Ich habe mich im August schon ein bisschen mit der Theologie des Alpha-Kurses beschäftigt, damals ging es um die Christologie und Soteriologie und die modernistische Grundfärbung. Ich möchte den Faden wieder aufnehmen und diese Woche zwei weitere Aspekte betrachten, die eng zusammenhängen: Die Suche nach Gewissheiten und der Umgang mit der Bibel. Zum einen ist das eine Antwort auf etliche Anfragen, die mich zu den Themen des Kurses erreicht haben, zum anderen denke ich, dass von einer offenen Diskussion alle profitieren, auch wenn der eine oder andere Kommentar unten kritisch ausfällt. Die positiven Seiten habe ich übrigens hier gewürdigt.
Das vierte Kapitel stellt die Frage nach der Heilsgewissheit – ein zentrales Anliegen der Reformation (Luthers Frage nach dem gnädigen Gott) und, ein paar Jahrhunderte später, auf einem etwas bescheideneren Niveau und beschränkt auf eine bestimmte Szene, immer noch ein beliebter Einstieg in „evangelistische“ Gespräche („Wenn du heute nacht sterben würdest, wärst du dir sicher, dass du in den Himmel kommst?“).
Und so geht es auch in diesem Kapitel über den Himmel, dessen Tür sich in der Form biblischer Verheißungen öffnet, die es nun bewusst anzunehmen gilt. Der zentrale Vergleich ist der Trauschein, der den Beziehungsstatus rechtlich eindeutig klärt. Wer Gottes Verheißungen annimmt und – um im Bild zu bleiben – die eigene Unterschrift dazu setzt, der hat das ewige Leben. Da spricht also wieder der Jurist.
Aber eine Ehe beginnt nicht nur mit einem Stück Papier, die Eheschließung ist auch ein Ereignis. Daher tritt zu Gottes Zusagen als zweite Säule der Gewissheit das Ereignis des Kreuzestodes Christi. Hier hinkt der Vergleich freilich, weil im Unterschied zur eigenen Eheschließung niemand von uns die Kreuzigung miterlebt hat, also muss das eigene Ja-Wort sozusagen nachgeschoben werden, wie die Beispielgeschichte des Hochseilartisten Blondin verdeutlicht, der eine Schubkarre über die Niagara-Fälle schob und die Zuschauer aufforderte, sich hineinzusetzen. Eigenartigerweise ist hier von der Taufe nicht die Rede. Ebensowenig vom Abendmahl, beides ist ja in der paulinischen Theologie ganz stark mit dem Gedanken des „In-Christus-Seins“ verknüpft, um das es hier eigentlich geht.
Und auch im dritten Argumentationsgang bleibt Gumbel bei der Ehe-Metapher: Das (all-)tägliche Wirken des Heiligen Geistes schafft ein neues Verhältnis des einzelnen zu Gott. Wieder ist alles ausschließlich vom Individuum her gedacht, der gemeinschaftliche Aspekt des Glaubens wird erst sehr spät im Kurs thematisiert. Vielleicht fehlt deshalb der sakramentale Bezug. Alles spielt sich in Worten ab und bewegt sich in der Dimension der Innerlichkeit. Am Ende des Kapitels fällt dann wieder der schon beschriebene „Methodismus“ (nicht im konfessionellen Sinn!) auf, wenn es dort heißt:
Wenn Sie nicht sicher sind, ob Sie je wirklich Ihren Glauben auf Jesus gesetzt haben, dann können Sie das folgende Gebet sprechen. Es kann zum Startpunkt für Ihr Leben als Christ werden. Sie können dadurch alles empfangen, was Christus durch seinen Tod bewirkt hat.
Es folgt ein schlichtes Buß- und Übergabegebet. Vielleicht schweigt der Text auch deshalb von den Sakramenten, weil man noch in der alten Frontstellung (vgl. die alte pietistische Polemik gegen die „Namenschristen“) gegen eine diametral entgegengesetzte Objektivierung des Christseins steht, derzufolge die institutionelle Kirchenmitgliedschaft (bzw. der Taufschein) die Frage nach dem Gottvertrauen und Glaubensgehorsam – und damit jede konkrete Praxis der Nachfolge – überflüssig erscheinen lassen. Auf der Strecke bleiben die reiche Symbolik der Sakramente, ihr Gemeinschaftsbezug und das sinnliche Erleben – alles Aspekte, die im Bild von der Ehe durchaus eine Rolle spielen. Man kann – um noch einen anderen Brückenschlag zu versuchen – so ein Gebet vielleicht als eine Art Konfirmationsversprechen sehen (oder dessen Aktualisierung). Aber es kommt ja andererseits nicht von Ungefähr, dass der übliche Ort eines solchen Versprechens der Abendmahlsgottesdienst ist…
Stattdessen gründet sich nun die Gewissheit des neuen Lebens in Gott nun de facto auf ein trockenes, vorgestanztes Gebet, und die Frage stellt sich: Was kommt danach?
