Weisheit der Woche: Nicht fragen – denken!

In Zeiten, wo Begriffe wie „Relevanz“ und „bedürfnisorientiert“ die Überlegungen auch zu kirchlichen Angeboten und „Dienstleistungen“ prägen, wo immer weiter optimiert und verbessert wird und Kunden zu jedem Quatsch befragt werden, sind radikale Querdenker das Salz in der Suppe. Sie verfahren ganz anders:

Das zu entwerfen, was Menschen wollen, ist nicht der beste Ansatz. Man muss etwas entwickeln, was Menschen wollen werden oder wollen sollten.

Der Erfinder James Dyson

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„Tschüs!“

Dieser aktuelle Werbespot von Ikea veranschaulicht in seltener Klarheit, wie die Konsumkultur funktioniert: Es geht nicht mehr ums Besitzen, sondern ums Kaufen (möglichst exklusiv oder möglichst günstig, je nach Möglichkeit). Und dazu muss man das Alte erst mal loswerden. Man hängt nicht mehr an seinen Sachen, sondern man hat (in merkwürdiger Verdrehung des paulinischen Gedankens), als hätte man nicht. Wenn etwas Neues und Besseres auf den Markt kommt, fliegt der alte Kram eben raus. Wer mit der Zeit geht, der entrümpelt, und vor allem: der kauft.

Die Hintergründe bekommt man sehr schön erklärt bei William Cavanaugh und, wer lieber Deutsch liest, von Thomas Weißenborn.

Hier das Gegenbild zur Ikea-Logik: Story of Stuff – auf Deutsch:

Story of Stuff – German from UTOPIA AG on Vimeo.

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Wertschöpfung und Wertverlust

Ich sitze gerade über einer Trainingseinheit zum Thema „Umgang mit Dingen“ – Konsum also. Da stoße ich auf diesen schönen Bericht über Jens Mittelsten Scheid, der seinen Reichtum als Vorwerk-Erbe in Stiftungen investiert. Der 68-jährige hasst den ständigen Konsum, trägt zum Kummer seiner Frau bei Beerdigungen noch den Abituranzug – das würde bei vielen aus anderen Gründen scheitern – und hat das „Haus der Eigenarbeit“ in München gegründet, in dem man selbst Dinge machen kann, statt einfach zu konsumieren. Hintergrund der Idee ist, dass wir selbstgemachte Dinge nicht so schnell wegwerfen und Menschen lernen, auf ihre Fähigkeiten zu vertrauen. Mittelsten Scheid sagt:

Menschen sollen die Vielfalt ihrer Fähigkeiten kennenlernen und den Mut fassen, sich stärker einzubringen.

Ein anderer sehr aufschlussreicher Artikel steht diese Tage in der Zeit ein Kommentar von Pavlos Klimatsakis, der den Deutschen die Misere Griechenlands erklärt. Der Hintergrund ist für Klimatsakis ein Identitätsproblem. Seit der Befreiung von osmanischer Herrschaft ist es dem Land, dem wir die Grundlagen unserer europäischen Kultur verdanken, nicht gelungen, in der Bildung aufzuholen und eine starke Identität aufzubauen. Nach dem zweiten Weltkrieg orientierte man sich nach Westen, wurde in die EU aufgenommen, bekam den Euro. Und verlor im Konsumrausch alle traditionellen Werte:

Obwohl die Präsenz Griechenlands in der EU ein in wirtschaftlicher Hinsicht wirklicher Gewinn für das Land war, nahm die Mentalität des Volkes gleichzeitig eine unerwartete nihilistische Wende. Bis vor dreißig Jahren hat die kulturelle Tradition, die sich hauptsächlich dem orthodox-christlichen Credo verdankte, dem Volke sittliche Stützen verschafft. Die nähere Bekannschaft mit dem fortgeschrittenen Westen, Europa und USA, hat in den letzten Jahrzehnten die herkömmlichen Werte und Sitten pulverisiert. Die Griechen haben sich seitdem in regelrechte Betrüger, Lügner und Verleumder gegeneinander gewandelt. Dies betrifft sogar die grosse Mehrheit des Volkes.

