Drei ??? und die Unheilspropheten

In dieser Woche wurde ich gleich mehrmals auf eine nach eigenem Anspruch prophetische Botschaft von David Wilkerson angesprochen, die gerade die Runde macht. Wilkerson kündigt eine gewaltige, nicht näher erläuterte Katastrophe an, die zu weltweitem Chaos führen werde und dann empfiehlt, einen Vorrat an Nahrungsmitteln und Toilettenartikeln für 30 Tage anzulegen.

Schon vor ein paar Monaten geisterte eine Botschaft des Berliner Pastors Joh.W. Matutis durchs Netz, die in eine ähnliche Richtung wies, aber deutlich langatmiger ausfiel. Natürlich haben in Zeiten globaler Krisen solche Stimmen Hochkonjunktur, nicht nur unter Christen. In jüngster Zeit haben aber oft auch die Recht behalten, die vor Monaten noch als Schwarzseher bezeichnet wurden.

Muss man diesen Stimmen also glauben, wenn man nicht selbstsicher ausschließen kann, dass sich irgendwo gewaltiges Unheil zusammenbraut? Andererseits habe ich heute wieder Jesu Wort über die Vögel am Himmel und die Lilien auf dem Feld gelesen und mich gefragt, wie die Anweisung zum Bunkern von Vorräten dazu passt. Mir sind beim Lesen dieser Botschaften drei Fragezeichen gekommen:

Fragezeichen 1: Die Dominanz des Spektakulären

Es ist ja nicht so, dass wir keine globalen Krisen hätten, die eine schnelle, besonnene und entschlossene Reaktion von uns verlangen. Meine Sorge ist, dass das Warten und die Vorbereitungen auf ein nebulöses (aber offenbar unausweichliches) Unglück uns davon abhalten, uns um die längst absehbaren, aber in der mittel- und langfristigen Konsequenz möglicherweise nicht minder heftigen Katastrophen zu kümmern, so lange noch Zeit ist.

Diese anderen Problemfelder werden auch dann bestehen bleiben, wenn eine Katastrophe welcher Art auch immer eintritt, nur würden sie nicht mehr beachtet (wie etwa der Klimaschutz angesichts drohender Arbeitslosigkeit). Das Kaninchen ist am Ende so auf die Bedrohung der Schlange gepolt, dass es für den Fuchs zur leichten Beute wird. Das „Wissen“ um ein Unglück, an dem ich nichts ändern kann, wird mich so noch anfälliger für andere, eigentlich offensichtliche Probleme machen.

Fragezeichen 2: Die politische Agenda

Bei Wilkerson scheint sie nur zwischen den Zeilen durch und bleibt unklar wie der Rest seiner Botschaft:

God is judging the raging sins of America and the nations. He is destroying the secular foundations.

Der Verweis auf die Sünden ist recht allgemein. Ist die Kernsünde der USA der säkulare Staat, die pluralistische Gesellschaft? Liebäugelt Wilkerson mit einer Art Theokratie, und wie müsste man sich die vorstellen? Hätte er das zu Bush-Zeiten auch geschrieben? Matutis schreibt diesen interessanten Absatz:

Wenn man die Entwicklung verfolgt, stellt man fest, dass es seit dem 14. Juli 2007 mit den Börsen und Banken permanent berg-ab geht. Wie der Zufall es will, flattert mir gerade eine ältere Pressemeldung in die Hände, und darin wird berichtet: Am 13.Juli 2007 wurde die neue Sitzungsperiode des US-Senats durch Gebete eines Hindu-Priesters eröffnet und damit ganz Amerika und die Wirtschaftswelt den Hindu Göttern geweiht. Ein Skandal und eine Schande für das so „christliche Amerika“. Der Hindu Priester las aus den Veden und rief die Geister der Erde, des Meeres und des Windes an. Ein Gläubiger im Saal schrie auf: O Gott, vergib uns diese Gräuel“. Sofort fielen Ordner über ihn her und trugen ihn aus dem Auditorium hinaus. Der Hindu-Priester fing seine Zeremonie und das Weihe-Ritual noch einmal ganz von vorne und vollendete sie in aller Ruhe. Und was passierte dann? In meinem Archiv fand ich noch eine Pressemeldung vom 13.Juli 2007: „Riesen-Hornissen /Wespen überfallen das US-Parlament“. Etwa 16 Schwärme von ca.5 cm großen Hornissen ließen sich im Parlaments-Ge-bäude nieder. In 2.Mose 23.27-29 sagt Gott „…ich werde Angst und Schrecken senden…und Hornissen , die sich so vermehren werden, dass ihr darüber nicht Herr werdet…

