Noch eine Woche bis Stuttgart…

In einer Woche steigt die Neue Alpha-Konferenz in Stuttgart. Es werden wohl an die 1.000 Leute und wir hoffen natürlich alle, dass gute Impulse von den zwei Tagen in der Liederhalle ausgehen.

Wenn ich in diesen Tagen Brigitte und Silke (unsere beiden Mitarbeiterinnen im Alpha-Büro) erlebe, denke ich mir manchmal, dass wir uns da ganz schön etwas eingebrockt haben als so ein kleiner Haufen von Idealisten: Die Koordination mit den Leuten aus England und den Partner-Organisationen hier in Deutschland ist richtig anspruchsvoll.

Aber ich finde es großartig, all diese Dinge in einem motivierten Team zu stemmen, wo jeder ruhig mal stöhnen und leise schimpfen darf, aber trotzdem alle an einem Strang ziehen und der Ton gut bleibt. Und es ist toll, dass wir mit tatkräftiger Unterstützung von Musikern, Technikern und Helfern aus der Gemeinde nach Stuttgart gehen.

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It’s the eschatology, stupid!

Brian McLarens Auseinandersetzung mit evangelikalen Altlasten zum Thema „Hölle“ fand große Resonanz diese Woche im Blog von Andrew Jones. Es war leider etwas mühsam zu lesen und irgendwie hoffe ich, dass wir manches Fachchinesisch (wie Pre-/post-/amillenial) gar nicht erst ins Deutsche übersetzen und dann wieder mühsam loswerden müssen. Offenbar haben die Amis da mehr Arbeit vor sich.

So absurd ich manche der Ideen fand, die nun (endlich) in der Kritik stehen, so sehr hat es mich auch wieder daran erinnert, dass Eschatologie (die Lehre von den „letzten Dingen“) eine ganz zentrale Rolle spielt für unseren gelebten Glauben.
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Warum „peregrinatio“?

Viele wissen ja, dass ich ein großes Interesse am keltischen Christentum habe. Ein besonders faszinierender Aspekt ist der Aufbruch ins Unbekannte (peregrinatio kommt von lat.: peregrinus = der Fremde). Obwohl diese Christen ihre Heimat liebten und in ihr verwurzelt waren, folgten sie dem Beispiel Abrahams und zogen in die Fremde:

„Aufgrund des Glaubens gehorchte Abraham dem Ruf, wegzuziehen in ein Land, das er zum Erbe erhalten sollte; und er zog weg, ohne zu wissen, wohin er kommen würde. Aufgrund des Glaubens hielt er sich als Fremder im verheißenen Land wie in einem fremden Land auf und wohnte mit Isaak und Jakob, den Miterben derselben Verheißung, in Zelten; denn er erwartete die Stadt mit den festen Grundmauern, die Gott selbst geplant und gebaut hat.“ (Heb. 11,8-10)

Für mich ist dies eine ständige Inspiration, auf dem Weg zu bleiben und nicht ängstlich zurück, sondern voller Hoffnung nach vorne zu sehen. Auch wenn uns selten so viele so gravierende Veränderungen ins Haus gestanden sind wie heute. Mit diesen Veränderungen und der Frage, wie der Weg der Nachfolge durch sie hindurch führen und uns zum Segen für andere werden lassen kann, beschäftigt sich dieser Blog.

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Quantensprung

Uuups – da hatte ich bisher mit meinem Strato-cgi-Popel-Blog quasi im Verborgenen „geübt“, und nun hat Thomas Glörfeld diesen blog-technischen Quantensprung realisiert. Hoffentlich werde ich da mit der Aktualität und Qualität meiner Beiträge Schritt halten können.

Auf jeden Fall: Danke Thomas und ein herzliches Willkommen an alle, die sich auf dieser Seite umsehen. Wenn Euch etwas zu meinem Geschreibsel einfällt, dann hinterlasst einfach einen Kommentar oder kommentiert die Kommentare anderer.

