Glaubensspiralen (3): Grün

Ich setze die Reihe spiralaufwärts fort – immer mit der Frage, auf welche Wertesysteme und Denkweisen die christliche Botschaft trifft. Der Übergang von “Orange” nach “Grün” ist in etwa mit dem Beginn der Postmoderne gleichzusetzen:

Mit dem Übergang zum grünen wMem verschiebt sich der Schwerpunkt des Interesses zurück vom Individuum zur Gemeinschaft. Harmonie und Empathie beginnen, den Selbstausdruck zu beschränken. Allerdings fördert das grüne wMem (anders als konformistisches Blau) die Vielfalt und Toleranz der Überzeugungen und Lebensstile. Im Unterschied zu Orange wird nun Konkurrenz kritisch gesehen und die sozialen Kosten beklagt. Das blaue, moralisierende Evangelium erklärte “strukturelle” Sünde nicht (viele konservative Christen gingen den scheinbar „anständigen“ Nazis auf dem Leim) und begünstigt Spaltungen durch seinen Hang zum ausgrenzenden Sündenbock-Mechanismus. Es hat sich damit disqualifiziert und muss mit heftiger Ablehnung rechnen, vor allem, wenn es rot/Blau in aggressiver Rhetorik und mit Andeutungen totalitärer Ansprüche erscheint.

Auf der Frequenz von Grün kann Sünde als destruktives Sozialverhalten ausgemacht werden, insbesondere Diskriminierung und Ausgrenzung, aber auch Gleichgültigkeit und Kälte. Zusätzlich erscheint strukturelles Unrecht erstmals im Bewusstsein, während die Ethik zu situativen Entscheidungen neigt und blaues Schwarz/Weiß Denken verpönt ist. Bestimmte „blaue” Werte wie etwa Ehrlichkeit bestehen oft weiter.

Das Kreuz wird zum Anstoß, wo der Straf- und Opfercharakter dominiert und Gott (dem das Opfer gilt) als gewalttätig erscheint. Umgekehrt kann das unschuldige Leiden des gewaltlosen Messias unter der römischen Militärmaschinerie eine enorme Anziehungskraft entwickeln und die Vorstellung eines leidenden Gottes löst weder blaue Angst und Empörung noch oranges Schulterzucken aus. Allerdings besteht die Gefahr, dass die Passion lediglich exemplarisch verstanden wird, also keine neue, befreiende Wirklichkeit konstituiert. in der Regel wird in Grün des Aspekt des universalen Heilswillens Gottes stark zur Geltung kommen, der sich gerade den ausgegrenzten Sündern, den „Verlierern“ dieser Welt gilt, und der Versöhnung stiftet über ethnische, nationale und soziale Schranken hinweg.

Bekehrung (der – historisch betrachtet – typisch blaue Begriff wird in der Regel gemieden) wird auf der grünen Frequenz tendenziell so verstanden, dass man Teil einer Gemeinschaft wird, in der man in universaler Offenheit für andere die Praxis der Nächstenliebe und des Friedens einübt. Sie wird weniger als punktuelle Krise, sondern stärker als prozesshafte Transformation verstanden. Folglich wird auch die Unabgeschlossenheit dieses Prozesses betont – sich durch geistliche Übungen dem Einfluss der Gemeinschaft und des Geistes Gottes beständig auszusetzen, um lebenslang zu wachsen.

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Seltene Einmütigkeit

Wann sind sich Welt und Spiegel schon mal einig? Heute war es so weit. Anlässlich der Ermordung von Benazir Bhutto warnen beide den Westen davor, den militanten Islam zu unterschätzen und tatenlos gewähren zu lassen. Nüchtern, ohne Panikmache, aber um so aufrüttelnder schreibt Henryk M. Broder im Spiegel:

Der islamische Fundamentalismus verwirklicht sich in der Verbindung von Barbarei und Hightech. Sein Ziel ist nicht die Befreiung Palästinas von der zionistischen Besatzung, die Rückeroberung Afghanistans durch die Taliban oder die Wiederherstellung des Kalifats, sondern die Apokalypse. Dabei ist es müßig, darüber zu streiten, ob es sich um eine religiöse oder eine politische Bewegung handelt, ob die Religion “instrumentalisiert” oder die Politik von Gotteskriegern als Mittel zum Zweck benutzt wird.