Wilkerson muss man zu Gute halten, dass er derart grobe Vereinfachungen und Bibelauslegung qua Stichwortassoziation meidet. Für Matutis lag es offenbar nicht etwa an der seit Monaten schwelenden Subprime-Krise, sondern am Auftritt des Hindupriesters, dass die Wirtschaft lahmt. Aus einer zeitlichen Abfolge wird ein kausaler Zusammenhang konstruiert. Und natürlich hat er aus den vielen Ereignissen des 13. Juli 07 dieses eine ausgewählt. Das war kein Zufall – mein zweites Fragezeichen ist also in beiden Fällen, welche politischen Anschauungen die jeweiligen Propheten vertreten und ob sich da konkret nicht eine zumindest latente Aversion gegen eine pluralistische Gesellschaftsordnung andeutet (die sicher nicht perfekt ist, aber derzeit ohne überzeugende Alternative). Wenn ich nämlich solche Botschaften verbreite, muss ich auch deren Tendenzen und Nebenwirkungen im Blick haben.

Fragezeichen 3: Der fehlende Zusammenhang

Wenn Wilkerson am Ende seinen praktischen Ratschlag erteilt, dann ist dieser ja nicht als Krisenprävention, sondern als Maßnahme zum Überleben zu verstehen. Es wird aber auch keine nachträgliche Verarbeitung des Unglücks vorbereitet (von dem uns – im Unterschied zur Ankündigung des Exils durch die Propheten und zu Jesu Ankündigung der Zerstörung Jerusalems ja nicht gesagt wird, was es sein wird). Mir scheint auch den Vergleich mit der Josephsgeschichte von den fetten und mageren Jahren unzureichend. Da ging es ja gerade nicht darum, dass einzelne ihren Vorrat aufstocken, sondern dass eine ganze Gesellschaft überlebt. Und diese Dimension fehlt hier weitgehend.

Um noch einmal Dietrich Dörner zu bemühen: Hier besteht zumindest die Gefahr einer horizontalen wie vertikalen Flucht. Die „vertikale Flucht“ besteht in der Ausrichtung auf ein völlig unbestimmtes, jedoch alles andere an Bedeutung übertreffendes Ereignis. Die „horizontale Flucht“ besteht darin, dass man sich auf einen beherrschbaren Teilbereich (Vorräte) beschränkt und das Ganze (bzw. die damit verbundene Ohnmacht und Unzulänglichkeit) dabei vergisst.

Bei manchen medizinischen Impfungen wird unter Fachleuten heftig diskutiert, ob die Probleme und Nebenwirkungen nicht den Nutzen übersteigen. Irgendwie frage ich mich das bei diesen Warnungen auch.

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13 Antworten auf „Drei ??? und die Unheilspropheten“

  1. was sind denn deiner meinung nach die (schlimmen?) zu vermeidenden nebenwirkungen der wilkerschen hiobsbotschaft? ich bin selbst nicht begeistert davon, verstehe aber, dass jeder prophet das dringende bedürfnis hat, die durch den heiligen geist empfangene botschaft an den mann zu bringen. das formuliert wilkerson ja auch am ende: „Ich habe meine Seele euch gegenüber entlastet.“

    zu 1) es ist ja nicht so, dass wir normalos aus der westlichen welt uns unter alltäglich-wohlständischen umständen um globale nicht-drängende katastrophen kümmern, da wir meist sehr mit uns und unserem direkten umfeld beschäftigt sind. eine drohende katastrophe wie wilkerson sie beschreibt, könnte uns aufrütteln. wir sehen uns in unserem direkten wohlstand gefährdet und kümmern uns (neben der vorsorge für das unmittelbar bevorstehende unglück) auch um die anderen anstehenden katastrophen (klimaschutz, weltweite armut etc.) – flucht nach vorn 😉 gewissermaßen. das wäre doch eine gute sache.

    zu 2) selbst wenn wilkerson und andere den amerikanischen pluralismus für antigöttlich hielten – hast du angst vor einer staatsrevolution ihrer christlichen schützlinge???

    zu 3) gegenfrage: kann ich überhaupt ohne flucht leben? stelle ich mich der westlichen realität, in der wir hier leben, bin ich schon der globalen wirklichkeit geflüchtet… ein dilemma, das sich nicht einfach durch fairtrade-kaffee lösen lässt.