Nichts hier ist fertig. Aber vielleicht ist es ein guter Ort, laut zu denken, ins Unreine zu schreiben, immer in der Erwartung, dass Gott es dann auch seine Art zu seiner Zeit bereinigt. Wir werden sehen…

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Verantwortungsflüchtlinge

Gestern morgen las ich in der Zeitung, dass nach einer Studie des Innenministeriums inzwischen über 14% der jungen Frauen und über 26% der jungen Männer keine Kinder wollen. Gegenüber 1992 ist das ein Zuwachs von etwa 50% bei Frauen und über 100% bei Männern. Und es steht ja zu vermuten, dass die, die keine Kinder wollen, ziemlich sicher keine bekommen werden, während sich umgekehrt ja leider längst nicht bei allen anderen, die sich eigentlich Kinder wünschen, dieser Wunsch auch erfüllt.

Ob und wie sich dieser Trend umkehren lässt wird die Experten beschäftigen. Ich denke aber auch, dass die Zahlen deutlich zeigen, dass die Männer hier das größere Problem sind (und schon immer waren) – nicht die Frauen. Wie bringt man Männer dazu, gerne Verantwortung zu übernehmen?
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„Wir“ sind Papst…

Unter den vielen Kommentaren zur Papstwahl fand ich ausgerechnet eine Stimme aus England, die im Gegensatz zur Yellow Press nicht in Kriegsrhetorik verfiel, sondern den Bogen zum Kriegsende schlug. Charles Moore vom Daily Telegraph schreibt:

„Während der letzten 25 Jahre fand allwöchentlich ein Treffen statt, das der Geschichte des 20.Jahrhunderts zuwiderlief: Ein Pole und ein Deutscher berieten sich friedlich über den Ratschluss Gottes. Jeden Freitag traf Papst Johannes Paul II., der Pole, mit Joseph Kardinal Ratzinger, dem Deutschen, zusammen, allein. Jetzt ist der Pole tot, und der Deutsche ist Papst geworden. Letzteres wirkt fast noch erstaunlicher, als dass zuvor ein Pole Papst war. Während das Gros der polnischen Gesellschaft unter der kommunistischen Verfolgung seine katholische Integrität bewahrte, erlag die deutsche Gesellschaft der Verführung durch Hitler und kompromittierte sich völlig. Einen Mann zum Papst zu machen, der in jenen dunklen Jahren in jenem Milieu aufwuchs, heißt, dass auch die korrupteste Gesellschaft, wie die deutsche es war, erlöst werden kann. Indem die Weltkirche einen deutschen Papst an ihre Spitze wählt, wird auch Deutschlands Sühneleistung anerkannt und seine Ehre unter den Nationen wiederhergestellt.“

Das ist doch ein Wort, das sich von den übrigen Jubel- und Unkenrufen wohltuend abhebt. Dass Deutschland (und jedes andere Land) erlöst werden kann, sollte selbst allen Protestanten ein Ansporn sein.

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Wie bitte?

Manche Lieder sind schön fürs Ohr, aber eine echte Zumutung fürs Hirn. Heute habe ich in einem Treffen „Komm in Vollmacht“ singen müssen. Gott war gemeint. Das Problem ist, er ist der einzige auf der Welt, der das nicht kann (obwohl er natürlich allmächtig ist…). Vollmacht ist ja eine abgeleitete, übertragene Macht, man wird von jemand anderem autorisiert: Dem Staat, einer Institution, einem Mandanten etc. Gott hat keine Vollmacht, nur pure Macht. Der Liedtext ist also widersinnig. Aber wen stört das?

Mein anderer Favorit ist die Zeile Zeilen wie „ich geh im Geist auf die Knie“ (wie macht man denn das, bitte?). Die fromme Phrasensprache im Lobpreis treibt ihre ganz eigenen Blüten. Neulich betete jemand „Danke Vater, dass du für uns gestorben bist“. Das ist selbst nach dem Grundsatz „opera ad extra sunt indivisa“ („nach außen hin sind Gottes Werke nicht aufteilbar“) vermutlich die einzige Ausnahme in der Geschichte der Trinität: Gestorben ist tatsächlich nur der Sohn, und zwar ganz alleine.

