Noch eine Woche bis Stuttgart…

In einer Woche steigt die Neue Alpha-Konferenz in Stuttgart. Es werden wohl an die 1.000 Leute und wir hoffen natürlich alle, dass gute Impulse von den zwei Tagen in der Liederhalle ausgehen.

Wenn ich in diesen Tagen Brigitte und Silke (unsere beiden Mitarbeiterinnen im Alpha-Büro) erlebe, denke ich mir manchmal, dass wir uns da ganz schön etwas eingebrockt haben als so ein kleiner Haufen von Idealisten: Die Koordination mit den Leuten aus England und den Partner-Organisationen hier in Deutschland ist richtig anspruchsvoll.

Aber ich finde es großartig, all diese Dinge in einem motivierten Team zu stemmen, wo jeder ruhig mal stöhnen und leise schimpfen darf, aber trotzdem alle an einem Strang ziehen und der Ton gut bleibt. Und es ist toll, dass wir mit tatkräftiger Unterstützung von Musikern, Technikern und Helfern aus der Gemeinde nach Stuttgart gehen.

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Moskito-Verteidigung

Letzte Woche besuchte ich meinen Freund Udo Anrich, der für etliche Wochen in Orlando/Florida arbeitet. Wir besichtigten gemeinsam das „historische“ Fort DeSoto am Eingang der Tampa Bay. Es stellte sich heraus, dass die Festung Ende des 19. Jahrhunderts errichtet worden war (aus europäischer Perspektive nicht zwingend „historisch“ zu nennen) und obendrein war das Inselchen nie Schauplatz kriegerischer Auseinandersetzungen.

Der wahre Kampf mehrerer Generationen von unfreiwillig dort stationierten Rekruten schien sich vielmehr gegen die allgegenwärtigen Moskitos gerichtet zu haben, denen kaum beizukommen war. Schlaflose Nächte waren eher die Regel denn die Ausnahme.

Irgendwann wurde der Posten schließlich aufgelassen. Dennoch wurde der heldenhafte Einsatz für das Vaterland (da lassen sich die Freunde in den USA nicht lumpen) mit starken Worten gewürdigt und das Baudenkmal ist geschützt und restauriert worden.

Mich hat die Frage beschäftigt, ob wir nicht (als Christen, aber nicht nur die) auch hin und wieder solche sinnlosen Posten beziehen und dort unter Qualen ausharren – angetrieben von einem unstillbaren Sicherheitsbedürfnis. Das können ideologische Positionen sein, unreflektierte Glaubensüberzeugungen, Vorurteile gegen andere.

Vielleicht hätte man die Botschaft der Moskitos schneller begreifen können und etliche junge Leute davor bewahren, an den Rand des Wahnsinns zu geraten? Hat Gott sie als kleinen Wink dort „stationiert“? Und wo stehe ich in Gefahr, auf verlorenem Posten die falschen „Feinde“ zu bekämpfen?

Dscf1285 Fort deSoto heute: Angler und faule Seevögel

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Frischer Wind aus dem Westen: Eindrücke von der „Emergent Convention“ in San Diego

Man muss sich die Paradoxie auf der Zunge zergehen lassen: Während die Teilnehmer der nebenan statfindenden „National Pastors Convention“ Referate von Größen wie John Ortberg hörten und in Freizeitkleidung ohne Krawatte zu „modernem“ Lobpreis mit konzertreifer Rockband mit den Zehen wippten, saßen die 700 (im Schritt 10-15 Jahre jüngeren) Teilnehmer der „Emergent Convention“ meist in kleinen Diskussionsgruppen zusammen und sprachen über den Wert traditioneller Liturgie, die Bedeutung der Theologie Karl Barths oder der Quantenphysik, die Philosophiegeschichte seit der Aufklärung und vieles mehr, um so der Frage auf den Grund zu gehen, wie sich Kirche im 21. Jahrhundert verändern wird. Eines aber wollten sie auf gar keinen Fall sein – modern! Es wäre also zu kurz gegriffen wenn man hier an „Jugendgemeinden“ für 15-25 Jährige denkt – mit trendiger Musik, Piercings, verdunkelten Räumen, Videobeamern und Gottesdiensten, die ein hippes „X“ im Namen hatten (Für alle, die es noch nicht bemerkt haben: „X’e“ sind mega-out…).

Während hier wie in den USA immer noch viele geistliche Leiter und Theologen unter „Postmoderne“ einen plumpen, destruktiven Relativismus verstehen, der alles Streben nach Wahrheit aushöhlt und zersetzt, machen sich Denker wie Brian McLaren von der Cedar Ridge Community Church im Bundesstaat Maryland daran, ein differenzierteres Bild zu zeichnen. Auch postmoderne Menschen fragen nach Wahrheit, vielleicht sogar mehr als frühere Generationen. Aber sie misstrauen mit gutem Grund all jenen, die beanspruchen, über absolute Wahrheiten zu verfügen – seien es nun totalitäre Ideologien oder der Versuch, die christliche Botschaft auf vier Gesetze und ein Gebet in drei Sätzen an den persönlichen Heiland zu verkürzen.

