Intimität, das menschliches Erkennen antreibt, wird in und durch die Beziehung zum Geist Gottes umgestaltet, der alle Dinge erhält. In diesem Vertrauen und der bewussten Abhängigkeit von Gott wächst eine neue Identität heran (vgl. Kol 1,9f; 2,16; 3,10.16). Zweifel ist dabei nicht das Gegenteil des Glaubens, sondern häufig ein Zeichen dafür, wie sich eine Spannung entwickelt, die ein tieferes Erkennen und erkannt Werden nach sich zieht. Möglich wird dies durch die Erfahrung der Nähe und Treue Gottes. Der menschliche Geist wird so (1.) geläutert von der Neigung, andere manipulativ an sich zu binden, um so das eigene Ego als Schutzfunktion der verletzlichen Identität zu sichern und das Wagnis des Vertrauens und die eigene Angst vor Nähe und Intimität zu umgehen. Das wiederum ermöglicht eine erleuchtete Sicht auf die Welt und den Empfang einer neuen Identität, für die auch die Nähe Gottes keine Bedrohung mehr darstellt. Der menschliche Geist findet zur Ruhe in Gott und zur Einheit mit dem Geist Gottes.

Konkret verwirklicht sich diese Transformation im Gebet, das wie die Weisheit eine Intensivierung der innigen Erfahrung des Geistes darstellt. Dazu muss das Gebet die Funktion der reinen Bitte überwinden, die oft noch narzisstisch gefärbt ist, und sich auf den Schmelztiegel der Intensivierung einlassen und so von der Sorge um diesen oder jenen Gegenstand hin zur (kontemplativen) Freude am Erkennen und erkannt Werden finden. Damit wird Gebet vom isolierten Akt zur grundsätzlichen Äußerung eines andauernden Lebens im Geist.

Dieser Weg, das eigene Selbst mit Gottes versöhnender Treue zu identifizieren, verändert unsere Antwort auf die bei Evangelikalen übliche Frage: “Wie viele Menschen hast Du diese Woche zum Herrn geführt?” So erkundigt man sich in der Regel nach der Zahl der Menschen, die ein bestimmtes formelhaftes Gebet nachgesprochen haben. Aber wenn wir Gebet als ein Teilnehmen an der Treue Gottes verstehen, als eine befreiende Erfahrung, wie unsere Absichten (“intentionality”) durch die erleuchtende Gegenwart göttlichen Lebens verwandelt werden, dann werden wir diese Frage ganz anders beantworten. Eine Person zum Herrn führen heißt, sie einzuladen zu einer neuen Weise des Wollens (intending) und Umsorgtseins (being-tended-to) in ihrer Beziehung zu Gott durch Christus im Geist. In diesem Modell können wir hoffentlich die Anfrage so beantworten: “Ich habe jede Person, der ich diese Woche begegnet bin, zum Herrn geführt, nicht nur die am Rande meines Lebens, mit denen ich kurz gesprochen habe, sondern auch meine Familie und meine Mitchristen.” (S. 91/92)

Gottes Gegenwart zu praktizieren (um Bruder Lorenz‘ Formulierung zu verwenden) bedeutet, selbst treu für andere gegenwärtig zu werden. Diese Art von Weisheit ist offen für andere Menschen und andere Formen des Erkennens – also für das Lernen von Philosophie und Naturwissenschaft.

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(Blech-)kleider machen Leute

Die Urlaubszeit bringt es mit sich, dass man mehr auf Autobahnen unterwegs ist. Ich wenigstens. Man trifft dort eine Menge Leute, aber in ganz eigenartigere Perspektive. Sie sind hinter wärmeschutzverglasten Karosserien und Nummernschildern verschwunden und zu bloßen Typen geworden – diesen zum Beispiel:

“Sportliche” Audi- und BMW-Fahrer, denen in der Eile und beim Bemühen um ein gutes Stundenmittel häufig das Gefühl für eine gesunde Distanz abhanden kommt. Lassen kein Angebot zu einem kleinen Rennen aus. Praktisch nur Männer, geben das Auto auch nur ungern ihrer Frau. Deutlich häufiger in Süddeutschland anzutreffen, wo die Karossen gebaut werden. Im Unterschied dazu sind echte Sportwagenfahrer richtig gemütlich unterwegs.

