Eine Frage der Rhetorik?

Deutschland im September 2009: Der Rat der EKD hat sich gegen eine pauschale Verurteilung evangelikaler Christen und gegen Vergleiche mit islamischen Fundamentalisten ausgesprochen. Anlass war ein Beitrag des ZDF-Magazins Frontal 21 mit dem Titel „Sterben für Jesus – Missionieren als Abenteuer“ vom 4. August. Evangelikale fühlen sich diffamiert, und diesmal – das findet auch die EKD – ist es vielleicht doch mehr als der übliche fromme Verfolgungskomplex, der eher der Immunisierung gegen Kritik von außen dient.

Gleichzeitig habe ich im Urlaub mitbekommen, wie anders Evangelikale in Großbritannien gesellschaftlich verankert sind. Der theologische Referent der Evangelical Alliance und ihr Generaldirektor waren beide innerhalb einer Woche in verschiedenen Live-Sendungen der BBC zu sehen. Wenn Evangelikale hierzulande nun in manchen Fällen tatsächlich Opfer unfairer Berichterstattung sind, dann ist das vielleicht auch dadurch begünstigt worden, dass man sich in der Öffentlichkeit ungeschickt positioniert bzw. dass an vielen Stellen an der Basis tatsächlich problematische Positionen in einer noch problematischeren Sprache vertreten werden.

Eine spannende Frage ist dabei ja auch, warum der Dalai Lama Homosexualität als unnatürlich beschreiben darf, ohne eine Proteststurm hervorzurufen. Mein Verdacht ist, dass der Einsatz des Dalai Lama für den Frieden ebenso eine Rolle dabei spielt (die wenigsten Evangelikalen sind grundsätzliche Verfechter der Gewaltfreiheit) wie vor allem auch die Tatsache, dass er grundsätzlich mit dem Pluralismus unserer Gesellschaft deutlich weniger auf Kriegsfuß zu stehen scheint als konservative Christen, die in Deutschland leider allzu oft noch eine Rhetorik pflegen, die den eigenen Standpunkt absolut zu setzen scheint. Die Herzenshaltung dahinter mag – zum Teil jedenfalls – ganz anders sein, aber sie bleibt verborgen.

Was mich an all dem beunruhigt: Kann es sein, dass sich die Mahnung Jesu „richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet“ hier auf eine unerwartet konkrete Weise erfüllt… ?

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18 Antworten auf „Eine Frage der Rhetorik?“

  1. Danke für diesen Artikel, Peter. Finde es gut, dass Du das Thema „richten“ ansprichst. Eben weil wir überzeugt sind, Wahrheit erkannt zu haben, stehen wir umso mehr in der Gefahr, in diese Falle zu rutschen. Muß Jesus irgendwie vorausgesehen haben.

    Auch Dein Beispiel mit dem Dalai Lame ist sehr treffend. Immer wieder betonen wir, daß wir die beste Botschaft haben. Ich denke, das bräuchten wir nicht so zu betonen, wenn die Freiheit des Evangeliums und die Liebe Jesu zu allen (!) Menschen uns aus allen Knopflöchern leuchten würde. Das Beispiel Dalai Lama läßt ahnen: hätten wir ein wirkliches Profil, positiv, geprägt von diesen Werten, dann könnten wir auf der anderen Seite auch eher mal Klartext reden. Und aufrecht und fröhlich dazu stehen.

    Andreas

  2. Das erinnert mich an einen Artikel, den ich vor einigen Jahren im (wohl deutlich evangelikalen) Medienmagazin „Pro“ gelesen habe.

    Thematisiert und beklagt wurde die Außenwahrnehmung von Christen in der Gesellschaft. Sie würden zu Unrecht als fundamentalistisch eingestuft. Als Begründung, warum diese Wahrnehmung falsch ist, kam das Argument: Die Bibel lehrt doch eindeutig die Liebe.

    Ich finde, ein schönes Beispiel, wie sich die Katze theologisch in den Schwanz beißen kann. Und wie eine vorgefertigte Denkschablone nach dem Motto „Hauptsache unsere Dogmatik passt“ einen unfähig macht, ein Problem in seinem Kern überhaupt zu fassen.

    So lange sich diese Selbstwahrnehmung nicht ändert, wird sich auch die Sprache nach außen und damit die Fremdwahrnehmung nicht ändern. Und das ist an dieser Stelle auch gut so.

    Anders herum: Wenn ich mich wirklich für die Menschen/die Gesellschaft interessiere, wird sich meine Einstellung ändern und damit auch meine Sprache. Ganz sicher werden auch diese anderen Botschaften nicht immer gefallen. Aber das Missfallen hat dann ganz sicher andere Gründe. Dann geht der Streit nicht mehr um Dogmatik, sondern um ganz konkrete Dinge, die alle betreffen, seien es Missstände, Lösungsvorschläge oder gekränkte Machtinteressen.

  3. Ich glaube nicht das es daran liegt das der Dalai Lama so „friedlich“ tut (schau mal nach
    Tiebet…). Es ist einfach so das bei Christen viel schneller kritisiert wird…

  4. @ Johannes (2): das ist genau mein Problem. so lange man den Fehler bei den anderen sucht, lernt man nichts dazu. Ich denke auch nicht , dass der Dalai Lama nur friedlich tut, er scheint mir schon aufrichtig.