… Wenn sie dagegen Geiseln enthaupten, Ehebrecherinnen steinigen und Homosexuelle aufhängen, dann setzen sie nur ihren Glauben in die Tat um und verbitten sich jede Kritik, die sie natürlich auch als “islamophob” empfinden. Aller Rückständigkeit zum Trotz haben die Fundamentalisten eine Lektion gelernt: Schurkereien machen sich bezahlt, der Westen ist im Begriff, aus Angst vor dem Tode Selbstmord zu begehen.

Und in der Welt mahnt Zafer Senocak die Europäer, die nur zu gern die USA kritisieren:

Europäische Politik gegenüber dem muslimischen Terror erschöpft sich in der Demontage jeglichen effektiven Handelns. Verhandeln wollen einige, mit Hamas, mit Taliban. Atomreaktoren an Gaddafi, dem saudischen König wird der rote Teppich ausgerollt. Schließlich geht es um Petrodollars. Der Westen merkt gar nicht, wie sehr er sich selbst auflöst. Die Islamterroristen erringen einen Sieg nach der anderen. Benazir Bhutto war nicht das letzte Opfer einer verfehlten Appeasement -Politik gegenüber dem radikalen Islam.

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Glaubensspiralen (2): Orange

Sünde ist im hedonistischen orangen Mem viel schwerer zu fassen, denn es hat sich von blauer Moral weitgehend verabschiedet. Richtig ist, was mir nützt und mich voranbringt. Postmoralisch muss man hier also fragen: Wo liegt das Problem in dieser Welt? Und würde von Vertretern des orangen Mems zu hören bekommen: Wir machen zu wenig aus unseren Möglichkeiten. Wir trauen uns zu wenig zu, gehen zu wenig Risiken ein und sind zu träge darin, unser Potenzial wirklich kreativ auszureizen. Wir verstecken uns hinter Traditionen und Ordnungen, die unser Versagen kaschieren und meiden die Verantwortung für uns selbst. Wir sind unfähig, unser Glück richtig zu genießen und den psychologischen (oder auch institutionellen) Ballast abzuwerfen, der uns daran hindert, voran zu kommen. Von den sieben Todsünden bleibt hier im Grunde nur die Trägheit übrig. Spiritualität ist ein Weg, das eigene Leistungsvermögen und Wohlbefinden zu steigern. Dafür lässt man sich zumindest oberflächlich auf Religion ein, bevorzugt aber unverbindlich-individualistische Richtungen.

Orange Versionen von “Kreuzestheologie” werden folglich das “pro nobis” der Erlösungstat betonen, den Erfolg Christi gegen alle Kräfte, die Freiheit beschränken und erfülltes Leben mindern, hervorheben, seine übermenschliche Leistung hervorheben, von der wir nun profitieren – und umgekehrt das Leid wie auch den Gedanken des Scheiterns in den Augen der Welt herunterspielen. Das wird am einfachsten dadurch erreicht, dass man den unmittelbaren Nutzen des Kreuzestodes herausstellt: In Christus sind wir körperlich geheilt, der Weg zum guten Leben (Wohlstand) ist uns geebnet, als Kinder Gottes haben wir einen begründeten Anspruch (!) auf Glück, gute Energien werden freigesetzt.

Bekehrung bedeutet den Aufbruch zu neuen, größeren Abenteuern, die Verwirklichung der individuellen Berufung und geistlichen Begabung, oft auch die Gründung neuer Gemeinschaften und Projekte. Die Aufgabe des Christen ist nun, ein entsprechendes Bewusstsein zu entwickeln, das das gute Leben antizipiert (Glaube) und ihm so den Weg ebnet. Prinzipiell sind dem, der mit Gott im Bunde ist, keine Grenzen des Erfolgs gesetzt.

