Mehr Bildung als Arbeitsethik?

Der Soziologe Max Weber hatte die berühmte These aufgestellt, dass der höhere Wohlstand protestantischer Gebiete theologische Gründe hatte, nämlich Luthers Arbeitsethik, und die Tendenz im Calvinismus, einen Zusammenhang herzustellen zwischen wirtschaftlichem Erfolg und göttlicher Erwählung.

Nun weist der Bildungökonom Ludger Wößmann nach, dass die (bis heute nachweisbaren) wirtschaftlichen Unterschiede zwischen Katholiken und Protestanten – in diesem Falle: Lutheranern – ebenso gut durch den höheren Bildungsstand letzterer erklärt werden kann. Luther – und später die evangelischen Missionare – legte großen Wert auf Schulen und Bildung, und der evangelische Glaube lieferte auch noch die Motivation zum Lernen für Eltern und Kinder.

Aktuell ist das Thema, weil der Zusammenhang von Religion/Glaube und Bildung heute in der Entwicklungspolitik wieder eine wichtige Rolle spielt. Nur geht es nun um den Bildungsrückstand vieler islamischer Länder.

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Die Welt als Golfclub

Nachdem mein 14-jähriger Sohn im Internet Artikel von Paul Krugman las und sich für Wirtschaft, Globalisierung, Reichtum und Armut interessierte, sind wir gestern im kleinsten Kino der Stadt gewesen und haben uns Let’s Make Money angesehen. Der Film zeigt die globale Finanzwelt und die bedrückenden Folgen von über 30 Jahren Neoliberalismus. Und das alles wurde noch vor dem Absturz der Börsen und Banken gedreht – damit ist es jetzt natürlich um so glaubwürdiger, wo Kapitalismuskritik plötzlich en vogue ist.

Wirklich erstaunlich sind dabei nicht die Statements von Kritikern und Aussteigern, sondern die unverblümten Aussagen der Protagonisten des Systems selbst. Etwa wenn der Schweizer Professor laut darüber nachdenkt, dass es – wie beim Golfen – eine Aufnahmegebühr für in den Club der Wohlhabenden geben muss. Sonst könnte ja jeder kommen…

Ein Fondsmanager aus Singapur findet, Investoren müssten sich nicht für ethische Fragen interessieren. Ein österreichischer Unternehmer fährt im SUV durch Chennai und sagt, Armut und Elend seien in Indien noch auf Generationen hinaus unvermeidlicher Alltag. Der stellvertretende Finanzminister der Steueroase Jersey ist stolz auf die finanziellen Dienstleistungen – die es ermöglichen, Reichtum und Verantwortung völlig von einander zu trennen. Ein ehemaliger Mitarbeiter der Weltbank beschreibt seine Zunft als „Wirtschaftskiller“ und der Fondsmanager wirft ein, dass Krisen und Kriege tolle Gelegenheiten seien, günstig in den Markt einzusteigen. Kein Wunder, dass sie nich auszurotten sind…

Diesen Film muss man sich einfach antun.

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Festtags-Fundstücke

Über die Feiertage war Zeit, die Nase mal hier und dort hineinzustecken, ein paar der interessanteren Dinge seien hier kurz vermerkt:

