Die Angst der Gallier vor dem Himmel, der ihnen auf den Kopf fallen könnte, wurde heute mitten im Gottesdienst ganz plastisch nachvollziehbar. Etwaige Predigtschläfer wurden unsanft unterbrochen, denn rund zwei Quadratmeter Stuck lösten sich von der Decke und fielen zum Glück so herab, dass nach meinem augenblicklichen Wissensstand mehrere Erwachsene (danke, Gernot, für die Info!) blaue Flecken oder Prellungen und ein Baby einen Kratzer am Kopf davontrugen. Eine Person hatte eine Platzwunde am Kopf. Alles in allem trotzdem Grund, Gott dankbar zu sein für die Bewahrung. Da hätte sehr viel mehr und Schlimmeres passieren können. Ein bis zwei Kilo Gips und Mörtel aus 8m Höhe hätte auch tödlich sein können, gerade bei den Kleinen.
Familiengeschichte in nuce
Nach gut 17 Jahren haben wir kürzlich unser altes Bett ausrangiert. Über 6000 Nächte (und Tage) hat es hinter sich und war gegen Ende etwas wacklig geworden. Es war das dienstälteste Möbelstück im Haus. Beim Zerlegen zogen Erinnerungen vorbei – an romantische Abende mit Kerzenschein und Weinglas, schlaflose Nächte wegen Sorgen oder quakender kleiner Quälgeister, diverse Krankheiten; an manche schwierige und viele gute Gespräche, an glückliches und ratloses Schweigen, Tränen und Gekicher, an Gähnen und müde Augen am Abend, verschlafenes Blinzeln am Morgen; an vier Kinder, die gestillt wurden, zum Kuscheln kamen, auf der Matratze hopsten oder getröstet werden mussten nach Kummer und Albträumen – und die unaufhaltsam größer wurden.
Keine Ahnung mehr, wie viele Bücher ich in diesem Bett gelesen habe, wie viele Ideen und Gedanken mir vor dem Einschlafen und nach dem Aufwachen gekommen sind und noch viel weniger, was ich in diesem Bett wohl so alles geträumt habe. Jetzt steht ein neues da – mit “Himmel”. Wenn das keine Verheißung ist…
Nochmal Mafia: Spammer und Internet-Erpresser
Heute wurde mein Blog urplötzlich mit hunderten von Spam-Kommentaren bzw. Trackbacks regelrecht überfallen. Es hat mich ein Weilchen gekostet, die Sachen zu löschen und die Blacklist anzupassen. Aber ich war wohl nicht der einzige, den es erwischt hat (vgl. Daniels Kommentar unten).
Dazu passte recht gut die Meldung über den Untergang von Blue Security und den Hintergrund von Erpressung durch die russische Mafia. 75 bis 90 Prozent des weltweiten Mailverkehrs ist angeblich inzwischen Spam, und dahinter steht ein Milliardengeschäft. Mal sehen, ob sich jemand da heran wagt. Die CIA vielleicht oder der BND – das wäre mal ein sinnvoller Job für unsere Lauscherchen…
Das Ende der Kontrolle
Ich bin in Berlin, zum “Runden Tisch Evangelisation”. Eric Célérier hat gestern das Internet-Projekt Connaitre Dieu vorgestellt, sehr erfrischend und beeindruckend. Zwischendrin konnten wir über Google Earth in Echtzeit verfolgen, wo überall auf der Welt Leute das Angebot wahrnehmen und ein einfaches Gebet als ersten Glaubensschritt beten. E-Coaches helfen dann weiter und ermöglichen auch den Kontakt zu einer Ortsgemeinde, wenn der Betreffende es wünscht.
Natürlich gab es viele interessierte bis kritische Rückfragen: Wie ernst kann man solche Klicks nehmen, bleibt das alles vielleicht im Virtuellen stecken, und so weiter. Dabei ist mir aufgefallen, wie schwer sich viele von uns damit tun, dass man im Internet nur etwas anbieten kann, ohne kontrollieren zu können, was Leute damit machen.
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Zweidrittelmond
Am Sonntag Abend bin ich noch ganz spät eine Runde am Wasserturm von Marloffstein spazieren gegangen. Der Mond war schon etwa zwei Drittel voll und hat den Weg über die Wiesen silbern ausgeleuchtet; nach beiden Seiten des Buckels konnte man weit ins Tal hinabsehen. Eine Fledermaus kam vorbei, in der Ferne bellte ab und zu ein Hund, aber es war ganz still und friedlich.
Diese Art von in die Ferne sehen ist viel besser als Fernsehen. Die Woche konnte ausklingen, die schönen und schwierigen Eindrücke zogen noch einmal vorbei und dann legte sich die Stille über alles. Und der Wald stand schwarz und schwieg – auch ohne den weißen Neger Wumbaba…
Kongress Gemeindeinnovation
Donnerstag und Freitag war ich in Romanshorn zum Kongress Gemeindeinnovation. Alan Hirsch hatte ich ja schon gehört und zum Teil kommentiert, und werde das in Kürze noch fortsetzen. Mike Bischoff hat auf seinem Blog die wichtigsten Thesen zusammengefasst und ein paar Bilder sind auch dabei.