Stark (aber nicht immer ausschließlich) orange gefärbtes Christentum findet man im undogmatischen Individualismus der charismatischen Bewegung, bei den pragmatischen Evangelikalen wie Hybels und Warren, im evangelischen Münchenprogramm (das überholte Hierarchien verflüssigt), deutlich problematischer und unangenehmer in den verschiedenen (in ihrem Grundimpuls asozialen) Versionen des Wohlstandsevangeliums.

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Kurz vor Schluss

… muss ich mit meinen Jungs heute Feuerwerk einkaufen, das an Neujahr dann in Rauch aufgeht.

Apropos Qualm, mich erfreut die Perspektive auf rauchfreie Cafes und Kneipen im neuen Jahr ungemein: Bayern bekommt das schärfste Rauchverbot der Republik. Nur noch drei Tage, und ich kann Cappuccino trinken ohne nach Zigaretten zu riechen.

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Glaubensspiralen (1): Blau

Um eine Antwort auf die Fragen von neulich zu finden, greife ich auf die schon mehrfach erwähnten Spiral Dynamics zurück. Es handelt sich um ein spiralförmig (also nicht einfach linear) vom Einfachen zum Komplexen ansteigende Folge von “Werte-Mems”. Darunter versteht man ein System kollektiver menschlicher Anpassungsintelligenzen, die sich als Reaktion auf bestimmte Lebensbedingungen entwickeln. Die späteren Schichten umlagern wie in einer Baumrinde die früheren, so dass in einer Gesellschaft wie bei einem Individuum gleichzeitig an unterschiedlichen Stellen unterschiedliche Muster aktiv sein können. Daher eignet sich diese Theorie (die eher deskriptiv als hegelmäßig-teleologisch funktioniert), um komplexe Veränderungsprozesse zu beschreiben. Es ist natürlich eine Schablone, aber für unseren Zweck eine hilfreiche, wie ich meine.

Ich überspringe die Darstellung der ersten drei w-Meme (instinktives beige, magisches purpur und egozentrisches rot), da sie für die aktuelle Fragestellung nur eine untergeordnete Rolle spielen (einen Überblick findet Ihr hier), und steige gleich mit der vierten Ebene ein.

Sünde wird im ordnungsliebenden blauen Mem verstanden als ein Verstoß gegen absolute, heilige oder kategorische Ordnungen, als Verletzung von Pflichten, das Leugnen objektiver Wahrheiten. Sie muss daher emotionslos und konsequent verfolgt werden, weil sonst das große Ganze in seinem Zusammenhalt bedroht ist und “rote”, rücksichtslose Anarchie ausbricht.

Folglich erscheint in blauer Verkündigung das Kreuz als Tilgung objektiver Schuld durch einen Ausgleich, eine Transaktion höherer Ordnung, als vollkommene Erfüllung des Gesetzes, das durch diese bestätigt und nicht etwa aufgehoben wird. Im blauen Mem hat unschuldiges Leiden seinen Platz innerhalb der Ökonomie eines großen, ewigen Sinnzusammenhangs.

Bekehrung bedeutet schließlich in diesem Mem, vom Feind der traditionellen Ordnung und absoluten Wahrheit zu ihrem Anhänger und Unterstützer werden, indem man sich ihrem Anspruch und ihrer Autorität bedingungslos unterwirft. Das schließt eine gewisse Neigung zur Gesetzlichkeit und ein binäres Schwarz-Weiß-Denken ein. Zweifler und Abtrünnige werden als noch schlimmere Bedrohung verstanden als die “Sünder” und “Heiden”, die sich noch nie dafür interessiert haben. Die Gerechten erwartet himmlischer Lohn, allerdings erfordert dieser geduldiges, treues und diszipliniertes Warten. Die Ungerechten dagegen ernten die Früchte ihrer Rebellion.

