Deregulierung

Dietrich Dörner betrachtet die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl, bei der die erfahrenen Ingenieure nicht zum ersten Mal die Sicherheitsvorschriften sehr frei interpretierten und sich dabei mächtig verschätzten. Und er zieht daraus Schlüsse, die nicht nur für die Finanzwirtschaft interessant sein können, sondern auch unsere ganz persönlichen Tendenzen, in bestimmten Lebenssituationen den Ausnahmezustand zu erklären und uns zum eigenen Schaden und zum Nachteil anderer über sinnvolle Regeln hinwegzusetzen, von Straßenverkehr angefangen bis zum Umgang mit den zehn Geboten:

Verletzungen der Sicherheitsvorschriften aber werden im lerntheoretischen Sinne gewöhnlich «verstärkt», das heißt: Es lohnt sich; man hat etwas davon. Wenn man Sicherheitsvorschriften verletzt, wird gewöhnlich dadurch das Leben leichter. (…) Sicherheitsvorschriften sind in der Regel so ausgelegt, dass man bei ihrer Verletzung keineswegs unmittelbar in die Luft fliegt, sich verletzt oder sonst irgendwie zu Schaden kommt, sondern so, dass das Leben leichter wird. Die positiven Folgen der Verletzung von Sicherheitsvorschriften führen dazu, dass sich die Tendenz erhöht, sie zu übertreten. Damit aber steigt die Wahrscheinlichkeit, dass tatsächlich etwas passiert. Und wenn dann tatsächlich etwas passiert ist, hat man unter Umständen nie mehr Gelegenheit, daraus Folgerungen für sein zukünftiges Handeln zu ziehen.

Share

Eine Antwort auf „Deregulierung“

  1. Im Prinzip Richtig. Und es gibt weitere Mechanismen die das noch verschärfen.

    Beispiel aus der Praxis:

    Ich bin Heilerziehungspfleger. Es gibt Sicherheitsvorschrift Medikament nur mit „Vier-Augen-Prinzip“ zu stellen. Also nur zu zweit.

    Die Wahrscheinlichkeit bzw. Anreiz diese Sicherheitsvorschrift zu missachten ist extrem hoch. In der Zeit wo einer Medis stellt, könnte der Andere ja schon was anderes machen, so das man früher fertig ist…

    Wenn man sich weigert die Sicherheitsvorschrift zu missachten, steht man schnell als Prinziepienreiter und Wichtigtuer da vor den Kollegen.

    Wurde mit knapper Mühe eine Katastrophe noch abgewendet, weil Sicherheitsvorschriften missachtet wurden, wird man von Kollegen unter Druck gesetzt, die Ursachen zu vertuschen.

    Und wenig später heißt es dann: „Ach komm, sei nicht so pinggelich! Ist doch noch nie was passiert…“

    Da die beinahe Katastrophe nicht dokumentiert und analysiert wurde, hat es sie nie gegeben.

    Ein Teufelskreis.

Kommentare sind geschlossen.