Mercedesfahrer, die entweder in dieses soziale Segment fallen oder aber gemütliche Opas mit Hut sind, die mit der Oma auf dem Beifahrersitz plaudern und alle halbe Stunde mal in den Rückspiegel gucken. In beiden Fällen aber möglichst links fahren, wenn man politisch schon eher rechts wählt.

Familienkutscher mit Kombis und Vans. In der Regel friedlich, aber hin und wieder unberechenbar. Erstaunlich locker auch die echten Sportwagenfahrer.

Wohnmobilfahrer (Steigerung: Wohnwagen. Superlativ, gestern gesehen: Wohnwagen von einem Dacia Logan gezogen – darf der das überhaupt?). Sie überholen am liebsten auf zweispurigen Autobahnen bergauf einen LKW (oder ein anderes Gespann), der 60 fährt. Dazu fahren sie erst einmal bis zur Mitte der Steigung mit 60 hinterher, um dann mit 61,075 km/h während der gesamten zweiten Hälfte des Anstiegs vorbeizukrabbeln. Es muss da einen geheimen Wettbewerb geben: Wer die längste Schlange hinter sich herzieht, hat gewonnen. Oder so ähnlich.

Ältere Kleinwagen mit Einheitstempo 120. Das wird auch an Baustellen mit erlaubten 80 km/h fast unverändert durchgezogen. Lediglich bergab sind sie etwas flotter.

Dienstwagen mit und ohne Chauffeur, dunkle Prestigemarke: Fahren beim schönsten Sonnenschein noch mit Abblendlicht, um den Platzhirsch zu unterstreichen. Wenn man Blaulicht kaufen könnte, sie würden jeden Preis bezahlen. Drängeln eher dezent, weil sie schon zu viele Punkte in Flensburg haben oder weil sie gerade telefonieren.

Esjuwis. Aufgrund der hohen Bodenfreiheit blenden die Scheinwerfer den Normalautobesitzer im Rückspiegel. Sie werden überdurchschnittlich oft von Frauen gelenkt, die nie auf die Idee kämen, mit dem Gerät über das Terrain zu brettern, auf dem die Werbung es dauernd zeigt. Von daher täuscht das stämmige Äußere.

Es gibt noch viele andere: Fahranfänger mit Papis altem Wagen und der Clique auf dem Rücksitz, Oldtimerliebhaber, tieferlegte, bespoilerte und mit Chrom verzierte Allerweltskisten, die vom Rückstoß der Basskanone des Audiosystems angetrieben werden.

Nicht alle verhalten sich natürlich entsprechend der Klischees, die ihr Blechkleid vermittelt. Daneben macht das Autokennzeichen noch eine Aussage darüber, mit wem man es zu tun hat. Großstädter stehen eher im Ruf, rücksichtslos zu fahren, und in dieser Hinsicht gibt es auch ein Süd-/Nord-Gefälle mit dem Epizentrum Stuttgart, wo man keine Zeit zu verlieren hat, denn die ist bekanntlich Geld. Landeier dagegen neigen zu gewagten Überholmanövern auf unübersichtlichen Straßen. Und die Farbe: Das allgegenwärtige Silber dient eher als Tarnung, schwarz kommt außer bei Kleinwagen eher aggressiv rüber und bei lila oder türkiser Metalliclackierung sollte man genau hinsehen.

Man kann also bei einem Blick aus dem Fenster oder in den Rückspiegel schon ahnen, was da auf einen zukommt. Würde man die Leute ohne fahrbaren Untersatz sehen, wäre das vermutlich viel schwerer. Aber in dem Moment, wo einer seinen Zündschlüssel umdreht (oder den Startknopf drückt), findet eine magische Verwandlung statt. Man wird zum Exemplar einer Gattung, zum Angehörigen eines Stammes und selbst manche friedliche Natur entwickelt kriegerische Züge. Schon eigenartig…

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Todesfall in der Familie

Heute morgen verstarb unser Meerschwein Pearly, ganz friedlich und im gesegneten Alter von 7 Jahren. Sie war nicht nur ein ausgesprochen hübsches Tier, sondern auch ein geliebtes Familienmitglied, das sich gerne streicheln ließ und uns jeden Morgen fröhlich begrüßte.

Wir alle hoffen, dass Gott sich bei der Wiederbringung aller Dinge (Apg. 3,21) auch an sie erinnert. Trotzdem herrscht hier erst einmal Trauer…

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Komplimente, die nachdenklich machen (2)

Neulich auf einer Hochzeit wurde ich von einer Bekannten gefragt: “Hast Du Dir dieses Hemd selbst ausgesucht?”