Weitgehend blaue Versionen des Christentums sind klassische Evangelikale (Billy Graham wird bei Don Beck explizit genannt), konfessionelle Traditionalisten, und in der eher unangenehmen Form jeglicher christliche Fundamentalismus, Puritanismus und Dogmatismus. Es werden institutionelle Formen bevorzugt mit einem hohen Grad an Homogenität.

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Abbremsen oder ganz aussteigen?

Die Zeit befasst sich ausführlich mit Kontrastprogrammen zum üblichen Konsum und interviewt den Soziologen Hartmut Rosa zum Thema Entschleunigung. Der findet, dass man nicht immer Gas geben kann:

… der flexible Mensch funktioniert nicht. Aus zwei Gründen. Wenn alle flexibel werden, haben wir keine Gesellschaft mehr. Heute haben wir flexible Eliten, die auf stabile Hintergrundbedingungen treffen. Das geht. Aber wenn alle flexibel sind, wenn alle jetten, geht nichts mehr. Dann haben wir rasenden Stillstand.

(…) Das Versprechen des Reichtums und des technischen Fortschritts war, uns frei zu machen, so zu leben, wie wir wollen. Wenn wir uns aber ständig ändern müssen, um uns den selbst geschaffenen Zwängen anzupassen, ist dieses Versprechen pervertiert. Dann leben wir nicht mehr, wie wir wollen, sondern wie eine von uns selbst in Gang gesetzte Maschine es erzwingt.

Und im Gespräch mit der Trendforscherin Faith Popcorn erscheint dieses Postulat schon als ein Trend, der sich abzeichnet:

Einige schaffen es. Wir haben eine Menge Leute kennengelernt, die aufs Land ziehen, in den Mittleren Westen, in ein einfacheres Leben. Die sagen, sie seien viel glücklicher. Die machen ihr eigenes Unternehmen auf, weil sie sagen, sie waren unglücklicher bei ihrem früheren Arbeitgeber, großen Unternehmen. Vor allem Frauen sagen das.

Und weiter sagt sie:

Aktivismus ist der neue Narzismus. Er ersetzt unsere heutige Obsession mit uns selbst. Unsere nächste Obsession wird es also sein, mit einem guten Zweck assoziiert zu sein. (…) Ich sage Ihnen, was diese ganze Arbeit mit Marken erzeugt: Die Anti-Marke. Den Wunsch, in einer Welt zu leben, die einfacher ist. Nicht überall Marken, Marken, Marken. Ich will meine eigene Marke sein! Meine eigene Persönlichkeit!

Da bieten sich doch eine Menge Anknüpfungspunkte für einen bewussten christlichen Lebensstil. Aber es ist alles nicht so leicht: Spiegel online hält dagegen mit einer kritischen Betrachtung des Typs “Aussteiger”. Nicht ganz frei von Polemik, aber es sind gute Beobachtungen darunter:

Der Aussteiger ist mitteilungsbedürftig. Er muss über sich reden, wieder und wieder, da seine neue Identität durch Kommunikation begründet wird. Da sein Profil erst in Abgrenzung sichtbar wird, neigt er zu Arroganz gegenüber jenen, denen er ein tristes, angepasstes Leben unterstellt.

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Weihnachtliche Kontraste

Die Feiertage sind vorüber und boten eine bunte Mischung von Erlebnissen. Am Heiligabend ein schöner und abwechslungsreicher Gottesdienst, nachdem wir in letzter Minute unseren fast verschollen geglaubten Beamer noch im Büro fanden. Danach ein Fondue mit unseren mächtig aufgekratzten Kindern.

Am ersten Feiertag auf dem Weg zu meinen Schwiegereltern dann der harte Kontrast: Bei Schwabach auf der A6 bremsten vor uns einige Autos, wir auch, und auf der rechten Spur lag regungslos ein Mensch, der offenbar von der Brücke gestürzt war. Wir hielten an, aber nachdem schon etliche andere Leute an der Unglücksstelle waren und die Polizei eintraf, schien es sinnvoller, weiter zu fahren. Heute steht in der Zeitung, dass eine 34jährige Frau wegen familiärer Probleme 7 Meter in die Tiefe gesprungen war. Sie ist aber – Gott sei Dank! – außer Lebensgefahr.

