Brutal verfolgt

Deutschland ist natürlich nicht der Iran und das Dritte Reich ist auch schon lange vorbei. Trotzdem kann ich auch die Empfindsamkeiten und Ängste Homosexueller bei uns etwas besser verstehen, wenn ich heute auf Zeit online lese:

… auf Homosexualität steht in Iran die Todesstrafe. Mehr als 4000 Männer, die Männer lieben, wurden seit der Islamischen Revolution an Baukränen erhängt.

Manche Beobachter sehen den Iran auf dem Weg zum islamischen Faschismus. Wenn also Christen und Homosexuelle im Iran und anderswo eine gemeinsame Leidensgeschichte verbindet, vielleicht lässt sich ja ein Weg finden, wie das Trennende zwischen manchen Lagern auf beiden Seiten bewältigt werden können?

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Der „böse Blick“

Ich habe heute ein Telefonat hinter mich gebracht, um das ich mich eine Weile gedrückt hatte, weil ich (das merkte ich, als wir sprachen) ein Vorurteil gegenüber meinem Gesprächspartner hatte. Er entpuppte sich als ein sehr freundlicher und kompetenter Mensch und ich war danach wegen meiner nicht furchtbar, aber eben doch schlechten Gedanken hinterher etwas geschämt. Ich möchte niemand sein, der sich von Vorurteilen leiten lässt. Oft gelingt das ja auch.

Dann bin ich auf der Straße einer Verkäuferin begegnet. Neulich habe ich in dem Laden eingekauft, wo sie arbeitet. Sie ist jung, blond und gut aussehend. Aber das alles war bedeutungslos, als sie mit der älteren Dame die Geduld verlor, die vor mir an der Reihe war. Ich kann nicht mehr genau sagen, was es damals war, über das ich so erschrocken bin. Aber für eine Sekunde oder zwei strahlte dieses Engelsgesicht so eine Aggression, Verachtung, Kälte und irgendwie auch Hass aus, dass ich richtig erschrocken bin. Seither kaufe ich nicht mehr so gern in dem Geschäft ein, wenn sie da ist.

Ich habe das schon eine ganze Weile nicht mehr erlebt. Ohnehin bin ich eher jemand, der solche Erlebnisse zu erklären versucht: Hatte die Verkäuferin Kummer oder einfach einen schlechten Tag, war ein Kunde kurz zuvor unausstehlich gewesen? Oder sich eben fragt, ob das nun wieder ein Vorurteil ist. Aber diese Episode erinnerte mich an die wenigen und (in letzter Zeit besonders) seltenen Erlebnisse, wo ich jemanden als böse empfand – nicht nur erbost über irgendwas. Und das blitzte damals aus diesen blauen Augen, als die alte Frau sich etwas ungeschickt anstellte. Irgendwie fühlte mich mich allein vom Zusehen verletzt.

Als Kind habe ich Menschen, die mir böse vorkamen, immer sorgsam gemieden. Eigentlich würde ich auch jetzt gern einen Bogen um die Verkäuferin machen. Nicht weil ich denke, sie ist ein böser Mensch (als ob wir anderen alle gut wären…). Auch wenn es den „bösen Blick“ nicht gibt, schon ein einzelnes böses Dreinblicken hinterlässt seine Spuren.

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Gründerkultur – der Weg ist noch weit

Eine echte Flaute im Blick auf Unternehmensgründungen gibt es laut Zeit online derzeit in Deutschland. Was für die Wirtschaft gilt, stimmt durchaus auch im Blick auf die Kirchen: Neugründungen von „Profilgemeinden“ sind inzwischen in der EKD zwar denkbar, aber es gibt kaum einen Ort, wo intensiv darüber beraten wird, wie man Gründer systematisch fördert und begleitet.

Gut, was noch nicht ist, kann ja noch werden. Vielleicht hilft im Bereich der Landeskirchen ja diese Tagung der AMD mit dem für Frost- und Hirschgeprägte Ohren unglückliche Titel „ecclesia attractiva“.