Besonders spannend waren die Gespräche und Begegnungen am Rande. Einen Mitschnitt der Podiumsdiskussion mit etlichen kontroversen Thesen hat Christoph Schalk online gestellt. Der Donnerstag Abend wurde von Kubik gestaltet und war ein willkommener Kontrast zum ganzen “strategischen” Denken zuvor (Daniel hat Bilder).
Ich habe einen Workshop über die Kelten gemacht und mich mal wieder gewundert, wie eine Bewegung so einschlagen konnte, die gar nicht richtig strategisch dachte, aber sich von der Liebe zu Gott und Gottes Liebe zur Welt einfach treiben ließ. Nicht dass ich jetzt eines gegen das andere ausspielen wollte. Vielleicht ist nur die Frage: Wessen Strategie?
Blütenmeer
Innerhalb der letzten Woche hat der Frühling hier einen Gang hochgeschaltet. Jetzt blüht und duftet alles auf einmal: Kirschen aller Art, Schlehen, Forsythien, Mandelbäume, Felsenbirne, Zierquitte und die Apfelblüten sind auch nicht mehr weit entfernt. Auf der Wiese bei Uttenreuth im Schwabachgrund, über die meine derzeit liebste Laufstrecke führt, sind die Löwenzähne buchstäblich explodiert. Einfach ein Genuss, vor allem wenn die Sonne scheint wie jetzt.
Alan Hirsch
Er ist gelandet – heute nachmittag habe ich mit Alan Hirsch einen Cappuccino getrunken, mit anderen zusammen die Lorenzkirche, den Hauptmarkt und die Burg kurz besichtigt und geredet, geredet, geredet.
Er ist ein kleiner, lebhafter Typ mit leichtem Bierbauch, angegrauten schulterlangen Locken, der aus dunklen Augen verschmitzt hinter seiner kleinen Brille hervor blinzelt. Seine Vorfahren väterlicherseits sind aus Deutschland (kleine Fußnote: auf der Fleischbrücke haben sie ausgerechnet Hirschsalami verkauft…). Ab und zu raucht er eine Zigarette und erkundigt sich vorsichtig, ob das verpönt ist hier.
Ich freue mich auf das lange Wochenende mit ihm und hoffe, dass dieser australische Querdenker uns kräftig zum Nachdenken bringt. Wir haben uns über ein paar Beobachtungen und Trends ausgetauscht und uns auf Anhieb super verstanden. Bücherwürmer unter sich 😉
(Wer spontan noch kommen möchte – wir beginnen morgen Abend um 19.00 und Samstag morgen dann um 10.00 Uhr im Gemeindehaus am Bohlenplatz)
Passion zum Anfassen
Selten habe ich dermaßen viele Leute sichtlich bewegt aus einem Gottesdienst kommen sehen wie heute morgen von unserem Karfreitags-Kreuzweg. Die Passion Christi mal so richtig mit allen Sinnen wahrzunehmen, wo Filme einem weder genug Zeit noch Distanz gelassen, Predigten nichts neues mehr erzählt und viele Lieder allzu gewohnt geklungen hätten.
In Verbindung mit Dingen zum Ansehen und Anfassen hatten die (ebenfalls bekannten) Bibeltexte plötzlich eine ganz andere Resonanz. Und am Ende hatte tatsächlich fast jeder innerlich einen Weg mit Gott zurückgelegt. Es herrschte eine unglaubliche Konzentration im Raum, die auch auf die Kinder sofort gewirkt hat.
Genial bei dem ganzen war das vierköpfige Team, das wunderbar kreativ, harmonisch und effizient alles vorbereitet hat, und die vielen künstlerischen Helfer. Sogar ein echter Grabstein war dabei…
Nichts besonderes
Heute habe ich mich mit einem Freund über die Dinge unterhalten, mit denen jeder von uns die letzten Wochen so zu kämpfen hatte. Mir hat es geholfen, in Gesprächen und durch Sachen, die ich gelesen habe (Guardini…), manche dieser Erfahrungen einzuordnen.
Beruhigend und ernüchternd zugleich war dabei die Einsicht, dass ich gar nicht so besonders bin, wie es sich hin und wieder anfühlte: Nicht so einsam in meiner Tragik, dafür auch nicht so verloren, wenn es um Lösungen geht. Vielleicht doch eher tröstlich, denn sonst träfen mich irgendwann diese Zeilen von Dido:
You think you are complicated,
Deep mystery to all,
Well it’s taken me a while to see,
You’re not so special.
Augenzwinkern
Ich kam ziemlich kaputt von einer flotten Laufrunde zurück und ging zum Verschnaufen die letzten 250 m zur Haustür.