Äh, klar. Wer denn sonst? Trotzdem kam ich ins Grübeln; nach einigen Tagen Bedenkzeit hier die Interpretationsmöglichkeiten des vermutlich nett gemeinten Statements:

1. “Du bist immer so schlecht gekleidet, das kann unmöglich Deine eigene Idee gewesen sein.”
2. “Wenn Du von Dir aus so ein Hemd aussuchen kannst, wer hat Deine Hemden bisher gekauft?”
3. “Ich habe Deine Sachen immer ok gefunden, aber das hier…?”
4. “Hast Du Deine(n) Modeberater(in) gewechselt?”

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Transforming Spirituality (1): Geist und Selbst

Ich habe das erste theologische Kapitel in LeRon Shults‘ Transforming Spirituality (“Reforming Pneumatology”) gelesen. Es ist sehr dicht formuliert und immer wieder verweist er auf die Darstellung seiner anderen Bücher, wenn er dort der Frage nach dem Wesen des Geistes (göttlich und menschlich) nachgeht.

Drei Bewegungen in der neueren Theologie greift er dabei auf: Die Wiederentdeckung der Unendlichkeit Gottes (dessen Geist alles erhält und umfasst), die Rückbesinnung auf das die Lehre von der Trinität (an deren Leben wir Menschen Anteil bekommen) und die Erneuerung eschatologischer Ontologie (der Ruf des Geistes hinein in die ewige Gemeinschaft mit dem unendlichen dreieinigen Gott, ein unendlicher, offener Wachstumsprozess).

Dann kommt Shults auf Kierkegaards relationale Definition von Geist zu sprechen, die so lautet:

Der Mensch ist Geist. Was aber ist Geist? Der Geist ist das Selbst. Was aber ist das Selbst? Das Selbst ist ein Verhältnis, das sich zu sich selbst verhält, oder ist da an dem Verhältnisse, dass das Verhältnis sich zu sich selbst verhält; das Selbst ist nicht das Verhältnis, sondern dass das Verhältnis sich zu sich selbst verhält.

Ein solches Verhältnis, das sich zu sich selbst verhält, ein Selbst, muss entweder sich selbst gesetzt haben, oder durch ein Anderes gesetzt sein. Ist das Verhältnis, das sich zu selbst verhält, durch ein Anderes gesetzt, so ist das Verhältnis freilich das Dritte, aber dies Verhältnis, dies Dritte, ist dann doch wiederum ein Verhältnis, verhält sich zu demjenigen, welches das ganze Verhältnis gesetzt hat. Ein solches abgeleitetes, gesetztes Verhältnis ist des Menschen Selbst, ein Verhältnis, das sich zu sich selbst verhält, und, indem es sich zu sich selbst verhält, zu einem Anderen sich verhält. (Hier gefunden)

Der Geist hat eine zweifache Richtung, die der Selbstorganisation und der Beziehung nach außen, und er erinnert sich der Vergangenheit ebenso, wie er die Zukunft erwartet. Auch hier bewegt sich das lebendige Bewusstsein dialektisch nach zwei Richtungen. Selbstbewusstsein erwächst aus der Spannung zwischen dem Selbst und dem anderen und führt zu einer Intensivierung und Differenzierung des Selbst, das zugleich eine innigere Beziehung zum anderen und insbesondere zu Gott entwickelt.

Der menschliche Geist sehnt sich nach Wahrheit, Güte und Schönheit. Shults macht das zum organisierenden Prinzip seiner Darstellung, das sieht dann so aus:

Shults-Tabellen

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Wer zuletzt lacht…

Tina Hildebrandt von der Zeit (ist die mit Dieter H. verwandt…?) macht sich Gedanken darüber, dass die Kanzlerin beim Berufsstand der politischen Spaßmacher für “akutes Scherzversagen” sorgt – spätestens seit die alte Frisur weg war. Die meistens haben es aufgegeben, sich über sie lustig zu machen und trauern Kohl und Schröder nach. Dabei ist sie selbst, nach allem, was man so hört, ganz schön gewitzt:

