Jesus war für die meisten seiner Zeitgenossen ein extrem gewöhnungsbedürftiger Messias, weil er viel zu friedlich und gewaltlos daherkam. Programmatisch wird das in seiner ersten Predigt in Kapernaum, wo er Jesaja 61 zitiert und das Gnadenjahr ausruft, aber genau da abbricht, wo (das wissen seine Hörer ganz genau) von Gottes Vergeltung die Rede ist.
Manche Christen sagen nun: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben, beim ersten Kommen war Jesus lieb und sanft, aber beim zweiten Kommen wird er all das nachholen, das Zuckerbrot gegen die Peitsche tauschen – und dann folgten unterschiedliche Visionen göttlichen Zorns, von Strafe und Vergeltung (und ja, es lassen sich manche Bibelstellen so auslegen – nur, ist das sachgemäß?).
Das Problem dabei ist nämlich, dass das gesamte NT davon spricht, dass Gott sich in Christus (genauer: in dem irdischen Jesus) umfassend offenbart hat. Wer also denkt dass Jesus bei seiner Wiederkunft Gerechtigkeit (das hoffen alle Christen) aufrichtet, indem er primär bestraft, vergilt und vernichtet, der nimmt diese Aussagen nicht ernst. So gesehen hätte sich Gott in Christus nämlich gar nicht offenbart, sondern als nett und freundlich verstellt, um später doch noch gewalttätig zu werden. Zudem begeht man denselben Fehler wie die Pharisäer und Schriftgelehrten zur Zeit Jesu (die konnten sich auch auf Bibelstellen berufen, aber das hat Gott anscheinend nicht davon abgehalten, genau diesen Weg zu wählen).
Also dürfen wir alle gespannt sein, wie Jesus bei seinem zweiten Kommen sich wieder als die Liebe zeigt, die sich selbst verschenkt und bis ins größte Extrem geht, um das Verirrte zu finden und zu versöhnen. Das finde ich eine wahrhaft weihnachtliche Perspektive auf die letzten Dinge. Dann hätten wir aus dem ersten Kommen vielleicht wirklich etwas gelernt.
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