Eine halbe Stunde später wieder Familie, Feiern, Gespräche. Unbeholfene, aber unterhaltsame Flugübungen mit unserem Mini-Helikopter. Ab und zu wandern meine Gedanken zurück zu dem regungslosen Körper auf dem Asphalt. Zweimal in zehn Wochen Beinahe-Augenzeuge bei einem Suizid, das macht nachdenklich, selbst wenn das zweite Mal nur ein “Versuch” war.

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Weihnachten und die letzten Dinge

Jesus war für die meisten seiner Zeitgenossen ein extrem gewöhnungsbedürftiger Messias, weil er viel zu friedlich und gewaltlos daherkam. Programmatisch wird das in seiner ersten Predigt in Kapernaum, wo er Jesaja 61 zitiert und das Gnadenjahr ausruft, aber genau da abbricht, wo (das wissen seine Hörer ganz genau) von Gottes Vergeltung die Rede ist.

Manche Christen sagen nun: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben, beim ersten Kommen war Jesus lieb und sanft, aber beim zweiten Kommen wird er all das nachholen, das Zuckerbrot gegen die Peitsche tauschen – und dann folgten unterschiedliche Visionen göttlichen Zorns, von Strafe und Vergeltung (und ja, es lassen sich manche Bibelstellen so auslegen – nur, ist das sachgemäß?).

Das Problem dabei ist nämlich, dass das gesamte NT davon spricht, dass Gott sich in Christus (genauer: in dem irdischen Jesus) umfassend offenbart hat. Wer also denkt dass Jesus bei seiner Wiederkunft Gerechtigkeit (das hoffen alle Christen) aufrichtet, indem er primär bestraft, vergilt und vernichtet, der nimmt diese Aussagen nicht ernst. So gesehen hätte sich Gott in Christus nämlich gar nicht offenbart, sondern als nett und freundlich verstellt, um später doch noch gewalttätig zu werden. Zudem begeht man denselben Fehler wie die Pharisäer und Schriftgelehrten zur Zeit Jesu (die konnten sich auch auf Bibelstellen berufen, aber das hat Gott anscheinend nicht davon abgehalten, genau diesen Weg zu wählen).

Also dürfen wir alle gespannt sein, wie Jesus bei seinem zweiten Kommen sich wieder als die Liebe zeigt, die sich selbst verschenkt und bis ins größte Extrem geht, um das Verirrte zu finden und zu versöhnen. Das finde ich eine wahrhaft weihnachtliche Perspektive auf die letzten Dinge. Dann hätten wir aus dem ersten Kommen vielleicht wirklich etwas gelernt.

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Wir sahen seine Herrlichkeit…

Gottes Herrlichkeit … ist weder ätherisch noch abgehoben, sondern sie ist Schönheit, Menge, Überfluss, Kabod: sie hat Gewicht, Dichte und Präsenz. Zudem ist sie gesehen worden – in Form eines Sklaven (…).
Am Ende ist das, was Menschen am Christentum anzieht, eine konkrete und besondere Schönheit, weil eine konkrete und besondere Schönheit seine tiefste Wahrheit ist.

David Bentley Hart

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Frommes Geschäft

Passend zum konsumbesetzten Fest bringt der Spiegel einen Bericht über geschäftstüchtige Christen in den USA: Kritisch bis polemisch, sicher nicht in allen Details über Zweifel erhaben, aber in der Grundrichtung wohl zutreffend und ernüchternd, vor allem wenn es auch noch ums Wohlstandsevangelium geht. Brennpunkt ist offenbar Florida:

In der diesjährigen Weihnachtsshow der First Baptist Church von Fort Lauderdale etwa reiten die Heiligen Drei Könige auf echten Kamelen ein. Das Spektakel mit 600 Schauspielern und Feuerwerk wird von Broadway-Choreografen inszeniert und kostet 1,3 Millionen Dollar.