Aber hat es jemand gemerkt, dass dieses Gebet etwas seltsam war? Leider nicht. Wir haben aufgehört, unseren eigenen Gebeten aufmerksam zuzuhören. Mir kommt es vor wie Textbausteine, die zufällig zusammenkopiert werden. Vielleicht sollten wir wieder anfangen, weniger und bewusster zu formulieren. Und um Vollmacht beten – für sinnvolle Texte.

Wer gerne weiterlesen und -denken möchte, kommt hier und hier auf seine Kosten.

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Wer möchte „missioniert“ werden?

Ich arbeite gerade an einem Artikel zum Thema „Warum ich nicht missioniere“. Es gab eine ganze Reihe von Anstößen dazu. Etliche Gespräche mit Freunden, aber auch die Lektüre von Brian McLarens Buch „More Ready Than You Realize“ und Teilen von „The Church On The Other Side“.

Die Begrifflichkeit (ein Verb, das aus einem Substantiv gebildet wurde) verrät schon das ganze Dilemma. „Evangelisieren“ ist sprachlich mindestens genau so schlimm. Warum fällt es uns so schwer, natürlich darüber zu sprechen, wie wir mit anderen Menschen über die gute Nachricht ins Gespräch kommen? Jesus konnte das (um gleich die steilste und prägnanteste Schriftstelle anzuführen) in Matthäus 28 noch ganz einfach: Geht – macht zu Jüngern – tauft – lehrt.

Die Künstlichkeit der Begriffe verrät die Künstlichkeit der Bemühungen. Wundert es da noch, wenn „Evangelisieren“ zur Pflichtübung wird und viele Christen trotz aller Seminare und Trainingsmaterialien einen gewissen Widerwillen hegen?

Mein nächstes Projekt wird es sein, eine Reihe von Nicht-Christen zu befragen, ob sie gerne missioniert werden möchten. Ich bin gespannt, welche überraschenden Antworten da kommen. Demnächst mehr zu diesem Thema, und wenn jemand Anregungen hat, her damit…

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Moskito-Verteidigung

Letzte Woche besuchte ich meinen Freund Udo Anrich, der für etliche Wochen in Orlando/Florida arbeitet. Wir besichtigten gemeinsam das „historische“ Fort DeSoto am Eingang der Tampa Bay. Es stellte sich heraus, dass die Festung Ende des 19. Jahrhunderts errichtet worden war (aus europäischer Perspektive nicht zwingend „historisch“ zu nennen) und obendrein war das Inselchen nie Schauplatz kriegerischer Auseinandersetzungen.

Der wahre Kampf mehrerer Generationen von unfreiwillig dort stationierten Rekruten schien sich vielmehr gegen die allgegenwärtigen Moskitos gerichtet zu haben, denen kaum beizukommen war. Schlaflose Nächte waren eher die Regel denn die Ausnahme.

Irgendwann wurde der Posten schließlich aufgelassen. Dennoch wurde der heldenhafte Einsatz für das Vaterland (da lassen sich die Freunde in den USA nicht lumpen) mit starken Worten gewürdigt und das Baudenkmal ist geschützt und restauriert worden.

Mich hat die Frage beschäftigt, ob wir nicht (als Christen, aber nicht nur die) auch hin und wieder solche sinnlosen Posten beziehen und dort unter Qualen ausharren – angetrieben von einem unstillbaren Sicherheitsbedürfnis. Das können ideologische Positionen sein, unreflektierte Glaubensüberzeugungen, Vorurteile gegen andere.

Vielleicht hätte man die Botschaft der Moskitos schneller begreifen können und etliche junge Leute davor bewahren, an den Rand des Wahnsinns zu geraten? Hat Gott sie als kleinen Wink dort „stationiert“? Und wo stehe ich in Gefahr, auf verlorenem Posten die falschen „Feinde“ zu bekämpfen?

