Virtuelle Freunde und „echte“ Bekannte

„Wer hat, dem wird gegeben“ – der Satz trifft mit Sicherheit auf Facebook-Freunde zu. Die ersten hundert dauern eine Weile, dann werden es immer schneller immer mehr, dafür sorgt das geschäftstüchtige Unternehmen schon selbst mit seinen Vorschlägen, wen man vielleicht noch so alles kennen könnte.

Ich finde, dass Facebook eine wunderbare Möglichkeit ist, mit Freunden und Bekannten in Kontakt zu bleiben, gerade auf große Entfernungen. In letzter Zeit kommen aber auch immer wieder Freundschaftsanfragen von völlig unbekannten Menschen bei mir an, meist ohne irgendeinen erklärenden Kommentar.

Nun ist es um mein Namensgedächtnis nicht immer gut bestellt, vielleicht haben wir uns ja irgendwann mal getroffen. Wenn ich dann aber auf die „Freunde“ der Person klicke, um mir irgendwie ein Bild zu machen, wer da fragt, dann sehe ich da nicht immer, aber oft eine regelrechte „Kollektion“ von Namen, die in dieser oder jener Szene guten Klang haben oder als wichtig gelten. Und unter dem „Profil“ des potenziellen neuen Freundes steht oft irgendeine passende Parole.

Und so ist es eine zwiespältige Erfahrung: In die Galerie wichtiger Menschen eingereiht zu werden, ist ja irgendwie schmeichelhaft. Weniger angenehm ist der Gedanke, dass es gar kein echtes Interesse an mir sein könnte, sondern nur der Versuch, eine (für wen auch immer) möglichst beeindruckende Liste von „Freunden“ vorweisen zu können, das hinter mancher Anfrage steht.

Also bleibe ich doch lieber bei echten Freunden und tatsächlichen Bekannten, auch auf Facebook. Ganz so virtuell muss es ja nicht sein.

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Beten unterm Davidstern?

Vor kurzem warf ich einen Blick in den Gottesdienstraum einer Freikirche und sah dort einen großen Davidstern an der Wand. Und kam ins Grübeln darüber, wie angemessen dieses Symbol dort nun eigentlich ist.

Das Hexagramm hatte ursprünglich auch keinen exklusiven Bezug zum Judentum, im Mittelalter wurde es von verschiedenen Glaubensrichtungen als Talisman verwendet, verrät die Wikipedia. Ab dem 18. Jahrhundert wurde der Davidstern dann zum Symbol des Judentum, um dann von den Zionisten als eher säkulares Symbol benutzt zu werden. Mittlerweile ziert er die Nationalflagge des Staates Israel.

Was sagt es dann also aus, wenn man einen Davidsstern in einen Gemeindesaal hängt? Manche kirchlichen Traditionen sind ja symbolisch etwas verarmt, und nun ist man bei der Nachrüstung vielleicht nicht sehr wählerisch. Und weil das Geschichtsbewusstsein mancher junger Gemeinden nicht sehr entwickelt ist, rutscht nun ein Talisman hinein, obwohl man sonst alles Magische peinlichst meidet.

Vielleicht will man das positive Verhältnis zwischen Christen und Juden (historisch keineswegs eine Selbstverständlichkeit in unseren Breiten) betonen, oder sogar die Identifikation mit den Opfern des dritten Reichs, die den „Judenstern“ als Zeichen tragen mussten. Aber das könnten Juden ja auch als respektlose Vereinnahmung empfinden, wie das etwa bei der Pesach-Feier der Fall ist.

Will man dem Staat Israel damit seiner Solidarität versichern? Aber es ist seinem Selbstverständnis nach ein säkularer Staat, und nicht einmal alle Strömungen im Judentum sehen den uneingeschränkt positiv. Noch etwas direkter gefragt: Erhebt man mit dem Davidstern an der Wand nicht qua Symbolsprache den Zionismus zum offiziellen Glaubensgegenstand? Und wie lässt sich das damit verbinden, dass Jesus die nationale Agenda seiner Zeitgenossen extrem kritisch kommentierte?

Oder soll es, etwas unglücklich und höchst missverständlich symbolisiert, nur sagen, was die EKD hier so formuliert hat: „Christen kommen durch Jesus Christus zu dem Gott, der sich unverbrüchlich mit Israel verbündet hat“?

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