Hallo Peter,
einerseits verfolge ich recht
fasziniert Deine kritischen Artikel über Alpha, andererseits bin ich
etwas verwirrt: Ohne dass ein missionarischer Glaubenskurs
theologische Fragen elementarisiert und eben auch manchmal
simplifiziert, kann er doch gar nicht funktionieren, dachte ich
bisher. Ich habe den Alphakurs bisher als tolle Möglichkeit gesehen,
eine bestimmte Zielgruppe von Menschen zu erreichen und über diese
evangelikale Schiene herauszufordern, sich über Grundlagen des
christlichen Glaubens existenzielle Fragen zu stellen…
Bis jetzt habe ich ein einziges Mal in
einem Alphakurs mitgearbeitet. Ehrlicherweise war ich ganz froh, dass
ich nicht die Vorträge verantworten musste, das hätte dann doch
theologisch an ein paar Stellen kollidiert… Aber ich hatte den
Eindruck, dass den TeilnehmerInnen die Themen und Erklärungen ganz
einleuchtend waren, dass sie viel damit anfangen konnten. Zum Teil
waren schon z.B. die unterschiedlichen Bilder für das
Kreuzesgeschehen (Schuldentilgung, Loskauf etc.) fast zu komplex für
die Gruppe. Also, vielleicht ist ja meine Einstellung, das Ganze so
ein bisschen aus pädagogischer Höhe zu betrachten und zu fragen,
wie man komplizierte Sachverhalte einer bestimmten Zielgruppe
nahebringt, leicht arrogant – aber wie sollte man es denn machen?
Natürlich gibt es andere Zugangsweisen
zum Glauben (ob über Erfahrungen mit Sakramenten, mit Gemeinschaft
etc.) als das starre evangelikale Bekehrungskonzept mit einem
Übergabegebet. Aber würden diejenigen Leute, denen solche
„sinnlichen“ Zugänge näherliegen und die sich irritieren lassen
von der Einfachheit eines Übergabegebets, überhaupt in einen
Alphakurs kommen? (Zumindest einen zweiten Abend?) Und für sehr
viele Menschen ist solch ein Gebet eine große Hilfe im Glauben, die
Gewissheit vermittelt. (Für mich übrigens auch, trotz
Theologiestudium…)
Würde es nicht reichen, solche
Differenzierungen in Christologie und Soteriologie und… denjenigen
Menschen (in einem Gamma-, Delta- o.ä. Kurs oder im persönlichen
Gespräch) anzubieten, die tiefgehendere Fragen zu diesen Themen
äußern, für die die Antworten des Alphakurses nicht ausreichen?
Herzliche Grüße!
Angelika
Hallo Angelika, freilich muss ein Kurs elementarisieren, aber es ist ja auch interessant, welche Mittel und Metaphern dabei verwendet werden und welche nicht, was man sagt und was man auslässt. Darüber habe ich mir in den letzten Jahren viele Gedanken gemacht. Heute merke ich, so wie Nicky Gumbel würde ich es selbst nicht (mehr) sagen, weil ich bestimmte Punkte (vgl. die Posts) nicht stimmig finde. Und genau dieses Feedback habe ich auch von einer ganzen Reihe von Leuten bekommen.
Nun schreibe ich hier im Blog nicht für die Gäste eines Glaubenskurses, sondern für die, die welche veranstalten, weil ich denke, das geht durchaus anders. Also fallen diese Posts auch theologischer aus. Wie man das auf ein elementareres Niveau bringt, kann dann gern jeder selbst überlegen.
Hallo Angelika, freilich muss ein Kurs elementarisieren, aber es ist ja auch interessant, welche Mittel und Metaphern dabei verwendet werden und welche nicht, was man sagt und was man auslässt. Darüber habe ich mir in den letzten Jahren viele Gedanken gemacht. Heute merke ich, so wie Nicky Gumbel würde ich es selbst nicht (mehr) sagen, weil ich bestimmte Punkte (vgl. die Posts) nicht stimmig finde. Und genau dieses Feedback habe ich auch von einer ganzen Reihe von Leuten bekommen.
Nun schreibe ich hier im Blog nicht für die Gäste eines Glaubenskurses, sondern für die, die welche veranstalten, weil ich denke, das geht durchaus anders. Also fallen diese Posts auch theologischer aus. Wie man das auf ein elementareres Niveau bringt, kann dann gern jeder selbst überlegen.