Was hat er nur gemeint?

Morgen bin ich in der Allianz-Gebetswoche mit von der Partie. Das Thema ist die Nachfolge Christi. Heute las ich den weiteren Zusammenhang dazu in Matthäus 16,28:

Amen, ich sage euch: Von denen, die hier stehen, werden einige den Tod nicht erleiden, bis sie den Menschensohn in seiner königlichen Macht kommen sehen.

Der Vers birgt eine gewisse Schwierigkeit: Falls Jesus von seiner “Wiederkunft” redet – und in einer gewissen Auslegungstradition tut er das ja ständig -, dann hat er sich schlicht und einfach getäuscht. In eben dieser Auslegungstradition ist das aber nicht vorgesehen, dass Jesus (schlimmer noch: die Bibel!) sich täuscht. 🙂

Aber vielleicht hat ja auch N.T. Wright Recht, der das Kommen des Menschensohnes mit dem Buch Daniel als ein Kommen zu Gott hin, also nicht vom Himmel herab, deutet. Ungefähr das, was bei Johannes dann als die Erhöhung Christi erscheint, die er ja mit dem Kreuz identifiziert. Das würde übrigens glänzend in den Kontext von Mt 16 passen. Das Kommen des Menschensohnes zu Gott (durch Tod und Auferweckung) aber bedeutet das Ende des Exils, die Wiederherstellung des Gottesvolkes, den Beginn des letzten Aktes im großen Drama zwischen Gott und seiner Welt, den Beginn der neuen Schöpfung.

Ach ja, das Beste hatte ich beinahe vergessen: Die Bibel hat also doch Recht… 😉

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10 Antworten auf „Was hat er nur gemeint?“

  1. sehr interessanter gedanke, der aber vom urtext her nicht leicht zu vertreten ist, oder? aber dennoch: da werde ich wohl mal drüber nachdenken müssen. danke für den hinweis!!!! …..und deinen humor 🙂

  2. Wieso sollte der nicht zu vertreten sein vom Urtext? Es ist lediglich die Frage, in welchen Kontext man das stellt. Und der Kontext für den Begriff Menschensohn in Daniel 7 ist eben der, dass er von der Erde zu Gott kommt.

  3. oh, die „lösung“ von wright hört sich gut an. vielleicht hat er ja recht. aber ob jesus das damals so gemeint haben konnte?

  4. Der Schlüssel liegt eben im Verständnis von Daniel 7.

    Nur ist es m.E. noch viel abstruser, wenn man meint, Jesus habe in einer Tour von seiner Wiederkunft geredet, wo von seinen Jüngern noch keiner begriffen hatte, dass er gehen (d.h. sterben) würde, oder? Wir haben uns nur alle an die Vorstellung so gewöhnt, dass wir es für „normal“ halten.

  5. Naja, ich hab NTPG und JVG gelesen und bin grad in der zweiten Hälfte von „The Resurrection of the Son of God“. Und ich muß sagen: NTW macht schon interessante Sprünge. Einerseits meint er, beim Menschensohn in Dan 7 handelt es sich um Israel. Dann aber wieder verdichtet sich Israel in einem Menschen. Und eigentlich war das ja in Daniel nicht so gemeint, aber die Menschen zur Zeit Jesu hätten das eben so verstanden und daraufhin hätte es Jesus auf sich bezogen. Ähnlich macht NTW es mit Jes 52f bzw. den ganzen Gottesknechtsliedern.
    In seiner Argumentation klingt das schlüssig, aber ich kann mich da (noch?) nicht anschließen. Ich hatte vor kurzem beim Lesen der Endzeitreden in Mt den Eindruck, daß es da zwei Stufen gibt – 70nCh und die „Wiederkunft Jesu“. Müßte ich mal genauer untersuchen. NTW bezieht das ja nur auf 70nCh. Und die klassische Position war nur die „Wiederkunft Jesu“. Ich bin mir nicht sicher, ob es nicht vielleicht ein sowohl-als-auch gibt.

    Das Argument mit den Jüngern zieht für mich nicht wirklich: Die haben vieles nicht geblickt. Und wie würdest Du Joh 14 einsortieren: „hingehen, euch die Stätte zu bereiten … wiederkommen und euch zu mir nehmen, damit ihr seid, wo ich bin“? Für NTW ist die „Stätte“ ein vorübergehender Aufenthalt im Totenreich. Ich hab da immer noch so meine Anfragen. Vor allem, was die „vindication“ des Menschensohnes angeht. In obigem Beispiel: Jesus spricht davon, daß sie „den Menschensohn in Macht kommen sehen“. In Wahrheit haben sie nur die Zerstörung Jerusalems gesehen. Für NTW ist das: „ihr werdet das sehen, was in Dan 7 codiert beschrieben ist“. Ich stimme Wright zu, daß dieses Ereignis Jesus letztlich recht gab, aber behalte den Eindruck, daß er alles, was seiner Deutung von Dan 7 widerspricht, gegen den Strich auf Linie bürstet. Er hat halt seinen hermeneutischen Schlüssel gefunden 😉
    Und auch bei Apg 1 („dieser Jesus wird so wiederkommen, wie ihr in habt gen Himmel fahren sehen“) und NTWs Deutung von Sacharja habe ich meine Anfragen.
    JVG ist ein superbes Buch, aber die Tatsache, daß das JohEv nicht wirklich vorkommt (was NTW ja selbst bedauert), ist äußerst schade.

