Transforming Spirituality (1): Geist und Selbst

Ich habe das erste theologische Kapitel in LeRon Shults‘ Transforming Spirituality (“Reforming Pneumatology”) gelesen. Es ist sehr dicht formuliert und immer wieder verweist er auf die Darstellung seiner anderen Bücher, wenn er dort der Frage nach dem Wesen des Geistes (göttlich und menschlich) nachgeht.

Drei Bewegungen in der neueren Theologie greift er dabei auf: Die Wiederentdeckung der Unendlichkeit Gottes (dessen Geist alles erhält und umfasst), die Rückbesinnung auf das die Lehre von der Trinität (an deren Leben wir Menschen Anteil bekommen) und die Erneuerung eschatologischer Ontologie (der Ruf des Geistes hinein in die ewige Gemeinschaft mit dem unendlichen dreieinigen Gott, ein unendlicher, offener Wachstumsprozess).

Dann kommt Shults auf Kierkegaards relationale Definition von Geist zu sprechen, die so lautet:

Der Mensch ist Geist. Was aber ist Geist? Der Geist ist das Selbst. Was aber ist das Selbst? Das Selbst ist ein Verhältnis, das sich zu sich selbst verhält, oder ist da an dem Verhältnisse, dass das Verhältnis sich zu sich selbst verhält; das Selbst ist nicht das Verhältnis, sondern dass das Verhältnis sich zu sich selbst verhält.

Ein solches Verhältnis, das sich zu sich selbst verhält, ein Selbst, muss entweder sich selbst gesetzt haben, oder durch ein Anderes gesetzt sein. Ist das Verhältnis, das sich zu selbst verhält, durch ein Anderes gesetzt, so ist das Verhältnis freilich das Dritte, aber dies Verhältnis, dies Dritte, ist dann doch wiederum ein Verhältnis, verhält sich zu demjenigen, welches das ganze Verhältnis gesetzt hat. Ein solches abgeleitetes, gesetztes Verhältnis ist des Menschen Selbst, ein Verhältnis, das sich zu sich selbst verhält, und, indem es sich zu sich selbst verhält, zu einem Anderen sich verhält. (Hier gefunden)

Der Geist hat eine zweifache Richtung, die der Selbstorganisation und der Beziehung nach außen, und er erinnert sich der Vergangenheit ebenso, wie er die Zukunft erwartet. Auch hier bewegt sich das lebendige Bewusstsein dialektisch nach zwei Richtungen. Selbstbewusstsein erwächst aus der Spannung zwischen dem Selbst und dem anderen und führt zu einer Intensivierung und Differenzierung des Selbst, das zugleich eine innigere Beziehung zum anderen und insbesondere zu Gott entwickelt.

Der menschliche Geist sehnt sich nach Wahrheit, Güte und Schönheit. Shults macht das zum organisierenden Prinzip seiner Darstellung, das sieht dann so aus:

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4 Antworten auf „Transforming Spirituality (1): Geist und Selbst“

  1. Also das Kierkegaardzitat ist für mich schon lange ein absoluter Schlüsseltext für das Verständnis menschlicher Existenz. Was ich nicht ganz nachvollziehen kann (aber das kann an der Kürze der Darstellung liegen), ist LeRons Interpretation davon. Meinem Verständnis nach, kann man mit Kierkegaard gerade nicht mehr das Verhältnis zu sich selbst (hier Selbstorganisation genannt, wobei der Terminus auch noch aus der Kybernetik stammt und erstmal ganz anderes anklingen läßt) und das Verhältnis zu anderen und anderem (Verhältnis nach außen) strikt voneinander trennen. Die Pointe ist ja gerade, dass ich nicht einfach ‚bin‘, sondern, dass ich ein Verhältnis bin, das sich zu sich selbst verhält. Ein jegliches Verhalten nach Außen, d.h. in Bezug auf andere und anderes ist daher immer zugleich auch ein Verhalten zu sich selbst und vice versa.
    Aber vielleicht hab ich auch einfach LeRons Punkt nicht verstanden. Vielen Dank jedenfalls für den Beitrag, bin gespannt auf mehr…

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