Plötzlich hörte ich schräg hinter mir kleine Füße trappeln und drehte mich um. Ein kleines Kind lugte unter einer Mütze hervor, streckte mir ein goldenes Schokoladen-Osterei entgegen und sagte “Da!” (viel mehr konnte es wohl auch nicht sagen).
Dann drehte es um und lief davon. Ich glaube, Gott hat mich in dem Moment angezwinkert. Viel mehr als nur Schokolade für die Nerven.
Die richtigen Fragen stellen
Gestern abend habe ich es endlich doch noch geschafft, in “Walk the Line” zu gehen. Die wilden Jahre von Johnny Cash sind mitreißend erzählt und es ist leicht nachzuvollziehen, dass der Film drei Golden Globes und Reese Witherspoon für ihre Rolle den Oskar bekam. Aber das ist ja nur das Vordergründige.
Mir hat gut gefallen, wie Johnny Cashs schwierige Lebensgeschichte (vor allem mit dem jähzornigen und verbitterten Vater) so dargestellt wurde, dass man ihn verstehen konnte. Gleichzeitig kam er aber nicht als “Opfer” weg, sondern man hätte ihm zwischendurch auch gern mal eine runtergehauen für seine Drogengeschichten und sein unverantwortliches Verhalten. Gut, dass ihn June vor dem totalen Absturz rettet und nach allen Irrwegen ein versöhnliches Ende steht. Nun würde mich interessieren, wie es weiterging. Vielleicht sollte ich mal in Steve Turners Cash-Biografie schauen.
“Ein Mann namens Cash. Die autorisierte Biografie” (Steve Turner)
Aber zurück zum Film. Eine der stärksten Szenen fand ich, als der von floskelhaften, halbherzig heruntergenudelten Gospelsongs gelangweilte Plattenproduzent zu ihm sagt, er solle sich vorstellen, er sei am Verbluten und könnte noch ein einziges Lied singen, das Gott und der Welt das ausdrückt, was er wirklich empfindet. Das war der Wendepunkt.
Ich glaube, die meisten von uns brauchen Leute, die ihnen ab und zu so eine Frage stellen.
Kelten-Party im Bild
Balsam
Nach vier Monaten weiß bzw. graubraun färbt sich seit einer Woche allmählich alles grün ein draußen. Ich staune immer wieder, wie das auf meine seelische Balance wirkt: Sonne und Grün. Vielleicht hilft es, auch innerlich die düsteren oder trüben Gedanken der letzten Monate allmählich zurückzulassen? Wäre doch schön…
Gemeinden pflanzen
Am Donnerstag war ich zu Gast bei der Arbeitsgruppe “Gemeinde Pflanzen” der AMD. Etliche Mitglieder der Runde kannte ich schon, und es war toll, noch weiteren zu begegnen. Ein Überblick über die Projekte findet sich hier.
Wir haben als Leitungsteam immer wieder darüber gesprochen, dass wir gern dazu beitragen wollen, dass in den Landeskirchen viele neue, wachsende Gemeinden entstehen. Unsere Geschichte ist sicher sehr individuell, aber wir haben doch auch einiges gelernt, was anderen nützen könnte. Und es gibt etliche solche ungewöhnlichen Initiativen “von unten” wie uns!
Mein Eindruck ist, dass potenzielle Pioniere heute in der Regel nicht mehr Theologie studieren (egal wo – Uni oder “Bibelschule”), weil sie nicht Kirche verwalten, sondern die Welt verändern wollen. Oft haben sie mit Erfolg einen anderen Job begonnen (was nützlich ist, weil neue Gemeinden keine Hauptamtlichen finanzieren können), aber gleichzeitig brennt ihr Herz für Gemeinde und “Mission”, aber kein Weg scheint dort hin zu führen. Damit gehören sie kirchenrechtlich zu den Laien (übles Wort, auch wenn es ursprünglich “Krieger” heißt, aber eben eher Fußvolk bezeichnet). Die meisten Theologiestudenten, die ich kenne, sind nicht der Typ, der etwas “reißen” will oder könnte, eher gute Verwalter und Leute, die Bestehendes entwickeln. Brauchen wir ja auch.
Also haben wir drüber diskutiert, wie man solche Menschen findet und fördern müsste, z.B. mit einem berufsbegleitenden Studiengang. Die Heimatgemeinde wird das einfach nicht leisten können, da müssen alle zusammen helfen. Ich finde, sie müssten theologisch mehr wissen, als die kirchliche Prädikantenausbildung bietet. In manchen Dingen müssten sie sogar den “Volltheologen” (noch so ein kirchliches Unwort…) überlegen sein. Ein Studiengang mit Bachelor und Master wäre da gut, nur müsste der nun kirchlich “kompatibel” sein und den Anforderungen der späteren Aufgabe entsprechen. Das könnte noch ein paar Jahre dauern, wäre aber lohnend.
Ich denke mal, das Gespräch wird weitergehen. Die Anglikaner sind uns meilenweit voraus, aber das sollte uns um so mehr anspornen. Wer Ideen dazu beisteuern möchte – her damit…