  • Heribert Prantl schreibt in der SZ, dass aus dem Baby in der Krippe der Mann wurde, der wütend die Wechseltische im Tempel angriff. Er stellt Jesus in die Tradition der jüdischen Propheten und folgert: »Feiern angesichts schreiender Ungerechtigkeit empfindet der Prophet Amos als gotteslästerlich. Vor dem Feiern kommt anderes: „Das Recht ströme wie Wasser, die Gerechtigkeit wie ein nie versiegender Bach“. Das ist eine zornige, strenge und tröstliche Weihnachtsbotschaft. Darin steckt das innere Feuer für eine bessere Lebensordnung.« Was bedeutet das konkret für die gemeindlichen und persönlichen Aktivitäten über die Festtage?
  • Die weihnachtliche Kapitalismuskritik der Kirchen nach dem Ausbruch der Finanzkrise kommentiert Prantl übrigens hier.
  • National Geographic widmet dem König Herodes einen Artikel. Dort wird (in der Printausgabe bzw. der Fotostrecke für die US-Ausgabe) Flavius Josephus zitiert, der den Bau des künstlichen Hafens von Cäsarea an der von Wind und Strömung geplagten Küste Judas so verstand, dass Herodes die Natur gebändigt habe. Da liest sich ein Vers wie Markus 4,41 („Wer ist der, dass ihm Wind und Meer gehorchen?“) gleich ganz anders…
  • Die Pulitzerpreisträgerin Tina Rosenberg schreibt (auch für das NGM) sehr bewegend über unberührbare Frauen, die in indischen Dörfern das darbende Gesundheitswesen revolutionieren und dabei langsam aber sicher das Kastenwesen und den verbreiteten Aberglauben untergraben.
  • Der renommierte Alttestamentler Walter Brueggeman spricht im Interview mit Brian McLaren über das Lesen und Verstehen der Bibel in der Form einer echten Auseinandersetzung („contestation“) und aktuelle Themen, hier gehts zum (englischen) Video auf IndieFaith.
  • Viele fragen sich, wie Führungsaufgaben in christlichen Gemeinden gestaltet werden müssen, weil diese weder Behörden sind, die von Beamten verwaltet, noch Firmen, die von Managern zum Erfolg getrieben werden (obwohl es natürlich beide Modelle de facto gibt). JR Woodward hat eine interessante Serie zum Thema „Leiter als Ökologen“ (environmentalists), der erste Teil steht hier.

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Paulus und die Philosophen

Rolf Spinnler geht in der Zeit der Frage nach, was führende Philosophen Europas an Paulus fasziniert. Sie finden bei ihm Lösungsansätze für die Aporien des Relativismus, Skeptizismus und Pragmatismus der Postmoderne. Spannende Lektüre für alle, die Paulus auch mal unter ganz anderen Gesichtspunkten lesen wollen:

Alain Badiou entdeckt in Paulus den Repräsentanten einer „Politik der Wahrheit“. Er lässt sich vom Ereignis der Todes und der Auferstehung, das die symbolische Ordnung der Welt sprengt, so radikal bestimmen, dass er darin die Grundlage einer neuen Gemeinschaft findet, die nicht mehr durch Voraussetzungen wie gemeinsame Abstammung oder kulturelle Wurzeln definiert wird, sondern durch das Bekenntnis des einzelnen zu Christus und damit wahrhaft universal ist.

Giorgio Agamben betrachtet die Überwindung des Rechts durch die Liebe und sieht eine Antwort auf die Frage nach Konsum und Eigentum im Rat des Apostels, Dinge zu nutzen, ohne sie besitzen zu müssen. Das Instrument der Rettung der Welt ist der messianische Rest der Ausgeschlossenen – ein jüdischer Gedanke, den Paulus radikalisiert – die wahre Allgemeinheit jenseits partikularer kultureller Identität verkörpern.

Slavoj Žižek schließlich sieht in der kenotischen Christologie des Paulus die Lösung eines Problems, das den jüdischen und islamischen Monotheismus plagt, nämlich der absoluten Vollkommenheit Gottes, dem ohne die Erfahrung des Todes möglicherweise auch die Erfahrung echter Liebe fehlt. Im Unterschied zu Plato, bei dem Liebe sich weg vom Konkreten hin zum Allgemeinen vervollkommnet, ist im Christentum des Paulus diese Richtung umgekehrt. Liebe stellt nicht das Ewige und Erhabene, sondern das Niedrige und Endliche in den Mittelpunkt. In seinem Scheitern erringt Christus zudem den Sieg über das Gesetz dieser Welt, über das Siegen selbst.

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Scharfmacher auf allen Seiten

In den letzten Tagen habe ich von befreundeten Christen in der Türkei gehört, dass in ihrer Stadt ein islamistischer Kongress gegen christliche Gemeinden und Missionare stattfindet. Auf dem Plakat (das inzwischen verboten, aber nicht vollständig abgehängt wurde) war eine Schlange mit Kreuz um den Hals abgebildet. Steinwürfe auf das Gemeindehaus und Drohungen gab es ohnehin schon. Und an die Morde von Malatya erinnert sich jeder noch gut – denen ging offenbar ähnliche Propaganda voraus.