Die Freude an der versteckten Pointe, die Fähigkeit zur Analyse, die auch das nicht Gesagte, den Subtext einer Situation erkennt, das zeichnet Merkel aus. Dass sie die anderen besser einschätzen konnte als die sie, ist einer der Hauptgründe für ihre Karriere. Während die anderen noch zusammenstehen und planen, hat Merkel sich schon auf den Weg gemacht. Neben ihr wirken ihre männlichen Mitbewerber, allen voran der vortreffliche Edmund Stoiber, immer ein wenig wie Mr. Stringer neben Miss Marple, übereifrige Assistenten, die sich überschlagen, um alles richtig zu machen, und nicht merken, dass der etwas schrullige Blaustrumpf an ihrer Seite den Fall längst gelöst hat. Ganz leise.

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Deprimierend

Und ich dachte immer, das sind die Guten – im ethischen Sinne wie was die Kompetenz betrifft. Das Gegenteil beschreibt ein Bericht im SZ-Magazin: der Kosovo verkommt unter UNO-Verwaltung. Der Wiederaufbau scheitert an der Unfähigkeit und Feigheit des multinationalen Personals. Hier ein kleiner Auszug:

Ein Polizeiapparat, der sich aus 44 Staaten rekrutiert, die zur Hälfte halb-demokratische Staaten und zur Hälfte Diktaturen sind; in dem die eine Hälfte nicht versteht, was die andere sagt; in dem die eine Hälfte nicht mal richtige Polizisten sind – wer glaubt ernsthaft, dass diese Leute nun das eigene Leben riskieren, um für Recht und Ordnung zu sorgen? Natürlich haben sie tatenlos zugesehen, wie Mafiabanden erst die Institutionen im Kosovo unterwanderten und dann die UN-Mission. Heute betreibt diese Kosovo-Mafia Heroinhandel und Prostitution in ganz Europa.

Hier die ausführliche Version auf Englisch. Passend dazu: Die Zeit zitiert Frankreichs Außenminister, der den Kosovo als Modell für den Wiederaufbau des Irak anführt:

… Kouchner betonte, Frankreich habe zwar Recht gehabt, als es sich der “miserabel geplanten” Invasion der USA und Großbritanniens widersetzte. Doch fügte er hinzu, die “internationale Gemeinschaft” hätte das irakische Problem anpacken sollen wo wie sie es im Kosovo getan hatte.

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Navigation

Letzte Woche saß ich an einer Predigt über Jeremia 29,11 und las zufällig auf The Ooze einen Post von Sonja Andrews, die auch fragte, wie man sich Gottes “Plan” vorzustellen hatte. Luther übersetzt bei Jeremia ja zum Glück “Gedanken”, das klingt schon offener.

Manch einer stellt sich Gottes Plan aber so vor wie ein Routenplaner aus dem Internet. Der hilft genau so lange, wie man sich penibel an ihn hält. Ist man einmal falsch abgebogen, kann man nur wieder zurück zum letzten bekannten Punkt. Sofern man den wieder findet…

Der Heilige Geist ist andererseits aber auch kein Navigationssystem, das uns vor jeder einzelnen Abzweigung idiotensicher anquatscht. Oft genug sind Gottes Richtungsangaben vage und grob – wozu schließlich hat er uns einen eigenen Kopf gegeben. Manchmal haben wir das Gefühl, viel zu wenig Anhaltspunkte zu bekommen. Ähnlich wie Harry Potter, der an den wenigen Anweisungen seines Meisters Dumbledore immer wieder einmal zu verzweifeln droht.

Dscf2559Gottes Weg ist kein schmaler Grat, wo man bei jedem Schritt vom Absturz bedroht ist und ein einziger Fehltritt das Leben kostet. Er ist sicher nicht einfach zu gehen und man kann ihn leicht verfehlen, wenn man immer dem Herdentrieb folgt. Das hat Jesus, denke ich, mit dem Bildwort vom breiten und schmalen Weg sagen wollen. Aber wenn wir einmal falsch abbiegen, findet er uns und begleitet uns zum Ziel.

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Kling, Glöckchen

Bamberg, gestern nachmittag bei strahlendem Sonnenschein – Weltkulturerbe: Klein Venedig und die Krypta des Kaiserdoms.

Ich komme ja aus einer Fahrradstadt, aber ich bin noch nie so oft angeklingelt worden wie in Bamberg. Jeder Radfahrer, der einen passiert, scheint zu klingeln. Sogar bevor sie um eine Ecke biegen, klingeln die Pedalritter dort.

