Identifikation und die Uhr

Letzten Sonntag haben wir von allen Gottesdienstbesuchern am Eingang Fotos gemacht. Das Thema war “Identifikation” und nach der Predigt konnten alle ihr inzwischen ausgedrucktes Bild auf eine Moderationswand kleben, in Form eines großen “wir” – das ist nämlich das Wort, mit dem man verrät, dass man sich mit anderen identifiziert.

Amüsiert und verblüfft hat mich dabei jedoch, dass 80% der Leute argwöhnten, wir würden eine Pünktlichkeitskontrolle durchführen (quasi die Identifikation der Spätankömmlinge) und womöglich die Fotos über den Beamer flimmern lassen. Einige haben sich sogar versteckt, bis wir weg waren, und sind dann mit 25 Minuten Verspätung in den Saal gekommen. So viel schlechtes Gewissen ist mir noch nie auf einem Haufen begegnet!

Aber wo wir nun schon dabei sind:

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Normalerweise bin ich jemand, der mit seiner Uhr lebt und die Zeit im Blick hat. Das muss nicht bedeuten, immer gehetzt zu sein. Trotzdem: Ich hasse es, unpünktlich zu sein. Zwei bis drei Minuten hin oder her sind in Ordnung, aber alles darüber hinaus ist mir unangenehm. Nicht immer leicht, wenn man mit der Familie irgendwo hin will, da habe ich schon gelernt, Abstriche zu machen.

Pünktlichkeit ist auch eine Form von Respekt. Mag sein, dass mancher es positiv als Zwanglosigkeit empfindet, wenn er keine Rücksicht auf die Uhr nimmt, und damit ausdrückt, dass er zur Familie oder zum engsten Freundeskreis gehört, wo solch formale Dinge anscheinend keine so große Rolle mehr spielen.

Nur: Wenn man die fragt, die sich viel Mühe gegeben haben, einen solchen Gottesdienst vorzubereiten und lange vor Beginn schon da waren, dann ist eines deutlich: Diese Botschaft kommt nicht an. Sondern die: Meine Zeit ist wichtiger als deine. Hauptsache, ich habe es bequem.

Die Versuchung reckt ihr hässliches Haupt: Vielleicht sollte ich mir das mit den Bildern doch noch mal überlegen? Die Zeiten sind ja mit abgespeichert…

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Eine Antwort auf „Identifikation und die Uhr“

  1. Autsch. Du hast recht, letztlich nehm ich den anderen nicht so wichtig. Und – so meine Beobachtung – die Verspätung steigt mit der räumlichen Nähe. Eine alte Freundin wohnte direkt gegenüber der Kirche und kam grundsätzlich als letztes zum Gottesdienst. Was mich daran denken lässt, dass ich zu Fuss ja immerhin 5 Minuten zur Kirche benötige und mit dem Auto keine 2 Minuten… Hmm…

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