Advent 2010 (1): Das ewig alte Lied?

Unser Podcast hatte diese Woche ein technisches Problem, da habe ich beschlossen, die Predigt vom Sonntag in mehreren Abschnitten zu posten, für alle, die es nochmal nachlesen wollen, wenn -hören schon nicht geht. Morgen geht es weiter mit Teil 2.

In diesen Tagen ist die Frage ja erlaubt: Wartet die Welt auf irgendetwas? Alle wirken so beschäftigt. Die Mächtigen wollen, dass alles so bleibt, wie es war. Die Pyramiden, auf denen ihre Macht beruht, sollen halten. Bestenfalls rutscht der einzelne einen Platz nach oben. Und selbst viele, die unten sind in den Pyramiden, träumen nur vom Aufstieg, nicht vom Abbruch dieser Konstruktionen – ein armseliger Traum mit tragischen Folgen. Religion und Militär hatten aus der Sicht der Pyramidenkönige schon immer den Zweck, diese zu sichern und dafür zu sorgen, dass alles beim Alten bleibt. Das war schon im Alten Orient so. Das Symbol dafür war neben der Pyramide das Rad: Es dreht sich immer im Kreis. Einzelne Menschen kommen und gehen, werden geboren und sterben, aber das Volk bleibt und das Großreich mit seinem Gottkönig auch. Es konnte nichts Neues geben. Das Neue kann nur ein Irrtum sein. Wirklich Bestand hat nur das ewige Jetzt.

Nur einer sprang ab vom ewigen Rad. Ein Verrückter, der die Stimme eines Unsichtbaren gehört hatte, eines Gottes, der weder Namen noch Adresse an einer der Prachtstraßen Mesopotamiens vorzuweisen hatte. Abram verlässt Ur und folgt der Verheißung des Neuen. Später hört Mose die Stimme des unbekannten Gottes, von dem es keine Bilder geben durfte, und führte Israel aus dem Schatten der Pyramiden Ägyptens in das Land der Verheißung. Ein Volk von Propheten, das von dem her lebte, was erst noch kommen sollte. Eine Oase der Möglichkeiten in der Wüste ewiger, unerbittlicher Notwendigkeit und Schicksalhaftigkeit.

Aber auch Israel bekommt Probleme. Seine Könige bauen die Pyramiden nach, die sie verlassen hatten. Sie stellen Armeen auf, sie instrumentalisieren die Priester und das Heiligtum, sie bürden den Armen hohe Abgaben auf und bevorzugen die Reichen. Sie verstopfen ihre Ohren gegen die Klagen des Volkes und die Stimmen der Propheten. Am Ende werden Israel und Juda überrollt. Die Militärmaschinen der Assyrer und Babylonier walzen über es hinweg. Es kommt unter das Rad der Geschichte, die offenbar immer eine Geschichte der Großen ist.

Die Revolution ist beendet. Die Reformer sind gestrauchelt.

Das Experiment ist gescheitert. Die Utopie ist gestorben.

Die Lieder von der verheißenen Freiheit sind verstummt.

Die Kriegsmaschinen und Kultbetriebe der Großen drehen sich ungestört weiter und ihr gleichbleibendes Summen scheint zu sagen: Selig die nichts mehr erwarten, denn sie können nicht enttäuscht werden.

Bei uns sind dieses Jahr die Reichen wieder um viele Millionen reicher geworden und die Armen bekommen … 5 Euro mehr Hartz IV – vielleicht. Banker beziehen wieder unanständig hohe Boni, Herr Berlusconi hat wieder ein Misstrauensvotum überlebt. Wir Deutschen sind der drittgrößte Waffenexporteur der Welt, die Wirtschaft brummt auch deshalb und die Bundeswehr verteidigt unverklemmt die Handelswege. Alles bliebt beim Alten: Firmen verlagern Jobs und vergiften weiter Arbeiter und Umwelt, die Eliten verlagern ihre Konten und verachten die Armen, Scharfmacher hier und anderswo gießen Öl ins Feuer der Konflikte, weil man so mehr Bücher, Waffen, Menschen oder Rohstoffe verkaufen kann. Und selbst in den Oasen des Wohlstands: Menschen fühlen sich wie die Zahnräder des Systems: Sie stehen neben sich, sie werden gelebt, alle positive Leidenschaft für einen Beruf, mit dem man sich identifizieren kann, für Menschen, an die man sich mit Haut und Haaren verschenkt, scheint blockiert. Es fehlt den Dingen der Glanz, nichts leuchtet mehr.

Damals wie heute – das Alte scheint so übermächtig. Gott scheint so

… schwach

… abwesend

… desinteressiert?

Ehrlich: Was soll man da noch erwarten? Es müsste schon ein Prophet kommen, um den verhangenen Horizont aufzureißen…

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