Die Ohnmacht der Mächtigen

201211261137.jpg Das Emergent Forum am kommenden Wochenende steht unter dem Motto „Die Macht der Ohnmächtigen“ und unser Basistext wird das Magnificat sein. Aber die Perspektive lässt sich auch umdrehen. Zwar haben viele Mächtige nicht nur alle möglichen Annehmlichkeiten, sie können ihre Position auch benutzen, um Kritikern und Konkurrenten das Leben schwer zu machen.

Ob das allerdings bedeutet, dass sie frei sind, steht auf einem ganz anderen Blatt. Denn das System, dem sie ihre Macht verdanken, lässt ihnen keineswegs unbeschränkte Freiheit. Sie können im Grunde nur systemkonform handeln: materielle und finanzielle Vorteile mitnehmen, sich gegen Kritik immunisieren, Lob und Schmeicheleien entgegennehmen, Sanktionen verhängen.

Dagegen wird es immer schwerer, sich den gedanklichen Zwängen des Systems zu entziehen, die Wirklichkeit ohne die alten Filter und Schablonen wahrzunehmen, die eigene Identität zu unterscheiden von der gesellschaftlichen Funktion und die Verantwortung für sein geborgtes Reich wieder loszulassen. Das gelingt nur wenigen. Viele verschmelzen mit ihrer Rolle. Ihre Entscheidungen haben nichts Individuelles mehr an sich, sondern sie werden von „Sachzwängen“ diktiert. Jede(r) andere hätte an ihrer Stelle mehr oder weniger dasselbe getan. Nicht systemkonform zu agieren würde dagegen in den meisten Fällen nicht zu einer Veränderung des Systems, sondern zum Verlust der Machtposition des Einzelnen führen. Extremstes Beispiel: Der Mafiaboss, der Abtrünnige nicht drakonisch bestrafen lässt, verspielt seine Autorität, die nämlich auf dem Schrecken beruht, den er verbreitet. Die Macht zu verzeihen hat er im Grunde gar nicht. Etwas banaler: In einem ausbeuterischen Wirtschaftssystem mit gnadenloser Konkurrenz hat auch ein wohlwollender Chef nur begrenzte Spielräume für höhere Löhne. Angela Merkel gilt als die mächtigste Frau der Welt, aber zum Regieren braucht sie Horst Seehofer und die FDP…

Auf einer etwas simpleren Ebene finden wir diesen Unterschied schon zwischen Kindern und Eltern. Vermutlich träumt jedes Kind, dem die Eltern gerade etwas verbieten, davon, dass es irgendwann groß ist und endlich tun kann, was es will. Ist es dann so weit, stellt der Mensch fest, dass diese Freiheit nur eine theoretische ist: Erstens will man manche Dinge nicht mehr, die man als Kind noch toll fand, zweitens hat man mehr zu verlieren und mehr Verpflichtungen einzuhalten, und man weiß zudem, dass manche Wünsche beträchtliche unerwünschte Nebenwirkungen hätten – für einen selbst oder für andere.

Oder zwischen Bürgern und Politikern: „Die da oben“ haben aus ihrer Sicht oft nur die Wahl zwischen größeren und kleineren Übeln. Große Würfe und rapide Veränderungen sind in den Gremien und der Öffentlichkeit selten durchsetzbar, der Handlungsspielraum nicht nur vom Geld begrenzt. Echte Querdenker schaffen es selten bis ganz nach oben und manche Ex-Idealisten werden nach dem erfolgreichem Marsch durch die Institutionen plötzlich zu konservativen Exponenten des Systems, das sie nun repräsentieren.

Um nicht missverstanden zu werden: Freilich sind die Mächtigen nicht keine „Opfer“, und sie bleiben stets verantwortlich für Ihr Tun und Lassen. Aber damit jemand bereit ist, sich gegen das System zu wenden und zum Märtyrer zu werden, muss er von der Alternative wirklich überzeugt sein. Man braucht etwas Größeres, wofür zu „sterben“ (sprich: seinen guten Ruf, seine Karriere, seine Bequemlichkeit etc. zu opfern) sich lohnt. Und man braucht Menschen um sich her, die das mittragen.

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Zwischen Hoffnung und Resignation

Die Bemühungen, den Klimawandel in halbwegs vernünftigen Grenzen zu halten, müssten sehr schnell einsetzen. Das hat inzwischen sogar die Weltbank erkannt, die normal nicht an vorderster Ökofront kämpft. Hier bei uns wird derzeit über die vermeintlich so teure Energiewende diskutiert – vermeintlich deshalb, weil die versteckten Subventionen für Kohle und Atomstrom in den Berechnungen nirgends auftauchen.

Wenn diese Woche in Doha der UN-Klimagipfel tagt, dann kann man nur hoffen, dass die zaghaften Ansätze eines Umdenkens in den USA, die bislang zu den großen Bremsern einer koordinierten Klimapolitik gehörten, schon erste Früchte tragen. Nicht auszudenken, was ein Sieg der Republikaner bedeutet hätte, von denen die meisten den Klimawandel für eine kommunistische Verschwörung halten.

Es ist eine neue Situation: Alle Nationen sitzen in einem Boot. Derzeit glauben allerdings noch zu viele, sie könnten das Rudern einigen wenigen überlassen und man käme immer noch schnell genug vom Fleck, um dem Sturm zu entgehen.

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