Die Verschwendung greift immer weiter um sich, wie der Fall der Without Walls International Church zeigt. Die Kommerz-Kirche in Tampa macht Schlagzeilen, weil Bischof Randy White und Pastorin Paula White angeblich Kirchenmittel missbrauchen. Firmenjet, Strandvilla und ein Multi-Millionen-Dollar-Apartment in Manhattan gehören zum Lebensstil des stets braungebrannten, blonden Seelsorgerteams, das inzwischen in Scheidung lebt. Um die Finanzierung der Schönheitsoperationen der beiden gibt es öffentlich ebenso Streit wie um das Bentley-Cabrio, das sie einem befreundeten Pastor geschenkt haben. “Der Feind greift uns wegen unseres Glaubens an, aber der Teufel lügt”, sagte Randy White dazu jüngst in einer Predigt

Und noch eine Nachricht passt in dieses Bild – in einem argentinischen Themenpark findet indes Weihnachten in Disneyland-Manier jede halbe Stunde statt…

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Angenehm überrascht

David Hart rehabilitiert Anselm von Canterbury gegen den notorischen Vorwurf, seinetwegen dominiere in der westlichen Theologie das Strafleiden Christi und damit verbunden ein zumindest ambivalentes, im Grunde aber gewalttätiges Gottesbild und ein juristisches Verständnis von Rechtfertigung (vgl. die verbreiteten erbaulichen Phrasen wie Blut geflossen, Preis bezahlt, Genüge getan, Zorn besänftigt, Schuld getilgt…). Für Hart stellt sich die Sache anders da:

Christus nimmt die menschliche Geschichte (“human story”) auf und erzählt sie richtig, indem er auf Gottes Aufruf die richtige Antwort gibt; in seinem Leben und Sterben erzählt er die Menschheit neu (“renarrates humanity”) nach ihrem wahren Muster von liebendem Gehorsam, Demut und Nächstenliebe, und zeigt so, dass alle menschlichen Geschichten von Gerechtigkeit, Ehre und Recht Erzählungen von Gewalt, Falschheit und Tod sind; und indem er es zulässt, dass die ganze Menschheit durch seinen Tod innerhalb dieser neu erzählten Geschichte ihren Ort findet, stellt Christus sie wieder her zur Gemeinschaft mit dem Gott unendlicher Liebe, der sie zu seinem Wohlgefallen geschaffen hatte.

The Beauty of the Infinite, S. 371

 Wikipedia Commons 5 59 Anselm Of Canterbury

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Werkstatt: Fragestellungen

Ich bin immer noch am Thema “Sünde, Kreuz und Bekehrung im Horizont der Postmoderne” und frage mich gerade, ob die Themenstellung nicht schon symptomatisch ist für die Probleme, auf die christliche Verkündigung eines bestimmten Typs trifft.

  • Um adäquat über Sünde zu reden, müsste man zuerst über die Schönheit der Schöpfung reden.
  • Um adäquat über das Kreuz zu reden, müsste man zuerst über die Menschwerdung Gottes reden.
  • Um adäquat über Bekehrung zu reden, müssten wir zuerst über die Neuschöpfung aller Dinge reden.

Dann können wir auch darauf hoffen, dass wir verstanden werden. Und das nicht nur, weil wir in der Postmoderne leben, sondern auch, weil es die biblischere Perspektive ist.

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Weihnachtsmusik

Ich finde zugegebenermaßen viele Weihnachtslieder kitschig und theologisch nur zu ertragen, wenn man nicht richtig hinhört. Das gilt nicht nur für Jingle Bells und Leise rieselt der Schnee, auch das notorische “O du fröhliche” reizt noch zum Bildersturm: Was soll eigentlich an der Weihnachtszeit so gnadenbringend sein? (Was süßliche Krippenspiele angeht: hier ein Boykottaufruf auf Connexions)

Aber zum Glück gibt es ja Alternativen. Eine der schöneren ist dieses Lied von Don Francisco, das man hier auch online bekommt – idealerweise gegen eine Spende. Unten könnt Ihr den Text mitlesen, der dieses Geschenkes Gottes an die Welt (und damit das ganze Evangelium) in nur wenigen Worten wunderschön auf beschreibt.