Die Entrüstung über solche Vorgänge blieb mir allerdings fast im Halse stecken, als ich gestern in der Tageszeitung von einem „christlichen“ Hilfswerk las, dessen Leiter in einem Spendenbrief kritisierte, dass Türken die deutsche Staatsangehörigkeit bekommen, und unterstellte, dass in allen (!) Moscheen gegen Deutsch gehetzt und für den Terror trainiert werde.

In beiden Fällen – hier wie in der Türkei – sind nun die Behörden aktiv geworden. Das ist gut zu wissen. Beunruhigend bleibt die Tatsache, dass es überall Scharfmacher gibt, und dass wohl auch im konservativen Christentum die Abgrenzungen am rechten Rand viel zu spät und viel zu lasch erfolgen. Wir können es uns gerade im Blick auch Christen in islamischen Ländern nicht leisten, dass der Unterschied zwischen den Parolen von Rechtsradikalen und einem „christlichen Missionswerk“ nicht mehr erkennbar ist. Wir können es uns – zumal als Nachfolger des Friedefürsten – auch nicht leisten, die Taten der Extremisten auf der einen Seite als Rechtfertigung für pauschale Verdächtigungen und Panikmache auf den anderen heranzuziehen.

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Vergesst den Planeten – rettet das Geld

Geld regiert die Welt, das haben aus der Sicht von Slavoj Žižek die jüngsten Ereignisse unmissverständlich bewiesen. Denn die schnellen Hilfen für die Finanzwirtschaft haben vor allem Glaubensgründe. Dieser Glaube eint auch die größten Gegner der Weltpolitik. Der erklärte Kritiker der TINA-Logik („There is no alternative“ – „es geht nicht anders“) schreibt in der Zeit :

Der Zusammenbruch des Finanzsystems macht es uns unmöglich, die himmelschreiende Unvernünftigkeit des weltweiten Kapitalismus zu ignorieren. Obwohl wir um die Dringlichkeit von Problemen wie AIDS, Hunger, Wassermangel oder Erderwärmung wissen, gibt es immer Zeit, darüber nachzudenken, Entscheidungen aufzuschieben – man erinnere sich nur an die Abschlusserklärung der Regierungschefs der Großmächte in Bali, die als Erfolg gefeiert wurde und in der nichts weiter stand, als dass man sich in zwei Jahren wieder zu Gesprächen treffen werde. Aber beim Dahinschmelzen des Finanzsystems gab es plötzlich einen Handlungsbedarf, der außer Diskussion stand, plötzlich wurde eine unvorstellbare Rettungssumme aufgetrieben.

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Sozial, transkulturell und herrschaftsfrei – Leonardo Boff über die Zukunft des charismatischen Christentums

Ich sitze an meiner Predigt für den dritten Advent und lese dazu Leonardo Boffs (morgen wird er 70!) Gedanken zur Zukunft des Christentums in einer globalen Kultur. Er hat ein sehr schönes Stück zur Bedeutung des charismatischen Christentums darin, und als ich das las, spürte ich eine wachsende Begeisterung für meine charismatischen Wurzeln:

Seit den siebziger Jahren ist überall auf der Welt ein beeindruckendes Anschwellen der charismatischen Bewegung zu beobachten, zunächst auf ökumenischer und dann auch auf katholischer Ebene. Das Phänomen ist Teil jener aufbrechenden Kultur, dass die Menschen Durst und Hunger nach Spiritualität, nach lebendiger Gotteserfahrung und nach flexiblem Umgang mit Traditionen haben. Millionen und Abermillionen von Charismatikern zeigen, dass es möglich ist, ein anderes Modell von Kirche zu haben, ohne dass dabei die Werte der großen Überlieferung zu Bruch gehen. Natürlich stimmt es, dass diese Bewegung noch kein definitives Profil zu erkennen gibt. Aber es stimmt auch, dass sie eine mächtige Leidenschaft für Gott und für den Geist an den Tag legt, ohne dass es ihr bisher allerdings gelungen wäre, diese mit der Leidenschaft für die Armen und dem Geist als dem pater pauperum, als Vater der Armen in ein rechtes Verhältnis zu bringen. Sobald der charismatischen Bewegung dieses neue Zu- und Miteinander gelungen sein wird, wird sie auch ihre volle evangeliumsgemäße Reife erreicht haben.

