Die „Verweiblichung“ der Gemeinde(n) und des geistlichen Amtes wird ja gelegentlich von großspurigen Machopredigern beklagt, die als Gegenmittel dann so „männliche“ Verhaltensweisen wie die Faszination von Waffen und Gewalt, PS-Protzerei oder eine (auch in der kavalierhaften Form) herablassende Haltung gegenüber Schwachen empfehlen – und natürlich mehr Zurückhaltung von Frauen in der Öffentlichkeit.
Sie sind anscheinend in guter biblischer Gesellschaft – schon Mose beklagt sich bei Gott, dass der ihm offenbar die Mutterrolle zumutet, und will dann (ist auch das typisch Mann?) gleich lieber sterben als weitermachen:
Warum hast du deinen Knecht so schlecht behandelt und warum habe ich nicht deine Gnade gefunden, dass du mir die Last mit diesem ganzen Volk auferlegst? Habe denn ich dieses ganze Volk in meinem Schoß getragen oder habe ich es geboren, dass du zu mir sagen kannst: Nimm es an deine Brust, wie der Wärter den Säugling, und trag es in das Land, das ich seinen Vätern mit einem Eid zugesichert habe? (Num 11:11f.)
Aber vermutlich hat sich Mose nicht darüber beklagt, dass das Bemuttern der Israeliten „Frauenkram“ und damit „unmännlich“ war, sondern es war ihm schlicht zu anstrengend. Andere biblische Charaktere haben gar keine Angst vor der vermeintlichen Geschlechterverwirrung. Jesus zum Beispiel kann in Lukas 13,34 sagen:
Jerusalem, Jerusalem, … Wie oft wollte ich deine Kinder um mich sammeln, so wie eine Henne ihre Küken unter ihre Flügel nimmt; aber ihr habt nicht gewollt.
Paulus schließlich spricht von sich als einer Mutter, die wegen der begriffsstutzigen Galater (4,17) erneut Geburtswehen erleidet, und schreibt an die Thessalonicher (2,7f.):
… wir sind euch freundlich begegnet: Wie eine Mutter für ihre Kinder sorgt, so waren wir euch zugetan und wollten euch nicht nur am Evangelium Gottes teilhaben lassen, sondern auch an unserem eigenen Leben.
Falls also mal wieder jemand fürchtet, er käme nicht „männlich“ genug (tough, dominant, rau, zupackend – was auch immer das bedeuten soll…) daher: Hier sind ein paar vorbildliche Leidensgenossen, du bist also in allerbester Gesellschaft. Die eine Lektion, die es jetzt noch zu lernen gibt, ist die, dass du dich deiner Männlichkeit nicht ständig vergewissern und sie demonstrativ zur Schau stellen musst, sondern einfach du selbst sein kannst. Und dass dir kein Zacken aus der Manneskrone fällt, wenn du dich mal einfühlsam und fürsorglich verhältst.
Wenn ich 2.Johannes lese, dann kann ich mir gut vorstellen, wie der Schreiber innerlich gefeixt haben mag, wenn er die Adressatin mit meine „Herrin“ anredete. Das hat doch was von innerer Größe und Selbstironie und hat gar nichts mit Selbstunterwerfung zu tun. Welchen Gendefekt tragen denn die Machos, die ihr Gehabe auch noch biblisch begründen wollen? Wäre eine interessante Doktorarbeit…. (kann man auch nirgends abschreiben).
Kein Plädoyer für falsch verstandene Männlichkeit! Aber: Die „Verweiblichung“ von Gemeinden (nicht dagegen die des geistlichen Amts) entdecke ich tatsächlich an verschiedenen Stellen. Es gibt nicht wenige Dörfer, in denen Männer diesseits der 70 prinzipiell nicht in den Gottesdienst gehen. Und das ist ein gewaltiges Problem …
Ja, das ist schon ein Problem. Und sicher kein neues!