  2. Tja, die Prophetien, gelle!? 🙂

    Finde Deine Gedanken gut und ausgewogen.
    Sind gut, weil ich auch in mir bei solchen Prophetien einen leichten Hang zur Panik und Weltuntergangsstimmung verspüre.

    Das frage ich mich dennoch:
    Könnte es sein, dass manche Prophetien schlichtweg nicht ausgewogen sind und dennoch göttlich inspiriert sind?
    Gerade bei Wilkerson, der normalerweise eine m.E. überwiegend bodenständige Verkündigung pflegt?

  3. @ k. – wenn so eine Katastrophe in diesem Sinne unter 1) aufrüttelt, dann ist es ja gut, nur zieht Wilkerson da keine Linie. zu 2) nein, aber es verursacht trotzdem Schaden 3} Man muss die Flucht ja nicht noch weiter verschärfen, oder?

    @ Dirk: Natürlich kann das sein. Und nachdem wir ja nicht wissen, was genau gemeint ist, wird man vielleicht immer etwas finden, auf das diese Ankündigung dann irgendwie passt. So gesehen ist es kaum zu widerlegen…

  4. Ich finde derartig allgemein gehaltenes Gerede (…es bahnt sich Unheil an) einfach einer Prophetie nicht würdig. Es wird nichts hilfreiches ausgesagt.

  5. Beide brauchen ihre Droge, um die Herausforderungen, des wirklichen Lebens, mit all ihrem Frustrationspotenzial, auszublenden: Der Drogenabhängige und der eschatoligische Prophezeihungsjunkie. Nur der letztere bekommt seine, kostenlos und ohne sich der Strafverfolgung auszusetzen.
    Um es mal mit Bonhoeffer auszudrücken: „Weil sich verantwortliches Handeln nicht aus einer Ideologie, sondern aus der Wirklichkeit nährt, darum kann nur im Rahmen dieser Wirklichkeit gehandelt werden.“ Die bietet wahrhaftig genügend Anlässe zu engagiertem und verantwortlichem Handeln.

    Nebulöse Ankündigungen, für die sich im Nachhinein immer ein Ereignis finden läßt, das zur Vorhersage paßt, sind so ein „Extra-Kick“ den bodenständiges, verantwortliches Chrsitenleben nicht braucht.

  6. Hallo! Wie ist denn die Überschrift zustandegekommen? Ist da „jemand“ Fan von „Die drei ???“ ? 😉

  7. Stimme dir zu, Peter. Respekt (!) für dein Bemühen um Aufklärung und Besonnenheit.

    Ist ein heikles Thema, wie man vor allem an der Reaktion von „k“ sieht.
    Ich für meinen Teil halte mein Umfeld von solchen Diskussionen frei. „Denn wo das Aas ist, sind die Geier nicht weit …“ Diese Themen ziehen wirre Köpfe an, also rate ich zur Zurückhaltung und Vorsicht im Umgang mit diesem Thema überhaupt. Das ist auch ein Grund, warum ich – und offensichtlich ein größerer Teil der Diskutanden ebenso – meine Identität hier verberge.

