Erst einmal danke für alle ehrlichen Kommentare an dieser Stelle. Ich taste mich noch vorwärts. Während ich dies schreibe, erfahre ich von Stephan, dass es bei The Simple Way gebrannt hat. Wenn das Leben gerecht wäre, bin ich versucht zu sagen, dann hätte das irgendwelche Egoisten getroffen. Andererseits haben wir die Chance, Solidarität mal praktisch werden zu lassen. Zum Beispiel durch eine online-Spende.
In unserer Runde am Montag merkte ein Teilnehmer an, das Experiment der Gütergemeinschaft in der Urgemeinde habe sich ja auch nicht durchgesetzt (ob die Tatsache, dass Paulus später sammeln musste, damit etwas zu tun hat, bezweifle ich, aber es darf hier ruhig offen bleiben).
Die andere Seite ist die, dass das Christentum seinen Siegeszug im römischen Weltreich nicht zuletzt auch dem nachhaltigen Eindruck verdankt, den das Engagement für die Armen hinterließ – die Armen in der Gemeinde und viele Arme darüber hinaus. Der Römer Lukian schreibt über die Christen:
Ihr erster Gesetzgeber hat ihnen die Überzeugung beigebracht, dass sie alle untereinander Brüder seien; sie entwickeln eine unglaubliche Rührigkeit, sobald sich etwas ereignet, was ihre gemeinschaftlichen Interessen berührt; nichts ist ihnen alsdann zu teuer.
Und der Kirchenvater Tertullian kann mit breiter Brust sagen:
Die Sorge für die Hilflosen, die wir üben, unsere Liebestätigkeit, ist bei unseren Gegnern zu einem Merkmal für uns geworden (…): ,Sieh nur‘, sagen sie, ,wie sie sich untereinander lieben‘ – sie selber hassen sich nämlich untereinander -, und wie einer für den anderen zu sterben bereit ist‘; sie selbst wären eher bereit, sich gegenseitig umzubringen.
Die Erweckungsbewegungen im 19. Jahrhundert brachten neue Antworten auf die soziale Frage hervor, und auch wenn heute Diakonissen rein optisch wie ein leichter Anachronismus wirken – das war eben die damalige Version eines neuen Mönchtums. Sie nahmen sich der Waisen, Behinderten, Kranken und Benachteiligten an. Oft waren es einzelne Pioniertypen, die ihre Gemeinden mobilisierten und Geld auftrieben, um der Not des Industrieproletariats zu begegnen.
Heute haben wir das Problem, dass Diakonie und Werke sich an manchen Stellen so weit von den Gemeinden entfernt haben, dass sie (auch zum Leidwesen vieler ihrer Mitarbeiter) zu spezialisierten und professionalisierten kirchlichen Sozialkonzernen zu werden drohen und an vielen Stellen aufgrund der Zuschüsse staatlichen Richtlinien unterworfen und damit nicht sehr flexibel sind. Andererseits wäre dort für die Gemeinden eine Menge an Kompetenz und Fachwissen abrufbar, mit dem man eine gemeindebezogene “Solidargemeinschaft” aufbauen könnte.
Zum Schluss also folgende naive Frage: Wenn wir alle – oder viele von uns – das Geld, das wir für Versicherungen ausgeben, die wir nicht unbedingt brauchen und zu denen wir nicht verpflichtet sind, in einen Topf einzahlen, für dessen Verwendung es klare Statuten und kompetente Entscheider gibt, käme ein beachtlicher Betrag zusammen. Wenn diese Mittel sich verbinden würden mit dem Willen vieler Gemeindeglieder, sich für einander und andere Menschen in konkreter Nächstenliebe einzusetzen, dann wäre schon viel möglich. Unsere Versicherungen verdienen doch prächtig an uns, obwohl sie von vielen “Kunden” betrogen werden. Das Geld kann dann in andere Dinge gesteckt werden als in deren Glaspaläste. Zum Beispiel in ethische und ökologische Fonds und in neue Jobs.
Und wenn das mit den weniger wichtigen Versicherungen klappt, dann geht es vielleicht eines Tages auch mit der Gesundheit und der Rente. Denn wer weiß, wie lange das noch akzeptabel funktioniert…?
Technorati Tags: Nächstenliebe, Urchristen