  5. Der Punkt beim Dalai Lama ist: Kein Europäer hat mit ihm schlechte Erfahrungen gemacht. Deshalb kann er sagen was er will – solange man selbst nicht davon negativ betroffen ist, kann man immer zustimmen. Er hat einem ja auch noch nie wehgetan.

    Mit den Christen ist es im christlichen Abendland umgekehrt: Viele Menschen – auch viele Schwule – haben schon schlechte Erfahrungen mit Christen gemacht (ob die wahrgenommene schlechte Erfahrung nun berechtigt war oder nicht, ist eine andere Frage). Selbst wenn sich ab heute nie wieder ein Christ ablehnend zu praktizierter Homosexualität äußern würde – es gibt eine historische Kerbe, und in die hauen alle Äußerungen rein, egal ob sie stimmen oder nicht.

    Der Dalai Lama hat diese Kerbe nicht – zumindest nicht hier im Westen.

  6. @Peter, erstens, es hat nichts damit zu tun bei anderen Fehler zur suchen, ich weiß genau das JEDER Mensch zig Fehler macht… aber man darf immer noch das falsch nennen was die Bibel falsch nimmt – wie es aufgefasst wird ist was anderes…
    zweitens, versuche mir nicht so ein Unsinn über den Dalai Lama zu erzählen. Ich kenne Berichte(u.a von Stern) wie es dort zugeht und in was der Dalai Lama verwickelt ist…. wenn man das ließt kann man über die naive Haltung von vielen in Europa nur den Kopf schütteln. Ist doch klar das er sich nach außen friedlich gibt, er hat doch auch politische Ziele….
    @Pixelpastor
    Ich weiß schon das es oft mit Vorurteilen zu tun hat, Übrigens warum sollte man Homosexualität nicht verurteilen dürfen – die Bibel macht es auch und zwar deutlich… Dies Menschen müssen auch das vertragen, oder soll jeder mit allen Meinungen übereinstimmen und andere Dinge nie kritisieren… – klar es kommt auf den Ton an…

    1. @ Johannes: Wenn Menschen zig Fehler machen, könnte es vielleicht, vielleicht, vielleicht sein, dass sie sich auch darin irren, wie sie die Bibel lesen und auslegen…?

  7. Es besteht kein Zweifel darin das Menschen sich irren können…
    Aber Gott hat uns einen Kopf gegeben mit dem wir logisch denken können und auch verstehen können was ein Satz sagt. Und wenn etwas schwarz auf weiß steht (z.B du sollst nicht töten) dann kann jeder es verstehen- aber ich sehe die Gefahr das man Aussagen von Gott so drehen und biegen will das sie in einem sein eigenen Willen passen und nicht mehr Gottes Wille sind… ich fände es etwas komisch wenn man so mit der Bibel vorgehen sollte – die Bibel sollte man lesen wie sie geschrieben wurde – und sich von dabei leiten lassen…
    soweit so gut 😉

  8. Gutes Beispiel, Johannes. Das schwarz auf weiß und kategorisch wörtlich zu nehmen bedeutet dann auch, Soldaten sind Mörder … ?

  9. Auf keinen Fall, Gott ist Leben und töten ist nicht was Gott will. Jeder Mensch hat das Recht auf Leben und Gott entscheidet wie lange er es uns gewährt…
    Ich weiß zwar das Gott Todesstrafen im Alten Testament befohlen hat
    1 Mose 9,6 „Wer Menschenblut vergießt, dessen Blut soll auch durch Menschen vergossen werden; denn Gott hat den Menschen zu seinem Bilde gemacht.“
    Aber das hat nichts mit dem Morden, Angriffskriegen, etc. zu tun…..

  10. Gute Frage…hat zum Glück nichts mit meinem Glauben zu tun ;)…
    Ach war es richtig das die Amerikaner nach dem Krieg in Deutschland stationiert waren? (Hat nichts mit meiner Politischen Einstellung zu tun 😉 )

  11. 😉
    Ich bin der Meinung das Krieg immer falsch ist… Unsere Welt spielt verrückt und die stationierte Isaf-Truppe ist in einer prekären Situation…Um auf deine Frage einzugehen – ich könnte es nicht mit meinem Gewissen vereinbaren dort auf jemand zu schießen, aber ich bin Christ und sowieso gegen Krieg.

    Die Frage ist eher was menschlich gesehen besser ist Taliban (hinterlässt furchtbare Spuren) oder Bundeswehr….sollte man zulassen, dass dieses Regime wieder über die armen Zivilisten herfällt?

    Aber das ist eigentlich ein anderes Thema.

    Anmerkung: Warum veränderst du im Nachhinein deine Kommentare? Dein Kommentar vom 10. Sep 2009 um 18:52 war ursprünglich:
    „Gutes Beispiel, Johannes. Denkst Du also, dass man unter gar keinen Umständen töten darf, oder gibt es Umstände, unter denen das, was da schwarz auf weiß steht, vielleicht anders gehört und verstanden werden muss?“
    und jetzt steht da:
    „Gutes Beispiel, Johannes. Das schwarz auf weiß und kategorisch wörtlich zu nehmen bedeutet dann auch, Soldaten sind Mörder … ?“
    Willst du mir irgendwelche Aussagen anhängen und meine Worte damit total verdrehen (Hab mir auch ein Screenshot angelegt ;))? So entstellst du zumindest meine Antwort darauf aufs äußerste….
    War bestimmt ausversehen, gell 😉

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