Die Bibel leben

Lesslie Newbigin (ja, ich bin immer noch drüber) hat sehr anregende Gedanken zum Umgang mit der Bibel: “Unsere angemessene Beziehung zur Bibel ist nicht, dass wir sie von außen untersuchen, sondern dass wir sie ”bewohnen“ und aus ihr heraus das, was um uns her ist, zu verstehen und zu bewältigen suchen.

  1. Es bedeutet, in einer alternativen “Plausibilitätsstruktur” (grundlegende Annahmen, Denkvoraussetzungen, die unsere Sicht der Wirklichkeit bestimmen) zu leben, die von einer Gemeinschaft von Menschen verkörpert wird.
  2. Diese Plausibilitätsstruktur ist in ihrem Wesen Geschichte, so wie die Frage “wer bin ich” auch nur durch das Erzählen der eigenen Geschichte, also narrativ beantwortet werden kann.
  3. Dieser Geschichte anzugehören entnimmt uns nicht der Verantwortung für eigene (Fehl-) Entscheidungen, sondern sie schreibt sich fort durch unsere verantwortlichen Entscheidungen in Liebe und Gehorsam.

4. Das Annehmen dieser Plausibilitätsstruktur beruht sich nicht auf Gründen, die außerhalb von ihr liegen. Letztlich haben wir sie nicht gewählt, sondern wir sind erwählt (oder besser: berufen) worden.
5. Kennzeichen dieser Gemeinschaft ist die Hoffnung. Nicht eine vage Hoffnung, sondern “ein Anker für die Seele, der hinter den Vorhang reicht, der die Zukunft vor uns verbirgt.
6. Aus dieser Hoffnung werden Taten, denn sie sprengt die Alternative zwischen Transzendenz und Immanenz, Himmel und Erde: Ohne sie gäbe es entweder eine vage Hoffnung auf persönliches Weiterleben im Jenseits, aber nicht in dieser Welt, oder eine Hoffnung für diese Welt und die Menschheit, aber ohne mich. “Für den Christen ist der Horizont all diesen Handelns … eher Advent als Zukunft: Er kommt um bei uns zu sein, und was auch immer wir tun – unsere privatesten Gebete oder unser öffentlichstes politisches Tun – wird ihm übergeben.

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3 Antworten auf „Die Bibel leben“

  1. Danke für die spannenden Gedanken von Newbigin – bitte mehr davon! Lustig, genau über diesen Umgang mit der Bibel hab ich mich vorhin noch mit meiner Freundin unterhalten. Hatte das (merkwürdige) Bild von einem Fitnessstudio, in dem man sich abarbeitet, um sich (in diesem Fall den Körper) davon formen zu lassen. So sehe ich auch immer mehr die Bibel. Nicht als einen Gegenstand, aus dem ich das (mehr oder weniger korrekte) Wissen herausziehe und dann bestenfalls umsetze, sondern eher bin ich der ‚Gegenstand, der in der Auseinandersetzung mit Gottes Wort geformt wird…

  2. Ja, da kommt noch mehr. Mich erschreckt manchmal, wie leicht es ist, in einer ganz anderen Geschichte zuhause zu sein und trotzdem ständig die Bibel zu zitieren. Aber auch das gibt es ja schon … in der Bibel 😉

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