Reformatorische Wochen :)

Sonntag vor einer Woche war Nadja Bolz-Weber bei uns. Wir haben einen eindrücklichen Gottesdienst mit deutsch-amerikanisch lutherischer Liturgie gefeiert und auch Nadjas Predigt (einige hatten schon danach gefragt) hat das typisch lutherische Verständnis von der Gnade Gottes, die wir so allesamt nötig haben, aber uns nicht selbst zusprechen können, ins Zentrum der Gedanken gestellt.

Gestern ging es im Rückblick darauf und aus Anlass einer Kindersegnung um die Frage der Rechtfertigung aus Glauben (missional verstanden, um mal dieses Schlagwort zu verwenden), kräftig inspiriert durch Tom Wright und seine neue Paulusperspektive – zumindest so weit, wie ich diese begriffen habe 🙂

Beides gibts im ELIA Podcast

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Einfach der Lust folgen

Franz Jaliczs über geistliche Begleitung und die wichtige (aber in Zeiten von „Schluss mit lustig“ unpopuläre) Frage, wozu jemand – zumal der pflichtbewusste Mensch – denn nun eigentlich Lust hat:

Diese innere Neigung, die wir Lust oder Freude nennen, fasst die lebenswichtigen Faktoren zusammen und zeigt die Summe der inneren Bestrebungen; deshalb können wir sie als den Ausdruck des Willens Gottes erkennen, falls sie auch die erhabeneren Wünsche einschließt und nicht nur niedrigere Empfindungen, wie die Bequemlichkeit und die Faulheit. Letzten Endes ist diese Veranlagung, die wir Lust nennen, der Ausdruck aller unserer Neigungen und Überlegungen. Ihr gehört das letzte Wort vor einem verantwortlichen Entschluss. Es ist sehr vorteilhaft, nach ihr zu fragen und ihr Bedeutsamkeit beizumessen, damit sie offenbar wird. Wozu wir Lust haben, gibt unserem Entschluss Sicherheit und verstärkt das Gefühl der Freiheit.

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Weisheit der Woche: Soteriologie und Soziologie

Immer wieder wird ja zwischen Gottes Wirken (vertikal) und menschlichen Auswirkungen (horizontal) unterschieden, aber so richtig trennen lässt sich die Soziologie von der Soteriologie (d.h. der Lehre von der Erlösung) nicht, schreibt Tom Wright im Blick auf Paulus:

… die Soteriologie selbst ist für Paulus in dieser Hinsicht „horizontal“, dass sie mit Gottes Absichten innerhalb der Geschichte zu tun hat, während die Soziologie für Paulus vertikal ist, weil die eine multi-ethnische Familie, die durch den Messias konstituiert wird und in der der Geist wohnt, der Welt als ein mächtiges Zeichen dienen soll, dass Israels Gott, der Gott Abrahams, ihr Schöpfer, Herr und Richter ist.

Tom Wright, Justification, S. 106

Gerechtfertigt zu sein bedeutet also nicht nur, die Qualifikation für „den Himmel“ in der Tasche zu haben, sondern zu diesem bunten Haufen von Menschen quer durch alle (Sub-) Kulturen, sozialen Schichten, Rassen und Geschlechter zu gehören, der dem Messias in seiner Mission nachfolgt, und dem die Botschaft der Versöhnung und Hoffnung für alle Menschen aufgetragen ist und der sich daher von alten Grenzziehungen nicht mehr aufhalten lassen darf.

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Konservative sind auch nicht mehr das, was sie mal waren

Ich hatte schon immer das Problem, links und rechts zu unterscheiden. Wenn ich es spontan sagen muss, habe ich eine Fehlerquote von 50% – das sagt schon alles. Inzwischen gilt das auch für die Politik, und seit heute weiß ich auch warum. Hier ein kleiner Ausschnitt aus Matthias Matusseks Abrechnung mit dem heutigen politischen Konservativismus im Spiegel – unbedingt ganz lesen und bis zur Bundestagswahl den Zorn bitte nicht herunterschlucken:

Dem Konservativismus, mit dem ich groß geworden bin, wäre über diese Blasiertheit der Kragen geplatzt. Er hatte mit der Bergpredigt zu tun. Er fand, dass uns das Elend der anderen angeht, dass Eigentum verpflichtet. Er hätte die gigantische Umverteilung der vergangenen zehn Jahre – den Rückgang der Reallöhne um 4 Prozent, die Steigerung der Unternehmensgewinne um 60 Prozent – als Skandal gesehen. Eigentlich muss Gregor Gysi nur diese Zahlen nennen und ansonsten den offiziellen Armutsbericht der Bundesregierung hoch- und runterbeten, und der Konservativismus, den ich kennengelernt habe, hätte ihm grimmig zugestimmt.

Nicht nur er. Die letzte Enzyklika des Papstes, „Caritas in veritate“, drehte sich um nichts anderes als um Gerechtigkeit und Gemeinwohl. Sie beschwört im Übrigen die Gefahr, dass eine Wirtschaft ohne Verantwortungsethik sich selbst zerstören wird. Wir indes erleben, wie der konservative Klassenkampf von oben total geworden ist, ökonomisch genauso wie mental. Er hat Werte zertrümmert, radikaler, als es die Linke je vermocht hätte. Er hat ein kaltschnäuziges System geschaffen, das dem abgehängten Rest der Gesellschaft nach unten zuruft: Strengt euch gefälligst an.

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beschleunigter Puls

pulstitelNur noch knapp drei Wochen, dann geht unser neuer Gottesdienst „puls“ an den Start. Ab dem 4. Oktober sind wir alle zwei Wochen am Sonntag abend im Museumswinkel. Die erste Staffel trägt den Titel „Rhythmus des Lebens“.