Die Zeit nennt folgende Hindernisse dafür, dass Deutschland beim Gründen hinterher hinkt:

  • mangelnde Risikobereitschaft (man zieht die sichere unselbständige Existenz vor),
  • vergleichsweise hohe Angst vor dem Scheitern,
  • kein Zutrauen in eigene Ideen, und nicht zuletzt
  • ein Ausbildungssystem, das Gründungen nicht im Blick hat.

PS: Kann jemand den Artikel mal an die theologischen Fakultäten und Ausbildungsreferenten, Bischöfe und Synodalpräsidenten schicken?

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Neu im Netz: fairlangen.org

Zu Beginn des Jahres haben wir uns mit Material der Micha-Initiative zum Thema Armut, Globalisierung und Gerechtigkeit beschäftigt. Es kam eine erstaunlich große Gruppe zusammen, und nachdem alle das Gefühl hatten, dass sechs Abende uns zwar geholfen haben, die richtigen Fragen zu stellen, konkrete Antworten jedoch viel länger dauern, ist daraus die Website fairlangen entstanden.

Hier sind besonders auch regionale Informationen über fairen Handel und nachhaltigen Lebensstil zusammengestellt, es läuft eine „Unterschriftensammlung“ für ein städtisch gefördertes Carsharing-Angebot und es besteht die Möglichkeit, das Ganze durch Kommentare und Beiträge mit zu entwickeln. Natürlich dürfen auch Nicht-Erlanger reinklicken, und vielleicht lohnt sich ein ähnliches Projekt auch in anderen Gegenden.

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Nachdenklich ins Wochenende

Toleranz war und ist ja in den verschiedensten Zusammenhängen ein heißes Eisen. Ich bereite mich auf einen Abend heute in Pforzheim zu dem Thema vor und bin dabei über diesen Beitrag von Hilal Sezgin in der taz gestolpert, der das Verhältnis des Islam zur Homosexualität beleuchtet. Sezgin bezeichnet sich selbst als postmodern, feministisch und liberal. Auch wenn die Gedanken alle nicht neu sind, ist doch die Haltung angenehm unpolemisch und -dogmatisch. Wenn das Schule machen könnte, wären wir alle einen Schritt weiter.

Die Klimaprognosen verdüstern sich zusehends. Die Nachricht ging zwischen Iran, Air France und Autodämmerung fast unter. Die Implikationen dagegen sind gravierend. Zum Jahrhundertende drohen bis zu vier Grad höhere Durchschnittstemperaturen. Die Bundesregierung war indes merkwürdig still…

Ach ja, es gibt ein Jesus-Phone, und es kommt von Apple. Sagt die FAZ

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Bus-Prediger: Viel Lärm um fast nichts?

Eigentlich hat die Atheisten-Buskampagne schon viel zu viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen und die unterschiedlichen Reaktionen aus dem christlichen Lager haben sicher auch dazu beigetragen, öffentlichen Resonanzboden verstärken: Plötzlich können sich die Initiatoren legitim als Stimme der 30 Millionen Konfessionslosen darstellen, die sie vermutlich gar nicht sind.

Trotzdem frage ich mich: Kann man ernsthaft behaupten, der öffentliche Gegenwind für Christen habe sich verschärft, wenn hierzulande (im Gegensatz zu Großbritannien und Spanien) bislang alle öffentlichen Verkehrsbetriebe es ablehnten, die Buswerbung anzunehmen, während Christen dort bisher jedenfalls fleißig werben durften? Die Buskampagne verschlingt das Monster-Budget von 45.000 Euro, wie die Website aktuell ausweist (nur als Vergleich: wir haben als Gemeinde alleine 35.000 Euro für ein Gemeindehaus in der Türkei zusammen gelegt).

Es ist sicher eine legitime Reaktion, die Atheisten mit einem eigenen Bus zu begleiten. Der Slogan von Campus für Christus „Und wenn es ihn doch gibt?“ ist dabei sicher um Klassen besser als die katholische Antwort aus Dortmund: „Keine Sorge, es gibt Gott. Schönen Tag“ – ist denn Gott bitteschön nur der Garant dafür, dass unser Leben wie gehabt weiter läuft? Oder müssten wir, wenn wir seine Existenz ernst nähmen, uns nicht wirklich ein paar ernste Gedanken machen?

