Raumfragen: Gemeinde als “Familie”?

Heute beim Kaffee kam das Gespräch darauf, dass eine Bedeutung von Weihnachten die ist, dass Gott alle Menschen (zumindest potenziell) als Teil seiner Familie ansieht. Mit der Konsequenz, dass er von uns erwartet, dass wir andere (ohne Ausnahme!) auch so behandeln. Nächstenliebe unterscheidet nicht mehr nach Gruppen, Clans, Völkern und was einem dazu sonst noch alles an äußeren Abgrenzungen und Kategorisierungen einfällt.

Trotzdem wurde mir bei dem Begriff “Familie” etwas unwohl. Ich erinnerte mich an ein Gespräch letzte Woche, wo jemand anders die Erwartung formulierte, unsere Gemeinde müsse “wie eine Familie” werden. Ich fürchte, das führt direkt in die Überforderung, und von da aus in Frust und Rückzug. Ich habe es auch schon mehr als einmal miterlebt.

Heute musste ich wieder an die Unterscheidung zwischen öffentlichem, sozialem, privaten und intimen Raum von Joseph Myers denken: Für uns ist Familie etwas privates, wahrscheinlich mit Kern- und Rumpffamilie sogar etwas Intimes. Die Leute, die mein Schlafzimmer von innen gesehen haben. Damals, zur Zeit des Neuen Testaments, war die Großfamilie eher dem sozialen Raum zugeordnet. Intime Erwartungen kamen da gar nicht so auf, ähnlich wie in Zeiten, als bei uns die Kinder die Eltern noch “siezten”. Heute wäre das Äquivalent eher der Kreis guter Bekannter.

In diesem Sinn kann Gemeinde dann schon “Familie” sein – aber wir hören und assoziieren in der Regel etwas anderes mit und wundern uns dann, dass es uns nicht gelingt, dies in einer Gemeinde mit über 150 Leuten (eine Art natürliche Grenze, wo die Überschaubarkeit ein für allemal endet) zu leben. Vielleicht sollten wir also doch vorsichtig sein mit Begriffen, die solche Erwartungen wecken.

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