    Darf ich noch ein 4. Fragezeichen ergänzen (schade um die schöne Anspielung auf die Kinder-Bücher …): wo bleibt eigentlich der Bezug zur biblischen Profetie? Ich meine damit nicht nur irgendwelche herausgegriffen Katastrophenworte, sondern vor allem die Gesamtheit der Schriftprofeten im AT in ihrem inneren Zusammenhang! Das sind sehr komplexe Texte, die auch nur von wenigen Theologen wirklich im Zusammenhang erschlossen werden. Aber dort findet man vielschichtige Konstellationen und Trends abgebildet, und die Texte lassen Situationen und Tendenzen erkennen, die Gott offensichtlich herausfordern und für sein Handeln auch in späteren Situationen typisch sind. Aber wer macht sich schon die Mühe einer zusammenhängenden Lektüre und Interpretation, wenn er einen „Eindruck“ hat oder ein Wort, das ihm „gegeben“ ist …? Profetie muss aber geprüft werden, nur wie kann man das, wenn der Profet den Bezug zur Schrift nicht selber aufbaut und sich ihr unterwirft? 2. Petr 1,19-20. Die weitgehende Ablösung irgendwelcher aktueller Profeten von der biblischen Profetie verstärkt
    a) den Unheimlichkeits- und Unberechenbarkeitsfaktor, mit dem ja die beschriebenen Wirkungen erzielt wird, und
    b) die Vereinfachungs- und Verdummungstendenzen, die in hierfür anfälligen Glaubenshaltungen ohnehin schon vorhanden sind.
    Die biblische Profetie aber will den Gesamtverlauf der Geschichte Israels und der Völker einsichtig machen, und in Gottes Handeln eine nachvollziehbare Logik aufweisen, will damit insgesamt (!) trösten, indem sie sagt: die Katastrophe ist Teil des Gottesweges mit Israel, das Zerstören war „nur“ ein „Rückbau“, um etwas Neues aufbauen zu können. Also insgesamt ein sehr differenziertes und komplexes Gesamtgebilde, das ich in dem kurzen Text von Wilkerson nicht wiederfinde.

  8. @ Beobachter: Ich sehe das ähnlich mit der alttestamentlichen Prophetie. Wilkerson halte ich für integer, denke aber auch, er hat halt seine Brille. Trotzdem kann ich mir gut vorstellen, er gibt das im vollen Bewusstsein seiner Fehlbarkeit weiter und kann eben nicht mehr sagen, als er gehört hat oder empfindet. Und da bin ich froh und dankbar, dass ich nicht in dieser Lage bin. Wenn ich das aber rein inhaltlich und abgesehen von der Person bewerte, dann kommen die o.g. Zweifel ins Spiel.

  9. @peter: danke für deine antworten

    @beobachter: danke, für deinen kurzen abriss über die alttestamentarischen prophetien!

    generell verstehe ich eure sorgen über neuzeitliche prophetien und ihre wirkungen nicht, aber ich vermute, da habt ihr beide einen viel weiteren erfahrungshorizont als ich, der diese über das geschriebene hinaus begründet.

  10. „I do not know when these things will come to pass, but I know it is not far off.“ Das trifft doch auch auf die Wiederkunft Jesu zu, oder nicht? Also ich kann an solchen Prophetien nichts hilfreiches finden. Viele treffen gar nicht ein, andere sind in Bezug auf Form und Zeitpunkt so vage formuliert, dass man alles in sie hinein interpretieren kann.

    Selbst wenn die Prophetie echt sein sollte, was nützt sie? Sie fördert die Flucht ins christliche Ghetto vor der antichristlichen Welt. Ich finde das eher gefährlich. Ach ich will ja keinem böses unterstellen, aber mir kommt das immer so vor, als müssten die Propheten eine Nachfrage befriedigen. Würden die Prophetien praktische Konsequenzen fordern, ich glaube sie würden sich nicht so schnell verbreiten.

  11. Dazu finde ich das gestern auf Spiegel Online erschienene Interview mit einem Krisenforscher recht spannend: http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,622856,00.html . Laut Kepplinger gibt es seitens der Medien und mittlerweile auch seitens Behörden den Drang, Berichterstattung zu dramatisieren.

    Er stellt die Frage nicht explizit, aber sie scheint durch: Wem nützt das? Seine These ist, dass Behörden sich – bewusst oder unbewusst – Aufmerksamkeit und Budgets sichern, indem sie ihr Anliegen dramatisieren. Vielleicht kann so was ja auch in der christlichen Welt vorkommen…?

    Damit möchte ich jetzt weder Wilkersons noch Matutis‘ Integrität in Zweifel stellen, sondern vielmehr allgemein auf das Phänomen aufmerksam machen. Leider kommen scheinbar Predigten und Prophetien mehr an, die vor der Welt warnen, als diejenigen, die uns ermutigen, in die Welt hinauszugehen und dort etwas zu tun.

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