Die charismatische Bewegung lebt aus der Erfahrung des Geistes. Deshalb mangelt es ihr auch nicht an einer ausgearbeiteten Theologie. Diese gibt es also, wenn auch in der Form reflektierter Spiritualität, und der liegt freilich nicht sonderlich an Deckungsgleichheit mit der Gesamtarchitektur des religiösen Wissens.

Was für eine Zukunft hat das charismatische Christentum? Die charismatische Dimension am Christentum ist unvergänglich, weil sie zur Struktur des Ganzen gehört, welches per se in Bewegung ist. Aus diesem Grund hatte sie stets Vergangenheit, und aus diesem Grund wird sie auch stets Zukunft haben. In Begegnung mit den vielen spirituellen Wegen, die sich auf dem religiösen Weltmarkt tummeln, ist diese Spielart von Christentum womöglich eines der Modelle, die sich am besten dafür eignen, den inneren Wert der verschiedenen Ausdrucksformen des Geistes in den Kulturen der Völker zu erfassen. Es macht einen freimütigen Dialog zwischen allen möglich, und die Welt kann es akzeptieren, insofern es ein nichtimperialistisches, herrschaftsfreies Christentum darstellt, zugleich aber voller Spiritualität und Treue zum transkulturellen Charakter der Erfahrung Gottes.

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Das Vorbild-Problem

Tim Keel macht sich in Intuitive Leadership Gedanken zu idealisierten Vorstellungen von Kirche und Gemeinde und den problematischen Folgen:

Unzählige Male habe ich Leiter und Gemeindeglieder (oder desillusionierte Ex-Kirchgänger) sagen hören: „Hätten wir doch nur so eine Gemeinde wie in Apostelgeschichte 2,“ oder „wir müssen eine neutestamentliche Gemeinde sein“ oder „Gott möchte, dass Gemeinden Gemeinschaften sind, die nach Apostelgeschichte 2 leben“. Wenn aber solche Erklärungen Gottes dauerhafte Absicht für die Kirche wiedergeben, hat er in der Umsetzung lausige Arbeit geleistet. So weit ich sagen kann, hielt die Gemeinde von Apostelgeschichte 2 nur zwei bis drei Kapitel, und von da ab beobachten wir ein gerade eben noch beherrschtes Chaos, während die Gemeinden treu versuchen, mit dem Leben Schritt zu halten, das unter ihnen und um sie her explodierte.

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Wahrheitsfindung im Internet-Zeitalter

Kürzlich erfuhr ich zum ersten Mal, dass die Existenz des HIV-Virus umstritten sei. Alles nur eine Lüge der Pharmakonzerne, um ihre teuren und schädlichen Produkte unters ahnungslose Volk zu bringen? Als medizinischer bzw. molekularbiologischer Laie habe ich nur die Wahl, wem ich glauben will, nicht ob ich etwas davon glaube.

Das wiederum ist nichts Besonderes: Die Erderwärmung wird – ebenfalls von einer Minderheit – bestritten, die jedoch behauptet, von der Medienmacht der Mehrheit (zumindest außerhalb des Einflussbereichs von George W. Bush) mundtot gemacht zu werden, ebenso wie die AIDS-Dissidenten oder die Holocaust-Leugner. Die Auflistung allein zeigt schon, dass ich dazu neige, diese Position als eine weitere absurde Verschwörungstheorie einzustufen. Während ich mir beim Holocaust relativ sicher bin (und der Mondlandung, denn die habe ich ja selbst im Fernsehen gesehen als kleiner Junge…), kann ich mich bei AIDS irren. Oder beim Klima. Derzeit halte ich es für unwahrscheinlich, weil ich nicht so ganz sehen kann, wie eine solche umfassende Manipulation hätte geschehen können.