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Durchgeknallt

Pete Greig hat das heute auf Facebook erwähnt (und war sprachlos) – total bizarr, aber natürlich muss man die Bibel etwas bearbeiten, damit das hier herauskommt:

Mit Goldschnitt, natürlich…

Ähnlich grotesk: die Personal Promise Bible, wo der eigene Name 7000 mal erscheint: In dieser Bibel geht es dann nur noch um mich, mich, mich und Gott.

Und vor allem natürlich um das Geschäft derer, die diese unsäglichen Produkte auf den Markt werfen.

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Weisheit der Woche: Mediendominanz

Durch die Mediendominanz und die immer geringer werdende gemeinsame Erfahrung entstehen junge Menschen, die sich in zwei Gruppen aufteilen: Die einen wollen mit der Gemeinschaft gar nichts mehr zu tun haben, die anderen hängen in klebrigen Beziehungen fest und müssen den ganzen Tag chatten, SMS schicken und auf Facebook sein. Leider tragen beide Gruppen wenig dazu bei, dass eine menschliche Gemeinschaft in einer gemeinsamen Anstrengung ihre Probleme löst und dabei über sich hinauswächst.

Hirnforscher Gerald Hüther in der SZ

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Zahlen für die Reichen?

Zwei Beiträge haben mich in der letzten Woche beunruhigt. Michael Hartmann schreibt in der Zeit, dass die Eliten sich radikalisieren. Die Klasse der „Leistungsträger“ setzt sich zunehmend vom Rest der Gesellschaft ab. Ihr Reichtum wächst weiter, während das der anderen bestenfalls stagniert. Die oberen 10 Prozent besitzen 61 Prozent des Vermögens.

Und sie werden dabei tatkräftig unterstützt: Auf Spiegel Online zeigt Ulrike Herrmann, dass die Mittelschicht gegen ihre eigenen Interessen stimmt und sich lieber nach unten als nach oben abgrenzt. Sie trägt die Kosten der Krise weitgehend und lässt sich dabei einreden, die Armen seien die Schmarotzer. Die Identifikation nach „oben“ ist psychologisch verständlich, im Ergebnis fatal. Wie reich die Reichen sind, das wird derweil systematisch verschleiert – Nettoverdienste über 18.000 Euro im Monat werden – das war mir auch neu – nämlich statistisch gar nicht erfasst.

Eine Solidarisierung mit den Armen wäre die bessere Lösung, so Herrmanns Fazit, denn:

Die Mittelschicht wird so lange für die Reichen zahlen, wie sie sich selbst zu den Reichen zählt.

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Das Recht des Besseren

Eben in der SZ gelesen, aber von „Pharisäern“ zu reden, wäre unfair – den Pharisäern gegenüber:

In einer vom Fachmagazin Psychological Science (Online-Ausgabe) veröffentlichten Studie zeigen Nina Mazar und Chen-Bo Zhong von der Universität Toronto, dass Probanden, die zuvor Bio-Produkte gekauft hatten, Mitmenschen anschließend schlechter behandelten, als es die Kunden konventioneller Lebensmittel taten. Die kanadischen Forscher erklären in der Studie ein generelles Muster menschlichen Verhaltens. Wer moralisch handelt und sich zum Wohle anderer verhält, leitet daraus häufig das Recht ab, gegen Normen zu verstoßen.

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Fuchs im Einbaum

Die FAZ bringt einen Beitrag von Ben Macintyre zum Überleben im digitalen Zeitalter. Die Diskussion ob wir (um mit Isaiah Berlin bzw. Archilochos zu sprechen) Füchse oder Igel sind, also viele kleine Ansätze pflegen oder uns nur um eine einzige große Idee drehen, scheint entschieden. Der Fuchs hat gewonnen, mit allen Vor- und Nachteilen.

Nun kommt es darauf an, aus dem Überfluss angebotener Informationen das Wesentliche und Nützliche herauszufinden und Ablenkungen oder Wertloses zu ignorieren. Das erfordert eine andere Art des Denkens und Hinsehens. Und dafür hat Macintyre ein anderes, interessantes und griffiges Bild gefunden:

Dem Wissenschaftshistoriker George Dyson zufolge hatten die Nordwestpazifik-Indianer zwei sehr verschiedene Methoden, Boote zu bauen. Die Aleuten, die auf baumlosen Inseln lebten, bauten Kajaks aus Strandgut, indem sie Felle auf einen Rahmen aus Treibholz spannten. Die Tlingit hingegen fällten große Bäume und höhlten sie zu Kanus aus, indem sie das überschüssige Holz herausschlugen und -brannten.