CHRISTMAS SONG

The center of the ages
The Lord talks with a girl
And by the words He speaks
He gives a Savior to the world
The time grows to it’s fullness
And Mary’s son is born
The promises‘ fulfillment
Lies asleep now in her arms

He didn’t come to terrify
To judge or condescend
To call us all His servants
But to lift us as His friends
To save us all from Satan’s power
To reign at his right hand
In the little town of Bethlehem
When God became a man

Today the God of majesty
Has given to the earth
A gift of such magnificence
We could never plot it’s worth
And the rudeness of the setting
Just ignites the jewel’s fire
A pearl beyond the greatest price
The joy of man’s desire

He didn’t come to terrify
To judge or condescend
To call us all His servants
But to lift us as His friends
To save us all from certain death
To reign at his right hand
When once for all eternity
God became a man

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Schatten und Licht

Die längste Nacht des Jahres hat begonnen und der Dezember ist kalt wie lange nicht mehr, ausreichend Stoff für etwas Melancholie. Oder gute Bücher und Musik, ein Glas Wein und einen fröhlichen Film, der den kalten Hauch der Wintergeister in Schach hält?

Immerhin sind Erfolge zu vermelden: Vieles habe ich noch erledigen können (die Predigt für den Heiligabend noch nicht ganz…), auch privat: Heute haben wir noch einen Baum erstanden. Ich war mir noch etwas unsicher, aber Martina fand ihn schön, und in diesem Fall zählt das mehr. Berichtet doch heute die Süddeutsche wissenschaftlich abgesichert: “Eine gute Beziehung zeichnet sich dadurch aus, dass Männer den Einfluss ihrer Frauen akzeptierten.

Na also 🙂

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So schön kann Theologie sein

Gestern kam David Bentley Harts “The Beauty of the Infinite” mit der Post. Was soll ich sagen? Schon auf den ersten paar Seiten hat mich das Buch gefesselt. Hart ist ostkirchlicher Theologe und auf der Höhe der Zeit, wenn es um die Philosophie der Postmoderne und ihre Kritik an der klassischen Metaphysik und den modernen Metanarratives geht:

Theologie ist keine Kunst, die von der Geschichte auf die Ewigkeit abstrahiert, von Fakten auf Prinzipien, sondern eine, die – unter dem Druck der Geschichte, die zu interpretieren sie aufgerufen ist – entdeckt, wie die Sphäre ihrer Erzählung sich in immer größere Dimensionen des Offenbarten hinein ausdehnt, die Linie zwischen dem Geschöpflichen und dem Göttlichen überschreitet (…), weil diese Linie schon überschritten ist, nicht symbolisch, sondern tatsächlich, in der konkreten Person und Geschichte Jesu.

Aber mehr noch als das hat mich der Ansatz beim Thema Schönheit berührt. Auf den ersten Seiten zu diesem Begriff wusste ich schon gar nicht mehr, was ich noch alles anstreichen sollte. Hier ein kleiner Auszug, weil es einfacher ist auf Englisch:

In the beautiful God’s glory is revealed as something communicable and intrinsically delightful, as including the creature in its ends, and as completely worthy of love; what God’s glory necessitates and commands, beauty shows also to be gracious and inviting; glory calls not only for awe and penitence, but also for rejoicing; God’s ordinance is also ordonnance, so to speak. There is also a moral element in receiving the glory of God’s work under the aspect of beauty: the beautiful fosters attachment that is also detachment, possession in dispossession, because it can be received only at a distance, only in letting be, as gift; where glory bestows itself as beauty it consecrates otherness as good, and of God’s goodness.

David Bentley Hart, The Beauty of the Infinite: The Aesthetics of Christian Truth

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