Was ist eigentlich anders bei der Seelsorge an Männern? Das fragte neulich jemand in eine Gesprächsrunde hinein und es ergab sich eine für mich unerwartet lebhafte Diskussion. Mit ein paar ganz interessanten Gedanken, die ich hier ohne Anspruch auf Vollständigkeit, Widerspruchsfreiheit oder Allgemeingültigkeit knapp zusammenfasse.
Mann sein ist vielerorts nichts Gegebenes, sondern ein Anspruch. Das liegt nicht an den Unschärfen bei der Unterscheidung der Geschlechter, sondern daran, dass Männer immer wieder der Erwartung ausgesetzt sind, ihre Männlichkeit durch diese oder jene Aktion unter Beweis zu stellen. Und wenn mir jemand schaden möchte, behauptet er einfach, ich sei (nach seinen Maßstäben, die können unterschiedlich ausfallen) kein „richtiger“ Mann. Mann zu sein ist also mehr, als mit einem y-Chromosom auf die Welt zu kommen. Wenn es aber von der eigenen Leistung und Leistungsfähigkeit abhängt, wenn es von anderen anerkannt und bestätigt werden muss, dann ist Mannsein immer eine höchst unsichere Sache. Man ist immer nur insofern Mann, als man dem jeweils gültigen Ideal von Männlichkeit entspricht. Die Männer-Rolle nach eigenen Vorstellungen zu interpretieren ist erst einmal nicht vorgesehen.
(Bild: Joshua Munoz | Unsplash.com)
Diese unbarmherzige und unflexible Außenorientierung hinterlässt ihre Spuren im Leben vieler Männer: Sie erscheint im Wunsch nach Anerkennung und dem Bedürfnis, als stark und kompetent (oder potent) wahrgenommen zu werden. Diese Unsicherheit ist ein Handlungimpuls, der sowohl Kampf- als auch Fluchtreflexe erzeugt. Männer können sich mit hierarchischen Systemen und klaren Hackordnungen leicht arrangieren. Der eigene Status ist in diesen Strukturen leicht zu bestimmen, er wird nach festen Regeln behauptet oder durch Rivalität und Konkurrenz erweitert.
Männer objektivieren gern, auch sich selbst – etwa den eigenen Körper, den sie sich (z.B. im Sport) oft wie eine Maschine vorstellen. Das Gespür für die eigene physische und psychische Gesundheit (und damit Ängste, Grenzen, Schwäche) steht dabei zurück. Viele brauchen lange, um über ihre tieferen Gefühle reden zu können (mit dem oberflächlichen Ärger über äußerliche Dinge in der „objektiven Welt“ ist das freilich anders, wie jeder Stammtisch beweist). Nicht wenige Männer verpacken ihre Selbstoffenbarung in Kommentare über äußerliche Dinge: Am Tonfall, wie jemand über Autos, Computer oder die kirchlichen Verhältnisse redet, lässt sich seine Gefühlslage ablesen – indirekt. Und an der Energie, mit der er es tut.
Man macht es Männern also schwer, wenn man von ihnen erwartet, einfach so über ihre Defizite und Schwächen zu reden. Ein Problem zu haben ist in der herkömmlichen sozial geprägten Männlichkeitslogik fast gleichbedeutend mit zum sprichwörtlichen Problembär zu werden. Ebensowenig sollte man sich davon irritieren lassen, wenn man als Seelsorger taxiert wird und erst einmal selbst beweisen muss, dass man satisfaktionsfähig ist. Bei vielen Männern muss man eine Weile geduldig zuhören, wie sie ihre Kompetenzen und Leistungen ins rechte Licht rücken. Das ist keine Ablenkung, sondern hier wird Vertrauen und Beziehung aufgebaut. Erst wenn ich weiß, der andere wird mich meiner Schwächen wegen nicht als inkompetent betrachten, kann ich sie zugeben. Viele Männer hassen zudem Mitleid: Sarkasmus und schwarzen Humor muss man also abkönnen, denn sie sind eine bewährte Strategie, über Schmerzhaftes zu reden, ohne dabei rührselig oder weinerlich zu werden.
Geduldiges und zugewandtes Schweigen ist meistens besser als Trösten. Aber man kann Männer gut an ihre vergessenen oder unterschätzten Ressourcen erinnern, und man kann sie auf klassische männliche Rollenelemente wie den „Krieger“ oder (kommt seltener vor) den „Weisen“ ansprechen. Solche Bilder können Kräfte freisetzen – nicht als Ideale, denen man hinterherhechelt, sondern als Potenziale, die zur Verfügung stehen.
Und in diesem Kontext, das hat Bastian Schweinsteiger gestern gezeigt, sind dann auch Tränen völlig ok – und verdammt heilsam.