Dscf1285 Fort deSoto heute: Angler und faule Seevögel

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Frischer Wind aus dem Westen: Eindrücke von der „Emergent Convention“ in San Diego

Man muss sich die Paradoxie auf der Zunge zergehen lassen: Während die Teilnehmer der nebenan statfindenden „National Pastors Convention“ Referate von Größen wie John Ortberg hörten und in Freizeitkleidung ohne Krawatte zu „modernem“ Lobpreis mit konzertreifer Rockband mit den Zehen wippten, saßen die 700 (im Schritt 10-15 Jahre jüngeren) Teilnehmer der „Emergent Convention“ meist in kleinen Diskussionsgruppen zusammen und sprachen über den Wert traditioneller Liturgie, die Bedeutung der Theologie Karl Barths oder der Quantenphysik, die Philosophiegeschichte seit der Aufklärung und vieles mehr, um so der Frage auf den Grund zu gehen, wie sich Kirche im 21. Jahrhundert verändern wird. Eines aber wollten sie auf gar keinen Fall sein – modern! Es wäre also zu kurz gegriffen wenn man hier an „Jugendgemeinden“ für 15-25 Jährige denkt – mit trendiger Musik, Piercings, verdunkelten Räumen, Videobeamern und Gottesdiensten, die ein hippes „X“ im Namen hatten (Für alle, die es noch nicht bemerkt haben: „X’e“ sind mega-out…).

Während hier wie in den USA immer noch viele geistliche Leiter und Theologen unter „Postmoderne“ einen plumpen, destruktiven Relativismus verstehen, der alles Streben nach Wahrheit aushöhlt und zersetzt, machen sich Denker wie Brian McLaren von der Cedar Ridge Community Church im Bundesstaat Maryland daran, ein differenzierteres Bild zu zeichnen. Auch postmoderne Menschen fragen nach Wahrheit, vielleicht sogar mehr als frühere Generationen. Aber sie misstrauen mit gutem Grund all jenen, die beanspruchen, über absolute Wahrheiten zu verfügen – seien es nun totalitäre Ideologien oder der Versuch, die christliche Botschaft auf vier Gesetze und ein Gebet in drei Sätzen an den persönlichen Heiland zu verkürzen.

Sie gewinnen so einen erfrischend neuen Zugang zu Dimensionen des Glaubens, die unsere vernunftgeprägte Theologie der Moderne – sei sie nun evangelikal oder liberal – verloren hatte. Sie entdecken die Bibel neu als eine dramatische Geschichte voller Rätsel, nicht als ein lückenlos erklärbares System von abstrakten (und damit universal gültigen) Satzwahrheiten. Sie fragen, welche Botschaft wir dadurch vermitteln, dass wir Gottesdienste in Theater- oder Kinobestuhlung feiern und auf alle anschauliche, handfeste Symbolik verzichten. Sie fragen, ob das Christentum auf Dauer nicht leidet unter dem Ideal „zeitgemäßer“, marktorientierter Mega-Gemeinden mit (durchaus „geistlichen“, keine Frage!) Leitern, die vor allem fähige Manager sind? Oder ob es richtig ist, dass Evangelisten allzu oft wie Verkäufer auftreten und argumentieren, oder (schlimmer noch) sich in moderner Kreuzzugs-Rhetorik üben?

Ich bin auf die „Emergent Convention“ gefahren, um Leute zu treffen, die sich als Grenzgänger verstehen und Denken in starren theologischen „Lagern“ hinter sich lassen. Dabei hat mich beindruckt, wie ernst und radikal hier genuin theologische Fragen diskutiert werden. Vieles, was in den letzten Jahren über den großen Teich geschwappt ist, hat sich weitgehend im Methodischen bewegt: Da wurden Gemeindekonzepte vermittelt, Prinzipien und Schritte-Modelle von Evangelisation verhandelt, das persönliche geistliche Leben unter die Lupe genommen – immer in der Annahme, alles beruhe auf einem selbstverständlichen Grundkonsens in Fragen der Offenbarung, Schriftauslegung, Christologie und Ekklesiologie und eines viel beschworenen, aber selten konkret erläuterten „biblisch-christlichen“ Weltbildes.

