Unerwünschte Trauer

Vor kurzem hörte ich einen Bericht über Christen in einem autoritären Staat. Sie sind dort leidlich anerkannt und werden genau beobachtet. Ärger gab es, als bei einer Veranstaltung Menschen von Traurigkeit über bestimmte Missstände im kirchlichen und gesellschaftlichen Leben ergriffen wurden und weinten. „Positive“ Emotionen sind dagegen erlaubt oder gar erwünscht.

Ich fand das sehr spannend und musste sofort an Walter Brueggemanns Auslegung des Buches Jeremia denken. Er arbeitet heraus, wie der Prophet der unterdrückten Trauer im Land eine Stimme verleiht: Trauer über die Opfer von Wachstum, Wohlstand und Fortschritt wie auch Trauer über das ausstehende Gericht, das im Zusammenbruch des Reiches und Reichtums besteht. Und er zieht eine Verbindung zu Jesus:

Jesus wusste, was wir Abgestumpften immer wieder lernen müssen: dass das Weinen wirklich sein muss, weil das Ende wirklich ist; und dass Weinen Neues zulässt. Sein Weinen lässt zu, dass das Reich kommt. Solches Weinen ist radikale Kritik, ein furchterregender Abriss, weil er das Ende jeglichen Machotums bedeutet; selten weinen Könige, ohne dass es sie den Thron kostet. Aber der Verlust des Throns ist genau das, worauf die prophetische Kritik aus ist.

 

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