Ein neues Wir-Gefühl

In letzter Zeit habe ich öfter mit den Tieren im Garten gesprochen. Den Eichhörnchen, die sich bis auf zwei Meter herangewagt haben. Den Meisen, Amseln und Rokehlchen. Den cleveren Krähen, die draußen Nüsse knacken, indem sie sie auf den Asphalt meiner Straße fallen lassen. Ich weiß schon, dass sie den Inhalt meiner Worte nicht verstehen. Aber vielleicht verstehen sie ja, dass ich mit ihnen rede: Dass sie für mich ein Gegenüber sind, auch wenn sie keine Haustiere sind, bei denen wir das alle tun.

Diese Woche kam ich an einem Baum vorbei, dem jemand ein Schild umgehängt hatte. Darauf steht: „Ich mach Dir Luft.“ Ich fand es schön, dass hier „Ich“ und „Dir“ stand und nicht: „Bäume produzieren Sauerstoff“ oder etwas ähnlich Objektivierend-Belehrendes.

Mit dem Baum habe ich kein Gespräch angefangen, aber ich habe ihn als Verbündeten und Verbundenen wahrgenommen. So ähnlich wird das gerade auch im Weltklimabericht thematisiert, der leider im Kriegsgetöse ziemlich untergeht: Wir Menschen müssen mit allen Lebewesen auf dem Planeten an einem Strang ziehen, um den Kollaps und das Massensterben abzuwenden und gut Lebensverhältnisse für alle zu schaffen. 

Im Essay von Volker Demuth über Landscape Writing, Poesie und Ökologie lese ich vom Einüben einer neuen Perspektive: „Weltwahrnehmung und Weltbewahrung hängen aufs Engste zusammen. Was mir nicht nahegeht, geht mich nichts an. Was mich nicht berührt, kann leicht von mir weggeschoben werden. In andere Kontinente, in die Zukunft, irgendwohin.“

Natürlich: Die Bäume und Tiere werden uns nicht sagen, was zu tun ist. Aber mit ihnen zu reden und sie als Mitgeschöpfe und  lebendige Partner zu sehen, mich berühren zu lassen, das lenkt die Aufmerksamkeit in Richtung der Lösungen und hilft dem Herzen, sich nicht allzu einsam und verloren zu fühlen.

Rede ich also um meinetwillen mit ihnen? Vielleicht rede ich, um die Alternative von „um meinetwillen“ und „um ihretwillen“ hinter mir zu lassen und ein „um unseretwillen“ daraus werden zu lassen.

Share

4 Antworten auf „Ein neues Wir-Gefühl“

  1. Schön, wie Du die Interdependenz auch hier zwischen allen Lebewesen in Worte fasst. Mögen wir „um unseretwillen“ Pflanzen, Tiere und Mitmenschen wahrnehmen und Wege in eine lebensbejahende Zukunft gehen.

  2. Danke für diesen Text! Ich finde es spannend, wie viele in letzter Zeit alles unter Eindruck der ökologischen Krise die spirituelle Dimension erkennen und bewusst neue (alte) Wege gehen.
    Hast du Heinrich Christian Rusts neues Buch schon gesehen? Geht in eine ganz ähnliche Richtung.
    https://www.neufeld-verlag.de/shop/zuhause-in-der-schoepfungsgemeinschaft/
    Wir haben im letzten Jahr selbst angefangen, monatlich Andachten im Stil der „Wild Church“ zu machen: Das ganze Jahr über draußen, bewusst mit den anderen Geschöpfen Gott loben und in einer halbstündigen Phase, die wir „Wandern & Wundern“ nennen von ihnen die Predigt hören. Vielleicht auch was für dich?
    wildchurchnetwork.com/

  3. Danke für Eure Kommentare, Benni und Daniel! „Wild Church“ schau ich mir auf jeden Fall an. Ich plane für Mai hier zum ersten Mal eine Segnung der Fahrräder – achtsame Mobilität. Mal sehen, wie die Resonanz ausfällt!

  4. „Peter goes Assissi“ war das erste was mir zum Posting einfiel. Vermutlich nicht das Schlechteste.

Kommentare sind geschlossen.