Verrücktes Vertrauen

In den letzten Tagen habe ich mich gefragt: Vielleicht sollten wir neben Psychopathen und Soziopathen nun auch von „Plutopathen“ sprechen (analog zu Plutokratie, oder wäre „Monetopathen“ besser)? Die Finanzkrise hat – Deutschland ist da die krasse Ausnahme – weltweit 13 Millionen Jobs vernichtet, Familien und ganze Landstriche in die Armut gestürzt. Der billionenschwere „Krieg gegen den Terror“ fand derweil irrtümlicherweise weit weg in Afghanistan und im Irak statt.

Der wahre Schrecken kam deshalb unerwartet: Aus der US-Subprimekrise ist die Schuldenkrise in Südeuropa und Irland und die Krise des Euro geworden. Seit Wochen ringen Regierungen darum, das Vertrauen „der Märkte“ zurückzugewinnen, nachdem man in der Krise die Reform der Märkte versäumt hat, was wiederum vor allem die USA zu verhindern wussten.

Nur: Wer verbirgt sich hinter dieser Chiffre „die Märkte“? Die Antwort ist wirklich erschreckend: Die Finanzmärkte werden im Wesentlichen von Menschen dominiert, denen die Universität St. Gallen ein vernichtendes Charakterzeugnis ausstellt. Der Forensiker Thomas Noll bilanziert eine Studie zum Verhalten von Aktienhändlern laut Spiegel Online folgendermaßen:

„Natürlich kann man die Händler nicht als geistesgestört bezeichnen, […] aber sie verhielten sich zum Beispiel noch egoistischer und risikobereiter als eine Gruppe von Psychopathen, die den gleichen Test absolvierten.“ Besonders schockierend für Noll: Insgesamt erzielten die Banker gar nicht mehr Gewinn als die Vergleichsgruppen. Statt sachlich und nüchtern auf den höchsten Profit hinzuarbeiten, „ging es den Händlern vor allem darum, mehr zu bekommen als ihr Gegenspieler. Und sie brachten viel Energie auf, diesen zu schädigen.“ Es sei in etwa so gewesen, als hätte der Nachbar das gleiche Auto, „und man geht mit dem Baseballschläger darauf los, um selbst besser dazustehen“.

Wunderbar illustriert wird diese These durch ein Interview der BBC mit einem gewissen Alessio Rastani, das für große Aufregung im Internet gesorgt hat. Die Süddeutsche beleuchtet seinen etwas schillernden Hintergrund und stellt dann fest, dass der selbsternannte Experte mit der großen Klappe Dinge ausspricht, die andere schon seit langem anprangern, ohne damit groß aufzufallen. Der springende Punkt ist jedoch der: Realität und Karikatur oder Effekthascherei lassen sich für viele eben schon gar nicht mehr so leicht auseinanderhalten – Rastani hat die Baseballschläger-Rhetorik perfekt drauf.


Man fragt sich nur, warum die anderen Paten sich den Plutopathen nicht anschließen – das wäre ganz legal, und mindestens so destruktiv wie organisiertes Verbrechen, aber man könnte auf Killertrupps verzichten und muss sich nicht irgendwo auf Sizilien vor den Carabinieri verstecken. Und das gesparte Geld könnte man nutzen um – richtig – gegen den Euro zu wetten. Oder den Dollar – der kommt als nächstes dran.

Share