„Früher waren wir Kajakbauer und haben Bruchstücke von Informationen gesammelt, wo wir sie fanden“, schreibt Dyson. „Heute müssen wir lernen, zu Einbaumbauern zu werden und unnötige Informationen zu verwerfen, um die verborgene Gestalt des Wissens freizulegen.“

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Vom Himmel hoch…

Heute auf Zeit Online: Theologische Deutungen des allmächtigen Google, zum Beispiel dieser Entwicklung vom Deismus zur „Inkarnation“:

… bislang störten sich nur wenige am Google-Gott, der alles von uns weiß, der jeden unserer Schritte sieht und dank des neuen Google-Handys immer bei uns ist, uns führt »an der lieben Hand«. Denn dieser Gott war ein abstrakter Gott, sein Reich waren die fernen Rechnerzentralen. Nun aber erscheint er uns, wird Auto, wird Kamera – wird bedrohlich.

Im gleichen Artikel ein frecher Vergleich von Florian Illies: Google als Sinnbild des nüchternen, auf Wissen und Worte reduzierten Calvinismus und der sinnlichen-ästhetischen Erfahrung, die Apple als Analogon zur katholischen Kirche vermittelt. So hatte ich das bisher noch nie gesehen…

PS: Etwas realitätsnäher und ganz untheologisch schreibt die Zeit hier zum Erfolg Apple

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Du sollst den Mund nicht zu voll nehmen…

Das Marketing der Firma Kingsway hat sich einen CD-Titel einfallen lassen, der die Eigendynamik des „christlich-industriellen Komplexes“ gnadenlos herausstellt: The Best New Praise & Worship Songs… Ever!

Oder habe ich bloß die Selbstironie nicht kapiert?

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Weisheit der Woche: Eine Maus bringt die Erleuchtung

Einer der Reichen, die ich interviewt habe, hatte eine Maus in seinem Haus. Früher hätte er einen Eimer genommen, sie gefangen und in den Garten gebracht. Jetzt arbeitete viel Personal für ihn. Also schrieb er seinem Hausmanager eine E-Mail vom Blackberry, der rief einen Kammerjäger an, der mit einem Kollegen die Maus fing. Der Butler rief dann die beiden Gärtner an, damit sie die Maus aussetzen konnten, und informierte den Hausherrn. Es brauchte zwei E-Mails, drei Telefonate und sechs Leute, um das Tier aus dem Haus zu bekommen. Der Mann sagte: Eine Maus hat mir gezeigt, wie absurd mein Leben geworden war.

Robert Frank, Autor von Richistan in einem sehr lesenswerten Interview mit der FTD

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Weihnachtshasen

Gerhard Polt war seiner – unserer! – Zeit doch weit, weit voraus. Heute wirbt ein Mobilfunkanbieter mit „Ostereiern“ zu Weihnachten und schreibt dazu irgendwas Sinnloses von Weihnachtsmännern und Osterhasen. Vielleicht wollte man damit diese (zugegeben: deutlich intelligentere, weil ironische) Werbung eines Tabakkonzerns vom Sommer 2006 toppen.

Ich bin unschlüssig: Muss man der Firma nun dankbar sein dafür, dass sie die materialistische Resymbolisierung der großen christlichen Feste vollends ad absurdum geführt hat? Nein, vermutlich ist es ihnen gar nicht bewusst und sicher geht es ihnen um ihr Geschäft, nicht um sinnvolle Denkanstöße.

Muss man sich beim Werberat beschweren über den Missbrauch der Feste? Auf keinen Fall. Osterhase, Eier, Weihnachtsmänner gehören nicht zum Grundbestand christlicher Symbolik und in der Bibel kommen sie schon gleich gar nicht vor.

Um so besser, wenn Kampagnen wie diese unfreiwillig offenbaren, dass sie nur einem Zweck dienen: Dem Geschäft. Es gibt keine Geschichte „dahinter“, sie geben keinen Anlass zu Fragen, sie verweisen auf kein Geheimnis, das gelüftet werden muss. Sie sind, wie ihre schokoladigen Exemplare in den Regalen, völlig hohl. Und sie sind komplett austauschbar.

So austauschbar wie Mobilfunkanbieter…

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