Die Suche nach Intimität und der Rückzug ins Private haben mit einer ganz anderen Wahrnehmung des Fremden in unserer Kultur zu tun. In anderen Regionen der Welt werden Fremde auch heute noch neugierig beäugt und angesprochen, bei uns werden sie, vor allem in den Metropolen, wie Luft behandelt:
…um die Mitte des 19. Jahrhunderts entstand in (…) westlichen Hauptstädten ein Verhaltensmuster, das sich von allem unterschied, was man hundert Jahre zuvor (…) gekannt hatte oder heutzutage im größten Teil der nichtwestlichen Welt kennt: Die Vorstellung, dass Fremde kein Recht hätten, miteinander zu sprechen, dass jedermann das öffentliche Recht auf einen unsichtbaren Schutzschirm besitze, das Recht, in Ruhe gelassen zu werden. Das öffentliche Leben wurde zu einer Sache des Beobachtens, der passiven Teilnahme, zu einer Art von Voyeurismus.
Die Ursachen dieser Haltung (Sennett stellt sie ausführlich dar, ich kann das hier leider nicht) kann man beschreibend nachvollziehen. Fremde sind zu Unberührbaren geworden. Wenn mich ein Fremder anspricht, habe ich (nicht ganz zu Unrecht) die Sorge, dass er mir entweder etwas verkaufen will oder ein – vorsichtig gesagt – leicht exzentrischer Typ ist.
Wenn wir nun ein Ideal christlicher Gemeinschaft haben, das auf Intimität fußt, dann führt das fast zwangsläufig dazu, dass Gemeinden Fremde offen oder unterschwellig abweisen. Und zwar mit der folgenden Logik:
Technorati Tags: Beziehungen, Fremde, Intimität, soziales Engagement