Im Unterschied zu LebensArt, das wir vor über einem Jahr abgesetzt hatten, wird puls ruhiger verlaufen. Es wird meditative Elemente geben, eine rudimentäre Liturgie, keine Band und kein Theater, aber Stationen und Möglichkeiten, miteinander ins Gespräch zu kommen.

Weitere Infos und unseren Flyer zum Download gibt es hier.

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Eine Frage der Rhetorik?

Deutschland im September 2009: Der Rat der EKD hat sich gegen eine pauschale Verurteilung evangelikaler Christen und gegen Vergleiche mit islamischen Fundamentalisten ausgesprochen. Anlass war ein Beitrag des ZDF-Magazins Frontal 21 mit dem Titel „Sterben für Jesus – Missionieren als Abenteuer“ vom 4. August. Evangelikale fühlen sich diffamiert, und diesmal – das findet auch die EKD – ist es vielleicht doch mehr als der übliche fromme Verfolgungskomplex, der eher der Immunisierung gegen Kritik von außen dient.

Gleichzeitig habe ich im Urlaub mitbekommen, wie anders Evangelikale in Großbritannien gesellschaftlich verankert sind. Der theologische Referent der Evangelical Alliance und ihr Generaldirektor waren beide innerhalb einer Woche in verschiedenen Live-Sendungen der BBC zu sehen. Wenn Evangelikale hierzulande nun in manchen Fällen tatsächlich Opfer unfairer Berichterstattung sind, dann ist das vielleicht auch dadurch begünstigt worden, dass man sich in der Öffentlichkeit ungeschickt positioniert bzw. dass an vielen Stellen an der Basis tatsächlich problematische Positionen in einer noch problematischeren Sprache vertreten werden.

Eine spannende Frage ist dabei ja auch, warum der Dalai Lama Homosexualität als unnatürlich beschreiben darf, ohne eine Proteststurm hervorzurufen. Mein Verdacht ist, dass der Einsatz des Dalai Lama für den Frieden ebenso eine Rolle dabei spielt (die wenigsten Evangelikalen sind grundsätzliche Verfechter der Gewaltfreiheit) wie vor allem auch die Tatsache, dass er grundsätzlich mit dem Pluralismus unserer Gesellschaft deutlich weniger auf Kriegsfuß zu stehen scheint als konservative Christen, die in Deutschland leider allzu oft noch eine Rhetorik pflegen, die den eigenen Standpunkt absolut zu setzen scheint. Die Herzenshaltung dahinter mag – zum Teil jedenfalls – ganz anders sein, aber sie bleibt verborgen.

Was mich an all dem beunruhigt: Kann es sein, dass sich die Mahnung Jesu „richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet“ hier auf eine unerwartet konkrete Weise erfüllt… ?

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Todsünden – endlich lokalisiert?

Wired hat eine Karte, in der regionale Häufungen der sieben Todsünden in den USA verzeichnet sind. Der Ansatz ist dabei gar nicht so schlecht, wie die Nachricht zunächst vermuten lässt. Zum Thema Gier wird die Relation von Durchschnittseinkommen zu Geringverdienern analysiert, zum Thema Lust (da könnte man ein Fragezeichen dahinter machen) die Infektionsraten von Geschlechtskrankheiten, bei Völlerei (das wäre schon eher konsensfähig) die Konzentration von Fast Food Restaurants. Die Studie stammt erstaunlicherweise von der Kansas State University. Ob so etwas auch mal auf Deutsch erscheint?

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Moderne Mythen: Das finstere Mittelalter

Das knappe Jahrtausend Mittelalter stand lange in dem Ruf, aus düsterstem Aberglauben bestanden zu haben. So weit jedenfalls der Mythos, an dem Renaissance und Moderne mit der medialen Macht des Buchdrucks im Rücken äußerst erfolgreich gearbeitet haben (und ich vermute mal, die Protestanten darunter ganz besonders), um neue Erkenntnisse in um so hellerem Licht erscheinen zu lassen.

Nun ist es keine ganz neue Einsicht, dass diese historische Karikatur nicht stimmt. Doch ein paar nette Aspekte (zum Beispiel über die Frage, ob man die Erde tatsächlich für eine Scheibe hielt), enthält dieser Artikel der SZ. Christen (die Polemik hält sich ja bis heute an manchen Orten) waren selbst damals keine Feinde der Vernunft, im Gegenteil. Klöster und Domschulen waren Orte universaler Gelehrsamkeit und legten die Grundlage unserer Kultur bis heute.

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Weisheit der Woche

Das größte Hindernis bei der Verkündigung des Glaubens (…) ist, dass wir die Menschen, denen wir etwas vermitteln wollen, nicht zuerst anhören. wir kommen mit einer Botschaft, mit einer Erfahrung, wir wollen eine Weg zeigen, aber wir hören nicht zu, wo der Betroffene steht, wo seine Wünsche und Interessen, wo sein Leid und seine Freuden liegen.

(…) Der Glaube und der Weg zu Gott betrifft die tiefste Mitte unserer Seele, den Sinn unseres Lebens. Damit wir in diesem Bereich etwas mitteilen können, müssen wir in Kontakt zu ihm in diesem Bereich seiner Seele treten. Wir müssen in der Tiefe seines Wesens in Beziehung sein. Er muss sein Herz von seiner Mitte her schon offen haben. Sonst kann er unsere Botschaft nicht an sich heranlassen. Und das geschieht nur durch das Mitgehen und das Anhören.

Franz Jalics, Miteinander im Glauben wachsen

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