Paulus und die Philosophen

Rolf Spinnler geht in der Zeit der Frage nach, was führende Philosophen Europas an Paulus fasziniert. Sie finden bei ihm Lösungsansätze für die Aporien des Relativismus, Skeptizismus und Pragmatismus der Postmoderne. Spannende Lektüre für alle, die Paulus auch mal unter ganz anderen Gesichtspunkten lesen wollen:

Alain Badiou entdeckt in Paulus den Repräsentanten einer „Politik der Wahrheit“. Er lässt sich vom Ereignis der Todes und der Auferstehung, das die symbolische Ordnung der Welt sprengt, so radikal bestimmen, dass er darin die Grundlage einer neuen Gemeinschaft findet, die nicht mehr durch Voraussetzungen wie gemeinsame Abstammung oder kulturelle Wurzeln definiert wird, sondern durch das Bekenntnis des einzelnen zu Christus und damit wahrhaft universal ist.

Giorgio Agamben betrachtet die Überwindung des Rechts durch die Liebe und sieht eine Antwort auf die Frage nach Konsum und Eigentum im Rat des Apostels, Dinge zu nutzen, ohne sie besitzen zu müssen. Das Instrument der Rettung der Welt ist der messianische Rest der Ausgeschlossenen – ein jüdischer Gedanke, den Paulus radikalisiert – die wahre Allgemeinheit jenseits partikularer kultureller Identität verkörpern.

Slavoj Žižek schließlich sieht in der kenotischen Christologie des Paulus die Lösung eines Problems, das den jüdischen und islamischen Monotheismus plagt, nämlich der absoluten Vollkommenheit Gottes, dem ohne die Erfahrung des Todes möglicherweise auch die Erfahrung echter Liebe fehlt. Im Unterschied zu Plato, bei dem Liebe sich weg vom Konkreten hin zum Allgemeinen vervollkommnet, ist im Christentum des Paulus diese Richtung umgekehrt. Liebe stellt nicht das Ewige und Erhabene, sondern das Niedrige und Endliche in den Mittelpunkt. In seinem Scheitern erringt Christus zudem den Sieg über das Gesetz dieser Welt, über das Siegen selbst.

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4 Antworten auf „Paulus und die Philosophen“

  1. Das wahrhaft Allgemeine, das jeden zum Nächsten macht, unabhängig ob er Glaubensbruder ist oder nicht.
    So überwindet die Liebe Gesetzmäßigkeiten, kulturelle Wurzeln, Elitedünkel, Erfolgsdruck, Zwang und andere Mauern.
    Paulus hat uns mit dem 1. Kor. 13 ein großes Geschenk gemacht.

  2. Ein sehr interessanter Artikel!

    Allerdings ist diese Erwägung grundfalsch:

    „Slavoj Žižek schließlich sieht in der kenotischen Christologie des Paulus die Lösung eines Problems, das den jüdischen und islamischen Monotheismus plagt, nämlich der absoluten Vollkommenheit Gottes, dem ohne die Erfahrung des Todes möglicherweise auch die Erfahrung echter Liebe fehlt.“

    Gott ist Liebe. Und nur Er zeigt worin Liebe besteht:

    „Hierin ist die Liebe Gottes zu uns offenbart worden, dass Gott seinen eingeborenen Sohn in die Welt gesandt hat, damit wir durch ihn leben möchten. Hierin ist die Liebe: Nicht dass wir Gott geliebt haben, sondern dass er uns geliebt und seinen Sohn gesandt hat als eine Sühnung für unsere Sünden.“ (1Joh 4,)

    Er befähigt uns erst dazu, so zu lieben, wie Er liebt:

    „…, denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben worden ist.“ (Röm 5,5)

    Seine Vollkommenheit steht auch nicht der Erfahrung echter Liebe im Weg, sonder ganz im Gegenteil: Weil Er Liebe ist, darum ist Er auch vollkommen. Seine Vollkommenheit schließt nicht nur Seine Liebe ein, sondern, die Liebe die Er ist, bedingt Seine Vollkommenheit. Aus dieser Liebe ist Er auch in den Tod gegangen:

    Denn so hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht, sondern ewiges Leben hat. (Joh 3,16)

  3. @ Josef – vielleicht müsstest Du Zizek mal direkt lesen. Er stellt unsere Definition von Vollkommenheit in Frage und ich finde, damit hat er doch Recht…

  4. Reinhard F.
    Schliesse mich im grossen Ganzen der Beurteilung von Josef Drazil an!
    M.E. ist D.Bonhoeffer diesen Weg in jüngerer Vergangenheit gegangen.

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