Aber noch einmal die Frage: Ist es wirklich sinnvoll, dass wir uns an diese Sache dranhängen, in welcher Form auch immer? Und warum stürzen sich so viele bereitwillig auf Grüppchen wie diese gläubigen Atheisten und verschiedene Sekten? Könnte man nicht etwa ebensgut oder gar mit noch mehr guten Gründen vor der Zentrale von RTL protestieren, deren mediale Opiate Menschen rund um die Uhr in einem spirituellen Wachkoma halten, gegen den die Diskussion mit den Atheisten schon die reinste Erweckung wäre?

Ich finde den unfreiwillig religiösen Charakter der Atheismusmission ja eher amüsant. Vielleicht sollte man auf diesen Widerspruch einfach mit etwas Humor hinweisen, so wie die SZ das tut.

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Der Herzschlag der Kirche

Der folgende Abschnitt aus Eberhard Jüngels Vortrag zur EKD-Synode 1999 in Leipzig ist beim runden Tisch Evangelisation diese Woche gleich zweimal zitiert worden und ich fand ihn so wortgewaltig, bewegend und schön, dass ich ihn heute nachgelesen habe und an dieser Stelle noch einmal wiedergeben will. Er hat auch zehn Jahre später nichts an Aktualität eingebüßt:

Wenn die Kirche ein Herz hätte, ein Herz, das noch schlägt, dann würden Evangelisation und Mission den Rhythmus des Herzens der Kirche in hohem Maße bestimmen. Und Defizite bei der missionarischen Tätigkeit der christlichen Kirche, Mängel bei ihrem evangelizzesthai würden sofort zu schweren Herzrhythmusstörungen führen. Der Kreislauf des kirchlichen Lebens würde hypotonisch werden. Wer an einem gesunden Kreislauf des kirchlichen Lebens interessiert ist, muss deshalb auch an Mission und Evangelisation interessiert sein. Weithin ist die ausgesprochen missionarische Arbeit zur Spezialität eines ganz bestimmten Frömmigkeitsstils geworden. Nichts gegen die auf diesem Felde bisher besonders engagierten Gruppen, nichts gegen wirklich charismatische Prediger! Doch wenn Mission und Evangelisation nicht Sache der ganzen Kirche ist oder wieder wird, dann ist etwas mit dem Herzschlag der Kirche nicht in Ordnung.

Wenn die Christenheit atmen könnte, wenn sie Luft holen und tief durchatmen könnte, dann würde auch sie erfahren, dass „im Atemholen … zweierlei Gnaden“ sind. Sie würde beides, das Einatmens-Müssen und das Ausatmens-Können als eine Gnade erfahren, ohne die sie nicht leben könnte. Einatmend geht die Kirche in sich, ausatmend geht sie aus sich heraus. Die Bibel redet von Gottes Geist nicht selten wie von einem Wind oder einem Lufthauch, den man einatmen kann und von dem die Kirche erfüllt sein muss, um geistlich leben zu können. Die Kirche muss mit diesem geistlichen Atemzug in sich gehen, um sich als Kirche stets aufs Neue aufzubauen. Das tut sie vor allem in ihren liturgischen Gottesdiensten. Da ist sie um Gottes Wort und um den Tisch des Herrn versammelt, da ist sie gesammelt und konzentriert bei sich selbst. Doch wenn die gottesdienstlich versammelten „Glaubigen, bei welchen das Evangelium rein geprediget und die heiligen Sakrament lauts des Evangelii gereicht werden“ (CA VII), wenn die als Gemeinde versammelten Christen den durch Gottes Wort und Sakrament vermittelten Geist Gottes (CA V) nur für sich selber haben wollten, von ihm gar Besitz ergreifen, ihn nostrifizieren wollten, so würden sie an dieser göttlichen Gabe regelrecht ersticken. Im Atemholen sind nun einmal zweierlei Gnaden. Die Kirche muss, wenn sie am Leben bleiben will, auch ausatmen können. Sie muss über sich selbst hinausgehen, wenn sie die Kirche Jesu Christi bleiben will. Sie kann als die von seinem Geist bewegte Kirche nicht existieren, wenn sie nicht auch missionierende und evangelisierende Kirche ist oder wieder wird.