Hier klingelt so gut wie keiner, sondern man nimmt Maß und fährt vorbei. Erstens würde das Dauergbimmel stören, zweitens weichen meiner Erfahrung nach Fußgänger vor Schreck immer nach der falschen Seite aus, sprich: Sie laufen Dir ins Rad.

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Transformation: Eine doppelte Perspektive

Neben Pascal Mercier habe ich angefangen, “Transforming Spirituality: Integrating Theology and Psychology” (F. Leron Shults, Steven J. Sandage) zu lesen. Der Titel erinnert wohl nicht ganz zufällig an Transforming Missions von David Bosch. Sie fragen danach, wie Menschen tief greifende Veränderung erleben und was diese hervorruft. Gesellschaftstransformation ist dabei von Anfang an mit im Blick. Vielleicht erlaubt der stereoskopische Ansatz ja eine größere Tiefenschärfe als sie manch anderes Werk bietet:

Hier schreiben ein Theologe und ein Psychologe über Spiritualität und die Einleitung weckt schon einiges an Erwartungen. Zu meiner großen (positiven) Überraschung haben die beiden das Wachstumsmodell des Sexualtherapeuten David Schnarch adaptiert und setzen es in Beziehung zu klassischen Modellen mittelalterlicher Mystik (Läuterung – Erleuchtung – Einswerden) die so von ihrer Konzentration auf die Innerlichkeit und anderen problematischen Aspekten etwas gelöst werden. Demnächst mehr.

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Ziemlich dreist

Eben rief Kabel Deutschland an, man habe mir ein Paket mit einem Gerät zugeschickt. Ich merkte an, keines bestellt zu haben und bekam zu hören, man habe mich letzte Woche telefonisch nicht erreichen können. Das Paket sei aber schon unterwegs. Es sei ja ein Retourenschein dabei und ich sei ja Bestandskunde.

Das könnte sich nun allerdings ändern!

Verärgert legte ich auf, ohne mir den Werbesermon weiter anzuhören. Martina meinte, man dürfe Dinge behalten, die einem ungefragt zugesandt würden, wollte das Paket dann aber doch nicht annehmen, wenn es kommt (vielleicht war das ja auch nur eine taktische Lüge des Verkäufers, wir werden sehen).

Die Jungs dagegen waren entzückt von der Idee, den Kram einfach zu behalten. Ich habe etwas recherchiert und hier § 241a BGB entdeckt:

Durch die Lieferung unbestellter Sachen oder durch die Erbringung unbestellter sonstiger Leistungen durch einen Unternehmer an einen Verbraucher wird ein Anspruch gegen diesen nicht begründet.

Jetzt warten wir mal ab. Bei der IHK Nürnberg kann man Abmahnungen gegen unerwünschte Werbung veranlassen, und da steht nun Folgendes zum Thema:

Die Zusendung unbestellter Waren oder die Erbringung nicht bestellter Dienstleistungen ist grundsätzlich unzulässig. Eine Ausnahme besteht, wenn sich der Empfänger mit der Zusendung ausdrücklich oder stillschweigend einverstanden erklärt hat. Eine mutmaßliche Einwilligung liegt beispielsweise bei laufenden Geschäftsbeziehungen vor.

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Wahr-Nehmungen

Urlaub heißt bei diesem Wetter (und mit einem Kranken in der Familie): Lesen. Verreisen in der Phantasie und dabei spannende Entdeckungen zu machen. Zum Beispiel in diesem Roman, den ich längst schon lesen wollte:

Menschen sieht man nicht wie Häuser, Bäume und Sterne. Man sieht sie in der Erwartung, ihnen in einer bestimmten Weise begegnen zu können und sie dadurch zu einem Stück des eigenen Inneren zu machen. Die Einbildungskraft schneidet sie zurecht, damit sie zu den eigenen Wünschen und Hoffnungen passen, aber auch so, dass sich an ihnen die eigenen Ängste und Vorurteile bestätigen können. Wir gelangen nicht einmal sicher und unvoreingenommen bis zu den äußeren Konturen eines Anderen. Unterwegs wird der Blick abgelenkt und getrübt von all den Wünschen und Phantasmen, die uns zu dem besonderen, unverwechselbaren Menschen machen, der wir sind.


“Nachtzug nach Lissabon.” (Pascal Mercier)

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