    Ich freue mich, in ein paar Jahren Zeit für eine ausufernde Eschatologie-Arbeit zu haben. Vielleicht lande ich dann doch bei der Linie von NTW. Momentan behalte ich meine Anfragen.

    Was ich an ihm aber liebe ist, daß er versucht, das gesamte biblische Material ernst zu nehmen und ihm gerecht zu werden. Er scheidet nicht einfach Dinge aus, die ihm nicht passen, sondern kaut auch auf den schwer verdaulichen Brocken herum. Das imponiert mir, da will ich mehr von sehen!

  6. @ DoSi: Johannes und die Synoptiker liegen auf ganz verschiedenen Ebenen. Johannes hat das in seine Theologie und Sprache umgesetzt, das muss man m.E. berücksichtigen. Methodisch ist das tatsächlich ein Kapitel für sich.

    Ich finde Wrights Argumentation wirklich schlüssig, wesentlich schlüssiger als alles, was ich bisher gelesen habe. Andernfalls hätte sich Jesus tatsächlich hier (und an anderen Stellen) ziemlich getäuscht. An dem Punkt wird es für Deinen sowohl-als-auch-Ansatz wieder ziemlich eng…

    Was die Daniel-Interpretation angeht (und die ist für den Begriff „Menschensohn“ ausschlaggebend) muss man fragen, ob wir ohne eine jahrhundertealte Tradition, alles „Kommen“ in den Evangelien als „Wiederkunft“ am „jüngsten Tag“ zu deuten, überhaupt auf die Idee kommen könnten, hier etwas anderes herauszulesen, als Wright das tut. Im Kontext dort ist so etwas wie „Wiederkunft“ gar nicht vorgesehen. Es handelt sich um eine himmlische Inthronisierung, die in 7,27 auch noch kollektiv auf das Gottesvolk der Leidenden und Märtyrer ausgeweitet wird. Die Frage stellt sich eigentlich erst nach dem Weggang, also nach „Himmelfahrt“, und zwar deshalb, weil die Welt noch nicht völlig neu und verwandelt war, sondern äußerlich (scheinbar) noch dieselbe. Wer regiert jetzt also und wann/wie wird das spürbar?

  7. sehr interessant das gerade diese woche hier zu lesen. wir orientieren uns mit den predigten ja am plan der landeskirche und ich bereite daher gerade etwas zu 2pet 1,12-21 vor. in diesem zusammenhang wird parousia von manchen theologen als terminus technicus für die wiederkunft christi angenommen (vers 16). meiner ansicht nach – und die gedanken die du hier äusserst scheinen das zu bestätigen – ist die annahme von parousia als terminus technicus nicht zwingend. der erwähnte abschnitt erscheint mir auch dann, oder vielleicht gerade dann sinnvoll, wenn ich nicht von der wiederkunft spreche, sondern von der menschwerdung christi.

    würde mich sehr interessieren wie du parousia übersetzt und wie du zu der these des terminus technicus stehst.

  8. @Peter: In „Resurrection“ behandelt NTW die Aussagen von Jesus im JohEv nicht anders als die aus den Synoptikern und schreibt sie dem historischen Jesus zu.

    Klar, JVG ist ein Meilenstein in der NT-Forschung, der war aber nach der Bultmannschule auch bitter nötig.

    Nein, ich glaube nicht, daß Jesus sich nach dem Sowohl-als-auch-Ansatz getäuscht hätte – dieser Ansatz würde meiner Ansicht nach der Komplexität mancher Aussagen gerechter werden, als das nach meinem Gefühl manchmal bei Wright der Fall ist.

    NTW spricht ja ständig von „continuity and discontinuity“. So sehe ich das mit Dan 7 auch – Inthronisation Jesu, die einer Wiederkunft nicht widerspricht.

  9. @ DoSi: Also, ich denke es ist Jesus (nicht Wright) der die gewünschte Komplexität hier nicht zulässt, wenn er davon ausgeht, dass seine Ankündigung des Gerichts sich binnen einer Generation erfüllt.

    Das heißt ja nicht, dass Jesus nicht wiederkäme. Nur an dieser Stelle ist davon halt nicht die Rede.

  10. Gestern bin ich über Didache 16 gestolpert. Das könnte in diesem Zusammenhang interessant sein. Leider hab ich den griechischen Text nicht. 🙁

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