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Taufe missional gedacht

Ich sitze über einer Taufpredigt und habe mich eben wieder daran erinnert, dass man immer wieder einmal zu hören bekommt, die Säuglingstaufe sei die im Grunde reinste Form der Taufe, weil sie alle Werkgerechtigkeit ausschließe und die zuvorkommende Gnade Gottes in ihrer vollen Größe zur Geltung kommen lasse. Das ist typisch für ein bestimmtes Verständnis des Evangeliums und es ist zugleich ein Reflex auf eine Tauftheologie, die Taufe als eine bewusste Entscheidung des mündigen Subjekts begreift und die Säuglingstaufe ablehnt.

Der antipelagianische Impetus der ersten Position ist heute überflüssig – als wäre die eigentliche Ursünde des Menschen der Versuch, sich das verlorene Heil zu verdienen. Mag sein, dass im Spätmittelalter noch jemand daran gedacht hat, heute spielt das keine Rolle mehr. Zugleich ist es aber schon ein starkes Stück gegenüber den Menschen, die nicht auf Wunsch der Eltern getauft wurden, wenn man deren Entschluss zur Taufe (indirekt natürlich nur) unter den Verdacht stellt, hier mit Gott ein Geschäft abschließen zu wollen. Als ob die Logik mancher Eltern (wenn man denn mal fragen würde…) nicht auf denselben Nenner hinausliefe, nämlich auf eine Art himmlische Staatsbürgerschaft mit entsprechenden Privilegien.

In der Taufe geht es darum, dass wir uns von Gott mit hineingenommen (das ist die zuvorkommende Gnade!) werden in seine Bewegung zur Rettung und Neuschöpfung der Welt. Wir werden zugleich beschenkt und berufen. Das ist ja gerade der Sinn der Aussage, dass in der Taufe nicht etwa nur etwas „abgewaschen“ wird, sondern wir Anteil am Geist Gottes bekommen. Damit werden wir direkt in die Spannung gestellt zwischen der alten und der neuen Weltzeit – die eine vergeht und die andere bricht herein – überraschend, unplanbar, auf unterschiedlichste Weise. Als Geistträger leiden wir und sind doch getröstet. Oder weil heute D-Day ist: Wir kämpfen mit destruktiven Kräften in uns und um uns her, und feiern doch schon fröhlich den entscheidenden Durchbruch. Der Gegensatz von aktiv und passiv löst sich hier völlig auf.

Sich zur Taufe bewusst zu entscheiden, ändert also nichts daran, dass wir beschenkt werden. Aber es nimmt dem Geschenk auch nichts weg, wenn wir es mit aller Entschlossenheit ergreifen. Ob Kind oder Erwachsener: Was zählt, ist Teil dieser Bewegung Gottes zu sein. Und Heilsgewissheit nicht mit Selbstzufriedenheit zu verwechseln.

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Bibel in heutiger Sprache (2)

Wenn Ihr Geld spendet, dann sollt Ihr es machen, wie das Tiefbauamt: Sie sperren und asphaltieren eine Straße wochenlang, und dann reißen sie die Fahrbahn drei Wochen später wieder auf, um eine Leitung zu legen. So sollt auch Ihr Euren Geldbeutel immer wieder aufmachen…

(vgl. Mt 6,3)

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„Gabentopf“: Halb voll oder halb leer?

Ich bewege mich immer noch im Themenkreis von Pfingsten. Heute morgen haben wir eine neue Predigtreihe geplant und sind dabei auf die verschiedenen Listen geistlicher Gaben im Neuen Testament gekommen.

Die meisten von uns haben dagegen den umgekehrten Ansatz kennen gelernt: Jemand predigt über einen solchen Text und befasst sich dann nicht mit den Gaben, die in der Gemeinde vorhanden sind, sondern mit denen, die fehlen.

Was natürlich sofort zu der Frage führt, warum sie denn fehlen. Von da ist man schneller als man denkt bei der Frage, wer an diesem defizitären Zustand schuld ist. Und schon hat man genau das Gegenteil dessen erreicht, was Paulus eigentlich wollte: Sich über den Reichtum, den Gott wirkt, dankbar zu freuen.

Schon komisch, wie wir das immer wieder hinkriegen….

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