Zu Weihnachten wird wieder eine Illustrierte mit einem Jesus-Artikel aufwarten, der unter Berufung auf eine seit 50 Jahren überholte Theorie behauptet, nun sei der Beweis erbracht, dass damals alles ganz anders war, als wir immer glaubten. Das Ganze beleuchtet die Schwierigkeit der Wahrheitsfindung im pluralistischen Internet-Zeitalter: In jeder wissenschaftlichen Disziplin gibt es zu jedem beliebigen Thema mehr als eine Meinung. Das ist erst einmal eine gute Sache, denn die Alternative wäre totalitärer Meinungsterror. Aber es stellt mich vor die Frage, an welchen Kriterien ich „Wahrheit“ nun erkenne, wenn ich die jeweils behaupteten „Fakten“ nicht kenne (bzw. es gar keine reinen, objektiven, absoluten und eindeutigen Fakten gibt). Es gibt schlicht keine Autorität, die in diesem Meinungsstreit entscheidet.

Oder vielleicht doch? Wird die Meinungsbörse Internet heimlich von Google und seinen Konkurrenten (aber wer sagt, dass es nicht Komplizen sind?) so manipuliert, dass in der vermeintlichen Vielfalt die tatsächliche Wahrheit als einzige doch unterschlagen wurde? Dann wäre die Suche reine Zeitverschwendung. Umgekehrt kann man sich auf den Standpunkt stellen, dass im Zweifel die Mehrheit Recht hat. Man darf nur nicht daran zweifeln, dass die Meinung der Mehrheit irgendwo tatsächlich erkennbar abgebildet ist. Wer glaubt schließlich noch Statistiken, die er nicht selber gefälscht hat?

Trotzdem: Jeder glaubt irgendwas – auch der, der meint, niemandem glauben zu können. AIDS und der Holocaust sind ja kein rein logisches Problem. Ich muss mir also neben den Argumenten auch die Vertreter der jeweiligen Positionen ansehen und mich fragen, wen ich warum für glaubwürdig halte. Da spielt dann neben der Ratio auch die Intuition eine Rolle, ebenso wie der Austausch mit anderen Menschen. Trotzdem – kein Wunder, dass viele Menschen resignieren und nur noch die subjektive Wahrheit des eigenen Erlebens für wichtig halten. Verheerend dagegen, wenn die Skepsis dazu führt, dass wir nicht entschlossen auf die tatsächlich vorhandenen Probleme reagieren.

Zu allem Unglück gibt es christliche Subkulturen, die eine gewisse Außenseiter- und Verfolgungsmentalität pflegen und daher eine psychologische Affinität zu Dissidenten aller Art entwickelt haben. Früher war es der Solidarisierungsreflex mit Antikommunisten aller Art, der sie in die Arme der rechten Diktatoren von Hitler bis Pinochet trieb. Aber die Protagonisten der Weltverschwörung sind austauschbar. Von Al Gore über den Ökumenischen Rat bis zur Europäischen Kommission (z.B. beim Thema Gender Mainstream) ist alles möglich.

Radikale Skepsis und Leichtgläubigkeit sind dabei keine Gegensätze mehr, sondern zwei Seiten derselben Medaille. Denn um so skeptisch sein zu können, muss man ja der felsenfesten Überzeugung sein, dass man getäuscht oder belogen wird. Dazwischen liegt ein vorsichtiges Tasten und Abwägen und die anstrengende Bereitschaft, den eigenen Standpunkt immer wieder einmal auf die unvermeidlichen Fehler zu überprüfen. Anders geht es wohl nicht…

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Sinn-Fragen

Terry Eagletons The Meaning of Life: A Very Short Introduction liegt vor mir (das Original war mir lieber, aber es gibt auch eine deutsche Übersetzung. Gleich zu Anfang greift er die Frage auf, warum überhaupt etwas existiert. Interessant, wie er dabei die Antwort der Theologie darstellt (meine Übersetzung):

Gott ist kein himmlischer Konstrukteur, der ein strategisch kalkuliertes Ziel im Kopf hatte, als er die Welt schuf. Er ist ein Künstler, der sie nur dazu schuf, um sich daran zu freuen, und damit sich die Schöpfung selbst auch freut.

