Sünden-Suche

IMG_1683Manchmal wird behauptet, man solle oder dürfe über das Thema Sünde heute nicht mehr reden. „Sollte nicht“, weil es säkulare Menschen verprellt, sagen die Modernisierer – „darf nicht“ weil die biblische Botschaft in unserer Spaßgesellschaft totgeschwiegen wird, argwöhnt dagegen die „Schluss-mit-Lustig“-Fraktion.

Weiter als diese Scheinalternative bringt uns, denke ich, die Frage, wie dieser theologische Begriff in unserer weitgehend säkularen Welt erscheint und gehört wird.

Dazu habe ich das Schlagwort bei einem großen Internet-Buchhandel eingegeben. Zur Trefferliste werden dort die Kategorien angezeigt, und ganz oben auf der Liste standen „Krimis und Thriller“, „Kochen und Genießen“ und „Liebesromane“. Die inzwischen tausendfach variierte Frage von Zarah Leander, ob Liebe denn Sünde sein könne, ist so betrachtet klar mit „ja“ beantwortet – erst die „sündige“ Liebe ist die eigentlich interessante. Zugleich wird deutlich, wie langweilig aus dieser Perspektive das Leben ohne Sinnlichkeit und den Reiz des Verbotenen wäre.

Die mit Abstand meisten Treffer jedoch waren weiter unten bei „Religion und Glaube“ einsortiert. Bei religiösen Menschen hat das Thema also einen höheren Stellenwert und ist Gegenstand ernsthafter, freilich nicht immer gelungener Auseinandersetzung. Man kann aber schon ahnen, warum man hier ganz schnell aneinander vorbei redet.

„Sünde“ ist ein altertümliches deutsches Wort, mit dem man vor Jahrhunderten den griechischen Begriff hamartia übersetzt hat. Seither haben sich die Wortfelder im deutschen wie tektonische Platten im Zeitrafferfilm munter verschoben. Vielleicht wäre ein erster Schritt zu gelingender Kommunikation, zu prüfen, welche heutigen Begriffe dafür vielleicht passender erscheinen und es ermöglichen, über den Sachverhalt verständlicher zu reden. Freilich werden manche auch das schon als Feigheit (das Schlüsselwort hier heißt „politisch korrekt“) werten, dass man die Frage nach einer angemessenen Terminologie überhaupt stellt, statt darauf zu beharren, dass die Welt den eigenen Jargon übernimmt.

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3 Antworten auf „Sünden-Suche“

  1. Ja, wie kann man SÜNDE übersetzen? Gute Frage!
    Ein paar (fragmentarische) Versuche:

    ENTFREMDUNG. Das trifft es glaube ich ganz gut, ist aber auch sehr klassisch und recht 70er-Jahre-mäßig…

    Sünde soll ja von Sund kommen (wobei ich das im Herkunfts-Duden so nicht gefunden habe), es geht also um Trennung. Deshalb wäre UNVERBUNDENHEIT oder ABGESCHNITTENSEIN ganz passend. Klingt aber etwas akademisch.

    Was die individuelle Dimension hervorhebt, ohne all zu sehr den moralischen (Holz-)Weg einzuschlägen wäre wohl FALSCHES SELBST oder einfach EGO. Aber diese Begriffe sind in ihrer Verwendung recht voraussetzungsreich (oder?).

    Wie wäre es, wenn man bei einem alten deutschen Wort bleibt, das aber nicht so moralisch aufgeladen ist wie Sünde, trotzdem die „Irrung“ betont? Das wäre für mich TRUG. Das gefällt mir eigentlich ganz gut.

    Ob das hilft?

  2. … „das Ziel verfehlen“ ist eine Übertragung, die ich ganz hilfreich finde. Vor allem auch deshalb, weil die moralische Aufladung fehlt. Der Bogen ist so weit gesteckt, dass alle, die unter (m)einer Zielverfehlung zu leiden haben, darunter Platz finden: die Menschen, Beziehungen, ich selbst, die ganze Schöpfung (Natur) – und natürlich auch Gott.

    Wenn ich an die Rahmengeschichte der Bibel denke (Schöpfung und schließlich die Neuschöpfung), dann kann ich mir auch eine Definition in folgende Richtung vorstellen: Alles, was das von Gott geschenkte Leben unterbindet und kaputt macht, das ist Sünde.

    Spannend an dieser Sichtweise finde ich, dass das Verständnis von einem Sündenkonto, das in wie auch immer gearteten religiösen Akten immer wieder auf Null heruntergefahren wird, nicht funktioniert. Wenn ich z. B. der westlichen Welt angehöre, die auf Kosten der restlichen Welt lebt, dann tue ich das permanent und wahrscheinlich ohne Aussicht darauf, dass das jemals ganz „bereinigt“ sein wird.
    So gesehen kann doch Gottes Interesse nicht darin bestehen, uns Menschen mit dem Thema Sünde zu gängeln und es immer wieder als ultimatives Erniedrigungsargument gegen uns zu verwenden (was für manche Theologien ja zentral wichtig ist). Vielmehr wird sein Umgang mit unserer Sünde darin bestehen, uns auf den Wegen (zurück) in das Leben zu begleiten.

  3. … wichtig finde ich, dass wir vor allem nach dynamischen Verben suchen, nicht nach statisch-abstrakten Substantiven. Vielleicht liegt da ein Problem vom Wort „Sünde“ …

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