Glaube und Versicherungen (2): Gekaufte Solidarität?

Historisch gesehen sind Versicherungen erst richtig interessant geworden, als die Industriegesellschaft bisherige “Solidargemeinschaften” wie das Dorf und die Großfamilie gesprengt hat, in denen Alte, Kranke, Witwen, Behinderte (nicht immer gut, aber das ist heute ja auch nicht garantiert) getragen wurden. Wenn jemandem das Haus abbrannte, dann half man zusammen und baute es wieder auf. Bei den Amish kann man heute noch sehen, wie das funktioniert. Die meisten Christen im Westen aber haben die individualistischen Lebensentwürfe unserer Gesellschaft übernommen. Daher brauchen wir (neben den alternativlosen Pflichtversicherungen des Staates) virtuelle und kommerzielle Solidargemeinschaften in Form von Versicherungsgesellschaften.

Weil das in der Regel leidlich – und scheinbar alternativlos – funktioniert, kann man die Schattenseiten leicht übersehen: Da diese Versicherungen gewinnorientiert arbeiten, wollen sie natürlich möglichst viele Verträge verkaufen. Lebensnotwendig sind die nicht in jedem Fall. Und weil sie anonym sind und sich aufs rein Finanzielle beschränken, hört man (etwa bei Berufsunfähigkeit) auch immer wieder von langwierigen Rechtsstreitigkeiten, bis eine Vertragsleistung ausbezahlt wird. Eine andere Schattenseite der unpersönlichen Struktur ist, dass man weniger Hemmungen hat, sie auszunutzen und z.B. seine Haftpflicht zu betrügen. Die Kosten treffen dann wieder alle, aber das nehmen wir in der Regel resigniert hin.

Was das System gar nicht leisten kann, ist die menschliche Zuwendung, die “echte” Gemeinschaften leisten können und die mit Geld oft genug nicht aufzuwiegen ist. Es gibt keine Versicherung gegen Einsamkeit im Alter. Und doch ist dies eines der größten Risiken im Zeitalter von Hochleistungsmedizin. In gewisser Weise haben wir uns auch freigekauft von der Pflicht, sich um einander zu kümmern. Verständlich, wenn man sieht, wie Angehörige von pflegebedürftigen Menschen – von der Umgebung bemitleidet, aber nicht unterstützt – an ihre Grenzen kommen. Und vor lauter Sorge, später irgendwem zur Last zu fallen, schließen wir gleich noch ein paar Versicherungen ab – denn die Leute, die wir dafür bezahlen, die müssen ja zu uns halten…

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Glaube vs. Versicherungen?

Gestern abend hatten wir eine anregende Gesprächsrunde zu der Frage: Braucht ein Christ Versicherungen – und wenn ja, welche?

Wir waren uns schnell einig, dass Christen keine Privilegien bei Gott genießen in dem Sinne, dass ihnen Leid und Schicksalsschläge (trotz Bitten um Schutz) gänzlich erspart blieben. Gottvertrauen mit einer solchen Erwartung wäre etwas zu naiv. Versicherungen sind auch kein echtes Pendant zu magischen Riten, die Unheil abwenden (oder meistens umlenken) wollen. Denn sie werden erst dann aktiv, wenn der Schaden eingetreten ist. Andererseits heißt es in Jeremia 17,5-8:

So hat ER gesprochen:
Verflucht der Mann, der mit Menschen sich sichert,
Fleisch sich zum Arme macht, aber von IHM weicht sein Herz.
Der wird sein wie ein Wacholder in der Steppe: wenn Gutes kommt, sieht er nichts davon,
Flammengrund in der Wüste bewohnt er, salziges Geländ, das nie besiedelt wird.
Gesegnet der Mann, der mit IHM sich sichert: ER wird seine Sicherheit.
Der wird sein wie ein Baum, ans Wasser verpflanzt, an den Lauf sendet er seine Wurzeln:
wenn Glut kommt, sieht er nicht darauf, üppig bleibt sein Laub,
im Mangeljahr sorgt er nicht, läßt nicht ab, Frucht zu bereiten.

Fürs erste (Fortsetzung folgt) also mal diese Frage in die virtuelle Runde: Bezieht sich das nur auf “geistliche” Dinge und “ewiges Heil”?

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