Sie gewinnen so einen erfrischend neuen Zugang zu Dimensionen des Glaubens, die unsere vernunftgeprägte Theologie der Moderne – sei sie nun evangelikal oder liberal – verloren hatte. Sie entdecken die Bibel neu als eine dramatische Geschichte voller Rätsel, nicht als ein lückenlos erklärbares System von abstrakten (und damit universal gültigen) Satzwahrheiten. Sie fragen, welche Botschaft wir dadurch vermitteln, dass wir Gottesdienste in Theater- oder Kinobestuhlung feiern und auf alle anschauliche, handfeste Symbolik verzichten. Sie fragen, ob das Christentum auf Dauer nicht leidet unter dem Ideal „zeitgemäßer“, marktorientierter Mega-Gemeinden mit (durchaus „geistlichen“, keine Frage!) Leitern, die vor allem fähige Manager sind? Oder ob es richtig ist, dass Evangelisten allzu oft wie Verkäufer auftreten und argumentieren, oder (schlimmer noch) sich in moderner Kreuzzugs-Rhetorik üben?

Ich bin auf die „Emergent Convention“ gefahren, um Leute zu treffen, die sich als Grenzgänger verstehen und Denken in starren theologischen „Lagern“ hinter sich lassen. Dabei hat mich beindruckt, wie ernst und radikal hier genuin theologische Fragen diskutiert werden. Vieles, was in den letzten Jahren über den großen Teich geschwappt ist, hat sich weitgehend im Methodischen bewegt: Da wurden Gemeindekonzepte vermittelt, Prinzipien und Schritte-Modelle von Evangelisation verhandelt, das persönliche geistliche Leben unter die Lupe genommen – immer in der Annahme, alles beruhe auf einem selbstverständlichen Grundkonsens in Fragen der Offenbarung, Schriftauslegung, Christologie und Ekklesiologie und eines viel beschworenen, aber selten konkret erläuterten „biblisch-christlichen“ Weltbildes.

Dieses Weltbild, so stellt sich nun heraus, steckt voller moderner „Viren“: Es hat Individualismus auf Kosten von Gemeinschaft gefördert, den Schatz der Glaubenserfahrungen durch Reduktion auf allgemein gültige „Prinzipien“ flachgebügelt, mechanistische Gemeindekonzepte und Dienstleistungs- und Konsumchristentum erzeugt. Es wird obendrein von dem typisch modernen Grundbedürfnis beherrscht, die Welt zu erobern und zu dominieren. In dieser Hinsicht haben wir uns von den biblischen und historischen Ursprüngen des Glaubens entfernt, ohne es zu merken. Das Ende der Moderne, das wir nun erleben, bietet auch uns Christen einen Ausweg aus der Sackgasse. Und einen Neuanfang im Gespräch mit einer Welt, die immer mehr nach Gott fragt, aber am organisierten Christentum verzweifelt.

Es ist sicher kein Zufall, dass viele Lutheraner, Reformierte und Episkopale unter den Teilnehmern sind, die sich nicht unbedingt als Evangelikale verstehen würden. In den USA ist dies ohnehin eine problematische Selbstbezeichnung, wenn man nicht mit der Agenda der konservativ-fundamentalistischen „Christian Coalition“ identifiziert werden möchte, die nationales Pathos pflegt, gegen Abtreibung und Homosexualität zu Felde zieht, aber zu Armut und Krieg schweigt und Ökologie für überflüssig hält, weil ja die „Entrückung“ diese Probleme löst – für die Frommen zumindest. All das bringt der Theologe, Soziologe und Querdenker Tony Campolo gewohnt provokativ zur Sprache, und beweist zugleich, dass es nicht nur die Aufgabe der Jungen sein kann, neue Wege zu suchen. Bringt die Postmoderne also „Postevangelikale“ und „Postliberale“ dazu, das Gute im jeweils anderen zu entdecken, Gräben zu überwinden und miteinander zu lernen, wie man offen spricht und denkt?

All das beruht auf der Einsicht, dass unsere Welt einen tief greifenden Wandel erlebt. Das westlich dominierte Zeitalter der Moderne endet gut 500 Jahre nach Gutenberg, Kolumbus, Luther und Leonardo da Vinci. Über 300 Jahre Aufklärung haben manches verändert, aber mit der vermeintlich „reinen Vernunft“ als Richterin ist die Welt insgesamt nicht besser geworden. 200 Jahre Industriegesellschaft haben Inseln des Wohlstands geschaffen, die sich auf Dauer aber nicht gegen globales Elend abschotten können und aufgrund dieser Künstlichkeit ihre Bewohner innerlich leer gelassen haben. Noch kann niemand sagen, wie die neue Welt jenseits der Erschütterungen aussieht. Es scheint, als hätte Gott ein neues Abenteuer für uns bereit.

www.emergentvillage.com

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