Seltene Toleranz

Ich hatte schon davon gehört, aber spät am Abend bei einem Glas Wein sind Martina und ich mit Peggy und Tony Campolo noch über dieses und jenes ins Gespräch gekommen und schließlich auch beim Thema Umgang mit Homosexualität in der Kirche gelandet. Martina hat die Geschichte aus Peggys Sicht erzählt bekommen, ich von Tonys Seite.

200705301412Tony vertritt die konservative Position, wie die meisten Evangelikalen. Er hält Homosexualität bestenfalls in Ausnahmefälllen für “therapierbar” und rät daher zur Enthaltsamkeit – wohl wissend, dass dies für die Betroffenen eine große Zumutung darstellt. Peggy dagegen vertritt die liberalere Position und wünscht sich, dass die Kirchen auch ernsthafte, monogame gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften unterstützen. Manchmal sind die beiden gemeinsam irgendwo eingeladen und diskutieren das strittige Thema vor Publikum.

Das Interessanteste an dem ganzen Gespräch war für mich, mit welchem Respekt Tony die Argumente seiner Frau dargestellt hat: völlig frei von jeglicher Polemik, die ja fast nicht totzukriegen ist, wenn es um Homosexualität geht.

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Er gesteht freimütig ein, dass seine eigene Position mindestens so sehr auf die Auslegungstradition der Kirche wie auf die wenigen relevanten Bibeltexte setzt und dass Peggy etliche gute und interessante Argumente dafür hat, dass man diese Texte auch anders verstehen kann. Die beiden schaffen es also, friedlich eines der großen kirchlichen Streitthemen zu verhandeln und sich darüber nicht zu entzweien. Dabei muss Tony für die Statements seiner Frau eine Menge Prügel aus dem konservativen Lager einstecken, wie man sich unschwer vorstellen kann (George W. Bush begrüßte Tony beim bisher einzigen Zusammentreffen mit den Worten: “Meine Berater sagten, ich sollte den Mann kennen lernen, der mehr negative Hits im Internet hat als ich.”).

Vielleicht (nein: bestimmt!) werden mir jetzt nicht alle zustimmen – aber ich finde, es macht Hoffnung, dass man diese Spannung auch bei dem hohen Profil beider und unter solchem Druck über Jahre aushalten kann. Tony fand offenbar, dass es ein denkbar ungeeigneter Anlass für gegenseitige Ausschlüsse und Verurteilungen ist. Darüber und über das Leid, das harsche Reaktionen über viele Menschen gebracht haben, ist er genauso unglücklich wie Peggy auch.

Gestern habe ich ja geschrieben, dass Tony gerne etwas stichelt. Aber diese andere Seite an ihm muss man auch sehen – und davon lernen.

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