Eagleton beleuchtet die unterschiedlichen Aspekte der Sinnfrage und auch, wozu sie sich nicht eignet. Zum Beispiel eignet sie sich nicht dazu, Atheisten zu unterstellen, dass sie aufgrund ihres Glaubens, es gebe keinen Gott, zwangsläufig Nihilisten werden müssten, so wie das etwa Manfred Lütz in „Gott“ ansatzweise versucht. Eagleton schreibt:

Religiöser Fundamentalismus ist die neurotische Angst, dass es ohne einen Sinn der Sinne gar keinen Sinn gibt. Es ist lediglich die Kehrseite des Nihilismus. Dieser Anschauung liegt der Gedanke vom Leben als Kartenhaus zugrunde: schnalzt man unterste Karte weg, dann klappt die ganze wacklige Struktur zusammen. Jemand, der so denkt, ist ein Gefangener seiner Metapher. Tatsächlich lehnen auch viele Gläubige diese Ansicht ab. Kein religiöser Mensch mit Gespür und Verstand stellt sich vor, dass Nichtglaubende sich zwangsläufig in völliger Absurdität festfahren. Ebenso wenig glauben sie zwangsläufig, dass der Sinn des Lebens sich schlagartig erhellt, weil es einen Gott gibt. Im Gegenteil, manche Glaubenden finden, dass Gottes Gegenwart die Welt auf geheimnisvolle Weise noch unergründlicher macht. Wenn er ein Ziel hat, ist das beachtlich schwer zu durchschauen.

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Das menschliche Element

Spannend: Die New York Times berichtet von einem Gelehrtenstreit unter Muslimen über den göttlichen Ursprung des Korans: Der Korankenner und iranische Dissident Abdulkarim Soroush stellt die im Islam gängige These einer ganz strikten Verbalinspiration in Frage. Mohammed ist für ihn nicht nur passiver Empfänger („kein Papagei“), sondern aktiver Mitgestalter des Textes. Diese menschliche Dimension sei beim Lesen spürbar. Das bedeutet für Soroush auch, dass manche Vorstellungen und Vorschriften zeitgebunden sind und man heute einem Dieb nicht mehr die Hand abhacken muss.

Interessant ist auch die Reaktion der Ayatollahs im Iran: Die Auseinandersetzung mit „Philosophie und Pseudophilosophie“, die „das Denken des Volkes verderben“, sollte nicht mit Todesdrohungen geschehen, sondern Soroush solle durch die „religiösen Wahrheiten“ widerlegt werden. Irgendwie kommt mir diese Begrifflichkeit bekannt vor…

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Christen, die der Welt gut tun

Andrea Riccardi von der katholischen Gemeinschaft Sant’Egidio bekommt den renommierten Karlspreis. Das wird die Initiative Miteinander für Europa freuen, die gerade in Stuttgart den Ökumenepreis 2008 verliehen bekommen hat. Neben Sant’Egidio gehören da auch der CVJM, die Fokolarbewegung und gut 200 andere Bewegungen dazu – Alpha International ist auch dabei. Vorbildlich ist das soziale Engagement von Riccardis Gemeinschaft, die 50.000 Mitglieder in 70 Ländern zählt:

Weltweite Aufmerksamkeit erregten Riccardi und seine Mitstreiter spätestens zu Beginn der 90er Jahre. Über die Lieferung von Hilfsgütern und einfache Aufbauprojekte mit den Kriegswirren in Mosambik in Berührung gekommen, wurden sie zu Vermittlern bei den Verhandlungen, die nach mehr als anderthalb Jahrzehnten Bürgerkrieg zum Friedensschluss führten. (SZ vom 6.12.08)

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