Dieses Weltbild, so stellt sich nun heraus, steckt voller moderner „Viren“: Es hat Individualismus auf Kosten von Gemeinschaft gefördert, den Schatz der Glaubenserfahrungen durch Reduktion auf allgemein gültige „Prinzipien“ flachgebügelt, mechanistische Gemeindekonzepte und Dienstleistungs- und Konsumchristentum erzeugt. Es wird obendrein von dem typisch modernen Grundbedürfnis beherrscht, die Welt zu erobern und zu dominieren. In dieser Hinsicht haben wir uns von den biblischen und historischen Ursprüngen des Glaubens entfernt, ohne es zu merken. Das Ende der Moderne, das wir nun erleben, bietet auch uns Christen einen Ausweg aus der Sackgasse. Und einen Neuanfang im Gespräch mit einer Welt, die immer mehr nach Gott fragt, aber am organisierten Christentum verzweifelt.

Es ist sicher kein Zufall, dass viele Lutheraner, Reformierte und Episkopale unter den Teilnehmern sind, die sich nicht unbedingt als Evangelikale verstehen würden. In den USA ist dies ohnehin eine problematische Selbstbezeichnung, wenn man nicht mit der Agenda der konservativ-fundamentalistischen „Christian Coalition“ identifiziert werden möchte, die nationales Pathos pflegt, gegen Abtreibung und Homosexualität zu Felde zieht, aber zu Armut und Krieg schweigt und Ökologie für überflüssig hält, weil ja die „Entrückung“ diese Probleme löst – für die Frommen zumindest. All das bringt der Theologe, Soziologe und Querdenker Tony Campolo gewohnt provokativ zur Sprache, und beweist zugleich, dass es nicht nur die Aufgabe der Jungen sein kann, neue Wege zu suchen. Bringt die Postmoderne also „Postevangelikale“ und „Postliberale“ dazu, das Gute im jeweils anderen zu entdecken, Gräben zu überwinden und miteinander zu lernen, wie man offen spricht und denkt?

All das beruht auf der Einsicht, dass unsere Welt einen tief greifenden Wandel erlebt. Das westlich dominierte Zeitalter der Moderne endet gut 500 Jahre nach Gutenberg, Kolumbus, Luther und Leonardo da Vinci. Über 300 Jahre Aufklärung haben manches verändert, aber mit der vermeintlich „reinen Vernunft“ als Richterin ist die Welt insgesamt nicht besser geworden. 200 Jahre Industriegesellschaft haben Inseln des Wohlstands geschaffen, die sich auf Dauer aber nicht gegen globales Elend abschotten können und aufgrund dieser Künstlichkeit ihre Bewohner innerlich leer gelassen haben. Noch kann niemand sagen, wie die neue Welt jenseits der Erschütterungen aussieht. Es scheint, als hätte Gott ein neues Abenteuer für uns bereit.

www.emergentvillage.com

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Denkmalschutz: Das konservative Dilemma

Ich komme eben von einer Versammlung konservativer Christen – viele nette Leute, fast alle deutlich älter als ich. Der Referent hat mir allerdings das Gefühl gegeben, ich bin im falschen Film. Wieder mal habe ich mich gefragt, ob Christsein und Konservativismus vereinbar ist. Ich glaube es nicht mehr.

Konservative wollen bewahren oder bestenfalls erneuern (nach alten Plänen – wie der Denkmalschutz). Ihr Blick ist rückwärts gewandt. Und auch wenn es natürlich stimmt, dass nicht alles Frühere schlecht war und über Bord geworfen werden darf, so ist das Reich Gottes keine vergangene, sondern allenfalls eine gegenwärtige, aber immer auch eine zukünftige, also noch offene Angelegenheit.

Wann immer wir das vergessen, werden wir konservativ. Dann friert man den Status Quo ein, indem man ihn verklärt. Oder – schlimmer – man klagt andere (die „Liberalen“ oder Modernisierer) als Verräter an. So habe ich es heute gehört. Wer ungewohnte Wege einschlägt, wird der Fahnenflucht verdächtigt. Die „gerechte“ Entrüstung sorgt für eine gewisse Schärfe in der Auseinandersetzung, die die Fronten zusätzlich verhärtet.

Konservativismus macht auch blind, weil er die Perspektive verengt. In den USA haben „konservative“ Christen George Bush an der Macht gehalten, weil er in die zwei Reizthemen Abtreibung und Homosexualität besetzt hat. Und – natürlich nicht zu vergleichen, sondern unendlich viel schlimmer! – weil Hitler sich als Konservativer gebärdete, sind 1933 viele „Fromme“ auf ihn hereingefallen und haben viel zu spät gemerkt, was sie angerichtet hatten.

Natürlich gibt es viele Dinge, die man nicht einfach über Bord werfen kann. Aber unser Heil liegt nicht im Blick zurück. Am Ende der Industriegesellschaft, der Aufklärungskultur, des Nachkriegs-Wohlstands und des christlichen Abendlands überwiegt die Diskontinuität. Wer das nicht begreift, läuft Gefahr, zur musealen subkulturellen Blase zu degenerieren. Auch so kann man wohl etliche Generationen überdauern.

Jesus – haben wir das vergessen? – wurde als Revolutionär hingerichtet. Zwar hat man das bewusst missverstanden, indem man ihn als „gewaltbereit“ einstufte. Aber er war gefährlich! Und seinen Nachfolgern legte man zur Last, sie würden den Erdkreis in Aufruhr versetzen, die Welt auf den Kopf stellen.

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Christen in die Politik – wirklich?

In letzter Zeit mangelt es ja nicht an Aufrufen, dass Christen sich politisch interessieren und einmischen sollen. Vor ein paar Wochen erreichte mich ein Brief an den Bundeskanzler samt der Aufforderung, diesen zu unterschreiben. Ich tat es nicht, denn der Brief von Dr. Hans Penner aus Linkenheim-Hochstetten enthielt unter anderem folgenden Absatz:

„Wer Gott nicht respektiert, dessen Verstand wird unbrauchbar und verfällt hirnrissigen Ideen wie Windräder und Klimaschutz oder er begeistert sich für widernatürliche Unzucht. Vielleicht sollte man auf den Hunde-Adventskalender Ihrer Frau die verheißungsvolle Prognose von Emanuel Geibel schreiben:

„Glaube, dem die Tür versagt, steigt als Aberglaub‘ durchs Fenster.
Habt die Gottheit ihr verjagt, kommen die Gespenster.“

Der Atheismus Ihrer Regierung läßt Deutschland in eine gespenstische Zukunft blicken.“

Am kommenden Sonntag nimmt der Kanzler an einem Gedenkgottesdienst für die Flutopfer teil, obwohl er diesen Brief erhalten hat und obwohl sicher etliche fromme Eiferer unterzeichnet haben. Natürlich ist er es gewohnt, Drohungen und Beschimpfungen zu erhalten und kann damit umgehen.

Ich schäme mich trotzdem, dass es immer noch Menschen gibt, die im Namen Christi solche Tiraden verfassen. Vermutlich denkt Jesus sogar über Windräder anders als Dr. Penner. Ganz sicher aber hat er in der Bergpredigt klar und deutlich gesagt, dass verächtliche Beschimpfungen in Gottes Augen ein Verbrechen sind. Ich habe dem lieben Mitchristen, der mir den Brief zur Weiterleitung zusandte, eine empörte Antwort geschrieben; der ließ seinerseits jedes Problembewusstsein vermissen.

Vielleicht sollten wir uns das mit den politischen Aufrufen noch einmal überlegen. Liebe ist ein großes und vielfach missbrauchtes Wort. Vielleicht sollten wir erst einmal ein paar Jahre über Achtung, Respekt, gute Umgangsformen und Toleranz (!) gegenüber Andersdenkenden sprechen – und das praktisch einüben. Macht Gerhard Schröder eigentlich auch etwas richtig – dann sollten wir ihn dafür loben. Wir sollten ihm im Zweifelsfall die denkbar besten Motive unterstellen und nicht die Sprache seiner übelsten politischen Gegner imitieren. Und wir sollten die, die sich daran nicht halten wollen, ebenso öffentlich zur Rede stellen, wie sie ihre peinlichen Statements abgeben.

Was ich hiermit tue.

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